zum Hauptinhalt
Gestählte Körper mit Besonderheiten. Paralympische Athleten sind auf Höchstleistung getrimmt. So wie der Potsdamer Schwimmer Torben Schmidtke, der im Wasser ohne Beinprothese Bestzeiten jagt.

© dpa

PNN-Olympiaserie "Rio ruft" - die Paralympics: Mit Handicap

In Rio beginnen am heutigen Mittwoch die Paralympischen Spiele. Neun Brandenburger – zwei davon kommen aus Potsdam – gehören zum deutschen Team, das weitaus weniger Förderung genießt als die nicht-behinderten Sportler.

Von Tobias Gutsche

Nach den Spielen von Rio ist vor den Spielen von Rio. Zweieinhalb Wochen sind vergangen, seitdem Olympia 2016 sein Ende fand, nun geht es am Zuckerhut mit dem nächsten Sportgroßereignis weiter – am heutigen Mittwoch werden die Paralympics feierlich eröffnet. Deutschland entsendet 155 Sportler. Das sind vier mehr als 2012 in London, als die schwarz-rot-goldene Delegation 66-mal Edelmetall gewann. Medaillenvorgaben für Rio gibt es vonseiten des Deutschen Behindertensportverbandes nicht. Was es im Vorfeld der Sommerspiele allerdings gibt, sind die Rufe nach mehr Förderung für den paralympischen Spitzensport.

Schließlich hängt die finanzielle Unterstützung des Bundes weit hinter der zurück, die den nicht-gehandicapten Sportlern in Deutschland zugutekommt. 160 Millionen Euro im Jahr stehen lediglich sechs Millionen Euro gegenüber, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf PNN-Anfrage hervorgeht. Allerdings profitieren die paralympischen Asse auch von den Mitteln, die in den größeren Leistungssport-Topf fließen, denn seit 2000 sind die Olympiastützpunkte für behinderte Bundeskaderathleten geöffnet, sodass sie dort ebenfalls von Angeboten wie Sportmedizin, Physiotherapie, Sportpsychologie und Laufbahnberatung Gebrauch machen können.

Zwei von 18 Bundes-Trainingsstützpunkten sind in Brandenburg

Unter dem Dach der Olympiastützpunkte fördert der Bund zusätzlich eigenständige Leistungszentren des Behindertenspitzensports. Aktuell gibt es 18 der sogenannten Paralympischen Trainingsstützpunkte. Zwei davon in Brandenburg. „Cottbus hat die Schwerpunktsportart Leichtathletik, Potsdam das Schwimmen“, erklärt Wilfried Lausch, Leiter des OSP Brandenburg: „Und es laufen die Gespräche, dass künftig Radsport für Cottbus hinzukommt.“

Der Status „Paralympischer Trainingsstützpunkt“ zahlt sich vor allem insofern aus, dass damit Trainerstellen eingerichtet werden. Bei den Schwimmern am Luftschiffhafen ist es eine, die der Ex-Triathlet Christian Prochnow innehat. Außerdem kommt Dörte Paschke als Chefcoach des SC-Potsdam-Schwimmteams hinzu. Macht zwei Übungsleiter für rund 20 ambitionierte Athleten. „Das ist zu wenig. Wir bräuchten noch eine dritte Stelle, um ordentlich arbeiten zu können. Man muss immer vor Augen haben: Der Betreuungsaufwand ist bei unseren Sportlern aufgrund ihrer Einschränkungen weitaus größer. Da gerät man schnell an seine Grenzen“, erklärt Paschke, die als Lehrertrainerin an der Potsdamer Sportschule angestellt ist, wo seit 2011 gehandicapte Schwimmer aufgenommen werden. Die Cottbuser Sportschule macht dies für Leichtathleten und Radfahrer.

Märkisches Medaillenziel in Rio: Wie 2012 dreimal Edelmetall

Wegbereiter dafür, dass der paralympische Sport an diese Elite-Einrichtungen angegliedert wurde, ist das brandenburgische Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS), das nach Ansicht von Dörte Paschke „ein ganz wichtiger Partner für uns ist, wichtiger noch als der Bund“. Im Jahr 2016 investiert das MBJS nach eigenen Angaben 200.000 Euro in die Entwicklung des märkischen Behindertensports, speziell auch des leistungsorientierten. Außerdem werden Fördermittel des Landes für Maßnahmen zum barrierefreien Umbau der Sportstätten – wie etwa am Luftschiffhafen – eingesetzt. Beispielsweise wurden allein 470.000 Euro bereitgestellt, um in Cottbus ein ehemaliges Fitnessstudio zu Brandenburgs „Paralympischem Sportzentrum“ auszubauen, das den besonderen Bedürfnissen angemessene moderne Trainingsmöglichkeiten sowie einen verbesserten Zugang zu physiotherapeutischen Behandlungen bieten soll. Die Eröffnung ist für Oktober geplant, also wenige Wochen nach Ende der Spiele in Rio.

Bei denen gehen neun Sportler aus der Mark – davon wie 2012 in London zwei Potsdamer – an den Start. Damit sei das Nominierungsziel, analog zu 2012 mindestens sechs Aktive dabeizuhaben, deutlich übertroffen worden, sagt Ralf Paulo. Der Cheftrainer des Behindertensportverbandes Brandenburg betont: „An unserer Medaillenzielvorgabe ändert das jedoch nichts.“ Dreimal Edelmetall – auch das ist der Wert von London – sollen mit nach Hause gebracht werden. Anwärter dafür sieht Paulo einige. Dazu gehört Potsdams Schwimm-Duo, das Maike Naomi Schnittger und der bereits einmal mit Paralympics-Silber dekorierte Torben Schmidtke bilden.

Gleiche Medaillenprämien bei Olympia und den Paralympics

Und in Sachen Medaillenprämien dürfen sich die deutschen Paralympioniken sogar gleichgestellt mit ihren olympischen Mitstreitern fühlen. Seit den Winterspielen in Sotschi vor zwei Jahren legt die Stiftung Deutsche Sporthilfe denselben Maßstab an: Gold wird mit 20.000 Euro honoriert, Silber mit 15.000 Euro und Bronze mit 10.000 Euro. Einen Unterschied gibt es dann aber doch noch: Bei Olympia gehen Prämien auch an Viert- bis Achtplatzierte, bei den Paralympics hingegen nicht. Allerdings hat Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, bereits angekündigt, dass auch hierbei ab den nächsten Spielen nachdrücklich Egalität eingefordert wird.

Lesen Sie hier Folge eins der PNN-Olympiaserie "Rio ruft": Das System hinter den Medaillen.

Lesen Sie hier Folge zwei der PNN-Olympiaserie "Rio ruft": Wo macht Training Sinn? Spitzensportstruktur im Land Brandenburg.

Lesen Sie hier Folge drei der PNN-Olympiaserie "Rio ruft": Die Athleten, Ziele und Trainer.

Lesen Sie hier Folge vier der PNN-Olympiaserie "Rio ruft": Die Bilanz der Sommerspiele 2016.

Lesen Sie hier Folge sechs der PNN-Olympiaserie "Rio ruft": Die Bilanz der Paralympics 2016.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false