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Neue Saison ohne den den amtierenden Titelträger. Motor Babelsberg gehört im Kampfjahr 2016/17 nicht zu den Teilnehmern an der Bundesliga. Vorausgegangenen waren vonseiten des Deutschen Boxsport-Verbandes eine inkonsequente Organisation des Ligabetriebs und ein anschließendes Kommunikationsdefizit.

© Manfred Thomas

Potsdamer Boxsport: Ein ganz schweres Erbe

Nach dem plötzlichen Tod des großen Machers Ralph Mantau kämpft die Boxabteilung von Motor Babelsberg um Stabilität. In der Bundesliga werden die Babelsberger als Titelverteidiger nächste Saison nicht antreten - Schuld daran ist in gewisser Hinsicht der nationale Verband.

Von Tobias Gutsche

Potsdam hat sich inzwischen einen Namen in der Berufsboxszene gemacht. Zum wiederholten Male findet am morgigen Samstag eine große Gala der professionellen Faustkämpfer in der MBS-Arena statt. Dass Promoter gerne ihre schillernden Veranstaltungen in Brandenburgs Landeshauptstadt veranstalten, hat viel damit zu tun, dass es hier eine große Tradition im und Begeisterung für den Boxsport gibt. Begründet sowie beflügelt wurden sie vor allem durch den SV Motor Babelsberg – insbesondere durch das dortige Engagement von Trainer Ralph Mantau.

Am 18. April dieses Jahres verstarb Ralph Mantau völlig unerwartet im Alter von nur 55. Ein Schlag, härter als alle Schläge der Welt im Ring zusammen. „Ralphs Tod“, sagt Heiko Prause, „hat ein Riesenloch gerissen.“

Lehrmeister der Boxkunst, starker Motivator und raffinierter Erzieher

Prause, ein langjähriger Wegbegleiter von Mantau, steht in der Babelsberger Motor-Sporthalle. An der Tür des Boxtrainingsraums sowie an der Magnettafel in einer Ecke des Saals befestigte Schwarz-Weiß-Porträtbilder erinnern an „Mister Boxen“, wie ihn Oberbürgermeister Jann Jakobs in einem Nachruf würdigte. Zwischen den von der Decke hängenden Boxsäcken erwärmt sich gerade eine kleine Gruppe Jugendlicher mit Hilfe von Sprungseilen. „Wenige Tage nach dem Tod von Ralph haben wir den Trainingsbetrieb wieder aufgenommen. Wir sind dabei, alles irgendwie zu stabilisieren“, erklärt Heiko Prause, der sich zusammen mit Marco Heymann und David Berndt die Coaching-Verantwortung bei den am Montag-, Mittwoch- und Freitagnachmittag durchgeführten Übungseinheiten aufteilt. „Es ist zu merken, wie sehr den Sportlern ihr alter Trainer fehlt. Einige haben erst mal ein Vierteljahr pausiert, weil sie alles verarbeiten mussten. Es kommen momentan auch immer noch nicht so viele wie früher. Statt 20 nur zehn bis 15.“ Das liege sicherlich daran, meint Prause, dass die Athleten in Mantau, der fast bei jeder Einheit da war, eine „Vaterfigur“ hatten, zu der „ein ganz enger Draht“ bestand. Wegen dieser Vertrauenskonstante seien sie immer gerne hergekommen. „Wir Drei werden jetzt unser Bestes geben, dass wir ihnen auch so etwas bieten können.“ Ein ganz schweres Erbe.

Ralph Mantau war ein Box-Enthusiast. Jemand, für den die Arbeit am und im Seilgeviert ein Lebenselixier darstellte. „Beim Training ist er so richtig aufgeblüht“, sagt sein 29-jähriger Sohn Marcel, der von seinem Vater unter anderem zum deutschen Junioren-Vizemeister geformt worden war. Mantau senior galt als großer Lehrmeister der Boxkunst, starker Motivator und raffinierter Erzieher. Das Leitmotiv im Training: Zuckerbrot und Peitsche. „Er war hart, aber fair. Wenn du drei Minuten zu spät kamst, musstest du gleich 50 Liegestütze zur Strafe machen. Und wenn du auch noch gefragt hast, wofür das war, dann gab es noch mal 50 hinterher. Am Ende der Einheit wurdest du dann allerdings wiederum auch enorm gelobt, wenn du toll mitgemacht hattest“, erzählt Marcel Mantau, der bei den demnächst stattfindenden Wahlen des Abteilungsvorstandes antreten möchte und sich auch vorstellen könne, Nachfolger seines Vaters als Vorsitzender zu werden. Schließlich war er zuletzt bereits in Clubangelegenheiten involviert. Er unterstützte den SV Motor bei der Organisation des Ligabetriebs.

Causa Bundesliga: "Kapitel abgeschlossen, Buch aber nicht zugeklappt"

Für die prestigeträchtigen Mannschaftswettbewerbe nutzte Mantau stets sein hervorragendes Netzwerk. Knapp zwei Wochen vor seinem Tod hatte er sich einen persönlichen Traum erfüllen können, indem er mit Babelsberg erstmalig die deutsche Meisterschaft gewann – und das im 20. Ligajahr der Motor-Vereinsgeschichte.

Das 21. wird in der Saison 2016/17, die Ende November beginnen soll, nicht folgen. Der Titelverteidiger schwingt nicht die Fäuste. Geschuldet ist das Fehlen des Champions in gewisser Hinsicht der Unstrukturiertheit des Deutschen Boxsport-Verbandes. Dieser hatte zunächst eine internationale Bundesliga geplant – unter anderem mit Teams aus Polen, Dänemark und Kroatien. „Dadurch wären unsere Kosten explodiert. Wir haben deshalb keine Meldung abgegeben“, erläutert Marcel Mantau. Dann sagte der Verband den ausländischen Mannschaften allerdings auf einmal ab und entschied sich doch für eine reine nationale Eliteliga. „Uns wurde das leider nicht kommuniziert. Hätten wir das gewusst, hätten wir versucht, ein Team zu stellen.“ So soll es nun die 1. Bundesliga mit je vier deutschen Clubs in der Nord- und Südstaffel geben – aber eben ohne den SV Motor Babelsberg. „Schade“, findet Marcel Mantau, verspricht jedoch: „Mit dem Titelgewinn 2016 haben wir nur ein Kapitel abgeschlossen, das Buch ist aber nicht zugeklappt. Kurz- bis mittelfristig wollen wir wieder in den Ligabetrieb einsteigen.“

Abteilungsleben neu ordnen und optimale Bedingungen für Boxnachwuchs schaffen

Dass in der aktuell schweren Zeit die Herausforderung des Mannschaftswettbewerbs nicht gestemmt werden muss, ist allerdings auch als hilfreiche Entlastung zu sehen. So können die Kräfte besser eingesetzt werden, um das Abteilungsleben neu zu ordnen. Und um die optimalen Bedingungen für die Nachwuchsförderung, auf der schon immer der Fokus lag, zu schaffen. „Das ist ja als Landesleistungsstützpunkt unsere Hauptaufgabe“, sagt Coach Heiko Prause, während die von ihm betreuten Jugendlichen schweißtreibende Übungen in der maroden Motor-Halle absolvieren. Jene altehrwürdige Stätte wird bald rundum saniert – die Boxer bekommen neue moderne Räumlichkeiten. Dafür hatte sich Mantau stets eingesetzt. Wie für so viele andere Dinge, die zum Wohle des Potsdamer und auch des deutschen Boxsports dienten.

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