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Für das gewisse Extra. Fabian Wiede wurde bei der WM schon zweimal zum wertvollsten Spieler der Partie gewählt.

© Soeren Stache/dpa

Potsdam und die Handball-WM 2019: Potsdam-Connection

Die deutschen Handballer begeistern bei der Weltmeisterschaft. Maßgeblich am Höhenflug beteiligt sind Fabian Wiede und Fabian Böhm. Die in Potsdam ausgebildeten Rückraumspieler übernehmen Verantwortung in kritischen Situationen.

Köln - Bisweilen sind es die kleinen Szenen, die viel über den Wert eines Spielers innerhalb einer Mannschaft aussagen. Sie müssen gar nicht zwangsläufig sportlicher Natur ein. Als zum Beispiel der Deutsche Handballbund (DHB) einen Tag vor Beginn der Weltmeisterschaft die Besetzung für die erste Pressekonferenz der Nationalmannschaft öffentlich machte, konnte man im Grunde nur staunen. Auf dem Podium nahm nicht etwa Uwe Gensheimer Platz, der Kapitän des Teams, ebenso wenig der exzentrische Torhüter Andreas Wolff oder Abwehrkante Finn Lemke.

Emotionsgeladen. Fabian Wiede bejubelt mit Torwart Andreas Wolff den Halbfinaleinzug.
Emotionsgeladen. Fabian Wiede bejubelt mit Torwart Andreas Wolff den Halbfinaleinzug.

© Wolfgang Rattay/Reuters

Nein, ganz vorn saß Fabian Wiede, 24 Jahre jung, geboren in Bad Belzig und mehrere Jahre an der Potsdamer Sportschule ausgebildet. Den Journalisten stand er ausführlich Rede und Antwort. Wiede erzählte nette Anekdoten: Wie viele Tickets er für seine Familie und Freunde besorgen musste, wie groß die Nachfrage war – und wie ausgeprägt die Vorfreude auf die Weltmeisterschaft im eigenen Land war, noch dazu in seiner Wahlheimat Berlin. „So etwas gibt es nur einmal im Leben“, sagte Wiede, „ich kann kaum erwarten, dass es losgeht.“ In der Retrospektive scheint es fast so, als hätte da jemand im DHB eine Vorahnung gehabt bei der Besetzung der Pressekonferenz vor dem Turnierstart. Denn Fabian Wiede ist zu einer Schlüsselfigur im deutschen Team geworden.

Schon zwei Galavorstellungen von Fabian Wiede

Mittlerweile steuert die Handball-Weltmeisterschaft auf ihre Zielgerade zu. Nach dem 22:21-Sieg im Krimi gegen Kroatien am Montagabend ist den Deutschen der Halbfinaleinzug nicht mehr zu nehmen. Unabhängig vom Ausgang des letzten Hauptrundenspiels gegen Spanien am Mittwoch (20.30 Uhr live bei ARD) wird die Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop definitiv die Weiterreise nach Hamburg antreten, wo am Freitag die Halbfinals stattfinden. Gegner im hohen Norden wird passenderweise eine Abordnung aus dem hohen Norden Europas sein – entweder Schweden, Dänemark oder Norwegen. Die Entscheidung diesbezüglich fällt am Mittwoch.

Zugepackt. Fabian Böhm ist ein Kämpfer - hier stoppt er resolut den Kroaten Luka Stepancic.
Zugepackt. Fabian Böhm ist ein Kämpfer - hier stoppt er resolut den Kroaten Luka Stepancic.

© Marius Becker/dpa

Dass es so weit gekommen ist, liegt nicht zuletzt an der Potsdam-Connection im Team. Fabian Wiede, im Alltag bei den Füchsen Berlin angestellt, wurde nach seiner Galavorstellung (sechs Treffer bei sechs Versuchen) gegen die Kroaten zum zweiten Mal bei dieser Weltmeisterschaft zum Spieler des Spiels gewählt. Gegen das dominierende Team des vergangenen Jahrzehnts, Rekordweltmeister und Titelverteidiger Frankreich, war dem Linkshänder diese Ehre in der Vorrunde schon einmal zu Teil geworden. Obendrein war in der Schlussphase auch auf einen anderen Fabian Verlass, Nachname Böhm, 29 Jahre alt und geboren in Brandenburgs Hauptstadt. Beim VfL Potsdam – den „Adlern“, wie die VfL-Spieler genannt werden – erlernte Fabian Böhm das Handball-Abc, seine Eltern waren Mitbegründer des Vereins. Als der Druck am Montag gegen Kroatien am größten war, steuerte der Profi der TSV Hannover-Burgdorf zwei Treffer bei, ohne die der Abend wahrscheinlich anders ausgegangen wäre.

Im Grunde ist Fabian Böhm ein klassischer Nachrücker

Böhm hatte bereits in der Vorrunde Verantwortung in einer kritischen Situation übernommen. Im Spiel gegen Russland traf er kurz vor Schluss zur 22:21-Führung. Im direkten Gegenzug kassierten die Deutschen allerdings noch den Ausgleich: Böhms wichtiger Treffer geriet dadurch zur Nebensache. „Gegen Russland und Frankreich hatten wir auch ein bisschen Pech mit den späten Gegentoren, die uns jeweils einen Punkt gekostet haben“, sagte er nun am Montagabend nach dem Kroatien-Spiel in den Katakomben der zuvor ausverkauften Köln-Arena. „Heute hatten wir das Glück endlich mal auf unserer Seite – und am Ende haben wir es auch erzwungen“, ergänzte der Rückraumspieler.

Potsdam im Blut. Fabian Böhm wurde in Brandenburgs Hauptstadt geboren – seine Eltern gehören zu den Mitbegründern des VfL.
Potsdam im Blut. Fabian Böhm wurde in Brandenburgs Hauptstadt geboren – seine Eltern gehören zu den Mitbegründern des VfL.

© Odd Andersen/AFP

Fabian Böhm ist im Grunde ein klassischer Nachrücker. Ohne die Kreuzbandverletzung des wurfgewaltigsten Nationalspielers, Julius Kühn von der MT Melsungen, hätte er den Sprung in den Kader des Bundestrainers womöglich nicht geschafft. Andererseits ist der 29-Jährige alles andere als ein Neuling für Menschen, die sich über die Weltmeisterschaft hinaus auch im Alltag mit Handball beschäftigen. 2015 bei der Weltmeisterschaft im Wüstenstaat Katar war Böhm schon einmal dabei, obwohl er seinerzeit kaum Einsatzminuten sammeln durfte. In der Bundesliga-Hinrunde hat Böhm für seinen Verein 61 Feldtore erzielt – ein starker Wert.

Alexander Haase - der Schachspieler im Handball

Böhm und Wiede sind gewissermaßen Schachfiguren in einem Spiel, das der dritte Brandenburger im Bunde beherrscht: Co-Trainer Alexander Haase. Der Potsdamer ist unter rein taktischen Aspekten der verlängerte Arm von Bundestrainer Prokop. Schon unter dessen Vorgänger, dem Isländer Dagur Sigurdsson, zeichnete Alexander Haase für das Scouting des kommenden Gegners verantwortlich. Auch bei der WM im eigenen Land kümmert sich der Sportschul-Lehrertrainer um Stärken und Schwächen, um Abwehrformationen und Angriffssysteme. Haase ist Prokops wichtigster Zuarbeiter.

„Wenn wir das Turnier bis zum Ende bestreiten, und das ist das erklärte Ziel, wird die Flut an Informationen über den nächsten Gegner immer größer“, sagt Haase. Gleichzeitig sei die Aufnahmefähigkeit der Spieler und Trainer geringer, weil das Turnier Kraft kostet. „Insofern ist weniger manchmal mehr. Das Entscheidende wird sein, das Richtige herauszufiltern“, sagt Haase.

Man darf davon ausgehen, dass er bis zum Halbfinale am Freitag noch ein paar Nächte am Computer verbringen wird, um einen taktischen Plan zu entwerfen und jede Eventualität durchzugehen.

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