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Die Kletterexperten von "7a plus" geben im Online-Training die Vortuner - daheim wird nachgemacht. 

© promo

Kletterer kämpfen gegen den Absturz: Videotraining aus der Babelsberger Boulderhalle

In Potsdam ist ein Paradies für Kletterer entstanden. Doch die vor eineinhalb Jahren eröffnete Halle "7a plus" leidet unter der Coronakrise. Mit dem "Quarantraining" wird eine Alternative während der Schließung geboten.  

Potsdam - Die Eröffnungsphase war gemeistert, das Angebot etabliert. Der Start-up-Aufregung wich mehr und mehr Routine. Im Oktober 2018 eröffnete die Boulderhalle „7a plus“ in der Babelsberger Gartenstraße. Der Name nimmt Bezug auf einen Schwierigkeitsgrad beim Bouldern. Drei Freunde hatten eine alte Maschinen- und Lagerhalle zum Kletterparadies umfunktioniert. Auf 1000 Quadratmeter stehen Kletterwände, an denen Anfänger und Profis plus kraxeln können. „Wir waren an dem Punkt, dass es gut lief“, sagt Charlotte „Lotte“ Schneider. Die Halle war so gut besucht, dass die jungen Betreiber ihr Angebot erweitern wollen – noch mal 600 Quadratmeter sollen bis zu diesem Sommer dazukommen. 

„Wir sind sonst ja eher analog unterwegs“

Dann kam das Coronavirus. An den Zukunftsplänen hat sich nichts geändert, das Team ist weiter „voller Energie“, sagt Lotte Schneider. Doch seit rund zwei Wochen ist die Halle zu. Die Kletter-Kundschaft sitzt zu Hause, auch die natürlichen Klettergebiete in den Bergen sind geschlossen. Wie so viele andere Sportler versuchen sie sich an Alternativen im Wohnzimmer - und das „7a plus“-Team will diese liefern. Per Video bieten die Klettercoaches Trainingseinheiten an. „Quarantraining“ nennen sie es: ganz allgemeines Kräftigungs- sowie spezifisches Training für die Klettermuskulatur. Push-Bewegungen und Schulterstabilisation, Bauch-, Arm-, Bein- und Rückenkraft, Handstand-Progressionen und an kletterspezifischen Finger- und Hangboards turnen die Trainer vor der Kamera vor und die Kunden daheim hinter dem PC-Bildschirm nach.

Charlotte Schneider gehört zum Betreibertrio der Potsdamer Kletterhalle. 
Charlotte Schneider gehört zum Betreibertrio der Potsdamer Kletterhalle. 

© Ottmar Winter

Die ersten Kurse per Videoschalte gab es in der vergangenen Woche, in dieser Woche wird das Angebot erweitert, auch für Kids soll es Workouts geben. „Ich denke, gerade für sie ist es wichtig, wenn sie auch weiterhin mit einem Trainer als vertraute Person in Kontakt bleiben können“, sagt Lotte Schneider.

Unter normalen Umständen hängen die Kletter-Enthusiasten aus der Babelsberger Gartenstraße an Felswänden in Tschechien oder Frankreich, wenn sie nicht in der eigenen Boulderhalle den Spaß an ihrem Sport vermitteln. Jetzt betreten sie Neuland. „Wir sind total unerfahren mit Onlinekursen“, sagt Lotte Schneider und scherzt: „Wir sind sonst ja eher analog unterwegs.“ Die Trainer brauchen nun Mikrofone, Webcams, Scheinwerfer, starkes WLAN, Adapter, HDMI-Stecker. „Und am besten alles sofort. Aber das ist gar nicht so einfach, wenn keine Geschäfte offen haben“, beschreibt Lotte Schneider die Auswirkungen auf den Einkaufsalltag, die nicht nur sie in diesen Wochen macht.

Solidarität, Vorleistung und Ausgabenreduzierung

Langeweile jedenfalls gab es in den vergangenen Tagen trotz verschlossener Türen nicht in der Kletterhalle. Die ist inzwischen von Grund auf gereinigt, notwendige Reparaturen sind gemacht, die neuen Trainingsformate entwickelt. „Wir geben weiter Vollgas“, sagt Lotte Schneider, „das hilft uns selbst am besten und es bleibt kein Raum für schlechte Gedanken.“

Auf 1000 Quadratmetern kann geklettert werden - eigentlich war auch noch eine große Erweiterung geplant. 
Auf 1000 Quadratmetern kann geklettert werden - eigentlich war auch noch eine große Erweiterung geplant. 

© Ottmar Winter

Die 32-jährige BWL-Studentin geht davon aus, dass die Boulderhalle noch einige Monate geschlossen bleiben muss. „Das ist nur so ein Gefühl, das ich nicht belegen kann“, sagt sie. Aber sie und ihre Teamgefährten seien im ständigen Austausch mit anderen Hallenbetreibern in Deutschland. Sechs Monate Schließzeit werden in der Szene befürchtet, Lotte Schneider übt sich in Zweckoptimismus: „Ich persönlich bin bei vier Monaten.“ Sie glaube, dass Sportstätten und Veranstaltungsräume „die letzten sind, die wieder öffnen dürfen“.

„Ein tolles und liebevolles Team“ gibt ihr Hoffnung und Kraft, die Zeit zu überstehen. „Wir arbeiten sehr miteinander und jeder ist darauf bedacht, dass es dem anderen gut geht.“ Und ihr hilft die ganz eigene Zuneigung und Liebe zum Klettern sowie die Überzeugung, „dass die Leute ja Sport machen müssen“, wofür es alternative Trainingsangebote brauche. Alle Kosten haben sie so geht es runtergefahren, sie fahren ein minimales Ausgabeprogramm, mit ihrem Vermieter verhandeln sie eine Halbierung der Miete. „Wir müssen in Vorleistung gehen, Freunde und Verwandte helfen uns, unsere Abo-Kunden zahlen ihre Beiträge weiter“, berichtet Lotte Schneider von viel Solidarität. Doch ist ihr klar, dass es ein ungeheurer Kraftakt wird, dass die Kletterer nicht abstürzen.  

Infos und Möglichkeiten zur Anwendung für das Live-Video-Klettertraining gibt es hier

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