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Auf dem Rad durch Rio. Beim diesjährigen olympischen Triathlon-Wettbewerb erwartet die Teilnehmer ein Rad-Kurs mit etlichen anspruchsvollen Anstiegen. Darauf hat sich Laura Lindemann akribisch vorbereitet – sie trainierte im Harz und im Elbsandsteingebirge.

©  dpa

PNN-Olympiaserie "Rio ruft" - die Potsdamer Teilnehmer: Mission erfüllt: Dabei sein!

Gerade einmal vier Jahre, nachdem sie mit dem Triathlon begann, wird Laura Lindemann bei den Olympischen Spielen antreten. Um ihr Rio-Ticket musste die Potsdamerin hart kämpfen - es war eine nervenaufreibende Belastungsprobe.

Im Harz ist sie in Tempointervallen Berge hinaufgefahren, im Elbsandsteingebirge hat sie beim Radtraining Anstiege simuliert, wie sie auf der Radstrecke des olympischen Triathlons in Rio de Janeiro zu erwarten sind. Eines hat Laura Lindemann allerdings nicht geübt: Wie man eine Hängepartie durchsteht – ein nervenaufreibendes Hin und Her des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), ob die 20-jährige Potsdamer Triathletin überhaupt an die Copacabana zum größten Sportfestival der Welt fährt.

Das Nominierungs-Hickhack um die weltbeste Nachwuchstriathletin wurde zur Strapazierung des olympischen Leitmotivs „Dabei sein ist alles“. Nahezu schicksalshaft schlug für Laura Lindemann das Pendel hin und her zwischen dabei sein oder nicht dabei sein. Es gab eigentlich keinen Zweifel daran, dass Deutschland die zweifache Junioren-Weltmeisterin zusammen mit der sportlich qualifizierten Anne Haug zu den Olympischen Spielen nach Rio schickt. Mehr Bestätigung als Überraschung war es, als die Deutsche Triathlon Union die gebürtige Berlinerin für einen der fünf Rio-Startplätze vorschlug, die der deutschen Triathlon-Gilde zustanden. Die endgültige Nominierung durch den DOSB schien reine Formsache.

An der Olympia-Reife von Laura Lindemann gibt es keinen Zweifel

Dass es zunächst anders kam, ist ein unsägliches Kapitel der deutschen Nominierungspolitik des DOSB, der lieber Verrat übte an einer der populärsten Sportarten in diesem Land, statt den Mut aufzubringen, eine Entscheidung zu treffen und diese notfalls auch rechtlich zu verteidigen. Denn nichts anderes war das Einknicken des DOSB vor der Klage der Saarländerin Rebecca Robisch, nachdem sie sich nicht auf der Vorschlagsliste des Triathlon-Fachverbandes fand. Es ist ihr gutes Recht gewesen. Um sich ja nicht zu streiten, verteilte der DOSB lieber gar keine Rio-Tickets – und versagte einer ganzen Disziplin die Wertschätzung. Vor allem aber Laura Lindemann, an deren Olympia-Reife es keinen Zweifel gibt. Peinlich, dass erst die Internationale Triathlon Union intervenieren musste, dass Deutschland neben Anne Haug bitteschön noch einen Triathleten nach Rio schickt. Gut und richtig, dass sich der DOSB in letzter Sekunde doch noch für Laura Lindemann entschied.

Es wäre ein fatales Zeichen an jeden Nachwuchssportler gewesen, wäre es nicht passiert. Sicher, Lindemann ist jung genug, auch in vier Jahren noch an Olympischen Spielen teilzunehmen. Aber schon heute ist sie soweit, sich mit den Besten der Welt zu messen – und darum geht es bei Olympia. Man kann nicht einerseits feiern, dass Lindemann mit 20 Jahren den Sprung von den Junioren in die Spitze der Welt-Elite bereits geschafft hat, dass sie bei Weltcup-Rennen wie zuletzt in Hamburg unter die Top 10 raste oder bei der Mixed-Team-Weltmeisterschaft mit Bronze für deutschen Edelmetall-Glanz sorgte. Sie anderseits dann fallen lassen – das wäre eine Farce gewesen.

Der Wechsel vom Schwimmen zum Triathlon fiel ihr zunächst nicht leicht

Wenn regelmäßig gefragt wird, wo denn die jungen deutschen Talente sind, die sich in olympischer Mission bewähren können – Laura Lindemann ist eine Antwort darauf. Sie kann mit Druck umgehen. Ihr Trainer Ron Schmidt, der schon Gregor Buchholz zum U23-Weltmeister formte und Christian Prochnow zu Olympia führte, schwärmt regelrecht von der Gelassenheit der Sportschülerin vor und auch in Wettkämpfen. „Laura ist absolut klar im Kopf, sie weiß genau, was sie kann und was sie will“, sagt Schmidt.

Diese Charaktereigenschaft half ihr auch vor vier Jahren beim Wechsel vom Schwimmen zum Triathlon. Aufhören, als es mit dem Schwimmen nicht mehr wie erhofft vorwärtsging, war keine Option. Mit 16 Jahren dem Leistungssport Ade sagen, kam nicht in Frage für jemanden, der Leistung bringen will und einen ausgeprägten Leistungsgedanken lebt. Obwohl es ihr zunächst nicht leicht fiel, die höheren Trainingsumfänge zu meistern, und sie die langen Einheiten gar als langweilig empfand. Umso rasanter kamen die Erfolge. Schon ein Jahr später – 2013 – wurde Laura Lindemann bei den Junioren Vize-Europameisterin und Dritte der Weltmeisterschaft. 2014 und 2015 holte sie jeweils Gold bei der Junioren-EM sowie -WM. Im vergangenen Jahr schaffte sie schließlich fast nahtlos den Übergang zur Elite der Erwachsenen, sprang beherzt in die Manege des Weltcup-Zirkusses, als hätte man sie endlich losgelassen, bei den Großen mitzuturnen. 13. wurde sie bei ihrem ersten Rennen der Weltserie in Abu Dhabi.

Laura Lindemann: „Ich werde es mit Leistung zurückgeben“

Die Angriffslust, mit der sie ihre Rennen bestreitet, ist der erste Schritt zum Erfolg – noch bevor der Startschuss fällt. Ihr ausgeprägter Siegeswille ist entscheidender Faktor kurz vor dem Ziel. Als sie die Nachricht erreichte, dass sie nicht nach Rio fahren dürfe, saß sie gerade im Trainingslager im Elbsandsteingebirge auf einer Hollywoodschaukel, starrte einen Moment gedankenleer in die Luft, atmete durch und schaltete auf Angriff: Sie schrieb einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nicht, um ihre Olympia-Teilnahme zu erbetteln, sondern auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass sportliche Werte wie Mut und Fairness vom höchsten deutschen Vertreter dieser Tugenden – dem DOSB – missachtet werden.

Mission erfüllt, könnte man meinen, nachdem Laura Lindemann schließlich doch nominiert wurde. Sie wird dabei sein – ganz im Sinne des olympischen Gedankens. Ihr reicht das natürlich nicht: „Ich werde es mit Leistung zurückgeben“, sagt sie. Und setzt dahinter ein halbes Dutzend Ausrufezeichen.

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