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Ronald Rauhe holte mit dem Kajak-Vierer Gold.

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Fahnenträger bei der Schlussfeier: Potsdamer Kanute Rauhe holt Gold - "krönender Abschluss"

Nach über zwei Jahrzehnten in der Weltklasse verabschiedet sich Deutschlands erfolgreichster Kanute Rauhe mit Gold im Kajak-Vierer. Im Canadier-Einer verpasst Brendel den historischen Hattrick. 

Tokio - Auch bei der Siegerehrung gab Deutschlands erfolgreichster Kanute Ronny Rauhe den Ton an. Auf sein Kommando fasste sich der Kajak-Vierer nach dem Olympia-Triumph in Tokio an den Händen und sprang glückselig auf das Podium. Nach seinem letzten großen Rennen hängte der 39-Jährige den Team-Kollegen Max Rendschmidt, Tom Liebscher und Max Lemke die Goldmedaille um den Hals. „Das war ein krönender Abschluss. Die Jungs haben es mir einfach gemacht. Ich danke allen, die dahinter stehen und vor allem meiner Familie“, sagte der Potsdamer.

„Den richtigen Schlusspunkt setzen wir heute Abend. Er wird nicht mehr aus dem Weinen herauskommen. Manche sagen, er ist der Papa von dem Boot“, meinte Bundestrainer Arndt Hanisch. „Er ist einfach ein cooler Mensch, ein cooler Typ. Wir werden ihn vermissen.“ Schlagmann Rendschmidt meinte: „Zum Abschluss nochmal Gold - mehr konnten wir Ronny nicht geben.“

Bei der Schlussfeier der Sommerspiele in Tokio führte Rauhe die deutsche Mannschaft mit der Flagge ins Olympiastadion. „Wir freuen uns mit ihm, sicher einen in jeder Hinsicht würdigen Fahnenträger präsentieren zu können“, hatte DOSB-Präsident Alfons Hörmann am Samstag gesagt. „Ich habe noch nie eine Eröffnungsfeier mitgemacht. Die Fahne aus dem Stadion zu tragen, ist die Krönung meiner Karriere“, hatte Rauhe kurz nach seinem Gold-Triumph gesagt.

Bei der Abschlussfeier im Olympiastadion trug Ronald Rauhe die deutsche Fahne.
Bei der Abschlussfeier im Olympiastadion trug Ronald Rauhe die deutsche Fahne.

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Versöhnliches Olympia-Finale

Vor allem für den Deutschen Kanu-Verband war es ein einigermaßen versöhnliches Olympia-Finale. Rendschmidt (29), Rauhe (39), Liebscher (28) und Lemke (24), der ebenfalls für Potsdam startet, triumphierten, sie sorgten am Final-Samstag für die erst dritte deutsche Medaille im Kanu-Rennsport bei den Tokio-Spielen - sechs bis sieben Medaillen waren die Zielvorgabe gewesen. Die Frauen schafften es erstmals seit langer Zeit nicht auf das Podest. „Das Gold war schon wichtig, weil wir bei weitem nicht das erreicht haben, was wir uns vorgenommen haben. Es ist ein guter Abschluss, aber es wird an der Gesamtbilanz nichts ändern“, sagte Kanu-Verbandspräsident Thomas Konietzko.

Das Sieger-Quartett: Max Rendschmidt, Ronald Rauhe, Tom Liebscher und Max Lemke (v.l.).
Das Sieger-Quartett: Max Rendschmidt, Ronald Rauhe, Tom Liebscher und Max Lemke (v.l.).

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In Rio hatte es noch vier Mal Gold und insgesamt sieben Podestplätze gegeben - es war die stärkste olympische Ausbeute seit Athen 2004. Die Slalom-Kanuten dagegen hatten in Japan mit einmal Gold und dreimal Bronze ihre Zielstellung doppelt übertroffen.

Während der dreimalige Olympiasieger Sebastian Brendel auf dem Sea Forest Waterway das Medaillen-Finale im Canadier-Einer nicht erreichte und sein potenzieller Nachfolger Conrad Scheibner die angestrebte Medaille als Sechster ebenfalls klar verpasste, war auf den Vierer einmal mehr Verlass.

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Auch mit dem Ersatzboot war das Quartett nicht zu schlagen. Gleich nach der Ziellinie feierte die bärenstarke Crew um Rauhe den Sieg über die Spanier mit knappem Vorsprung. Bronze ging an die Slowakei. Als es geschafft war, stieg Rauhe als Erster aus dem Boot und umarmte seine Teamkollegen innig. Für Deutschlands erfolgreichsten Kanuten war es nach über zwei Jahrzehnten Weltklasse der letzte Schlag am Paddel gewesen.

Quartett ging mit Ersatzboot ins Rennen

Der 16-fache Weltmeister Rauhe hat nach Bronze in Sydney 2000, Gold in Athen 2004, Silber 2008 in Peking im Kajak-Zweier und Bronze 2016 in Rio im Einer nun Gold im Kajak-Vierer hinzugefügt. Möglich wurde der im Endspurt sicher eingefahrene Coup auch wegen des Verzichts auf Einzelstarts. „Klar hätten wir auch in dem ein oder anderen Wettbewerb um Medaillen kämpfen können“, sagte Schlagmann Max Rendschmidt. Doch dem Ziel Gold ordneten sie alles unter.

Nach der Niederlage beim Weltcup in Szeged gegen die Spanier war das Team angestachelt. „Wichtig ist, den Gegner im Kopf irgendwo anzugreifen“, sagte Rauhe und fügte an: „Wir haben uns einen Plan ausgearbeitet, um die Spanier taktisch unter Druck zu setzen.“ Es darf „gar nicht erst der Gedanke aufkommen, die können gewinnen.“ Und so kam es dann auch.

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Psychologisch wichtig war es für die Crew auch, dass sie mit dem pinken Ersatzboot ins Rennen gehen konnten. Denn das extra angefertigte Olympia-Boot war beim Verladen in Luxemburg von einem Gabelstapler gerammt worden. Die Gabelzinken hatten den K4 so demoliert, dass ein Totalschaden von rund 50 000 Euro entstand. Das baugleiche zweite Kajak wurde in einer Blitzaktion vom Trainingslager in Duisburg nach Japan geschickt.

„Als ich klein war, haben ich die pinken Boote bei Olympia gesehen. Jeder Kanute, der in Deutschland aufwächst, strebt danach und wünscht sich, wie im Kindheitstraum bei Olympia im pinken Boot zu sitzen“, sagte Raue und betonte: „Die Historie dahinter ist noch viel ergreifender. So habe ich es als Kind erlebt, so ist es bis heute geblieben.“

Rauhe schwänzt Olympia-Empfang

Den Olympia-Empfang in der Heimat wird Deutschlands erfolgreichster Kanute schwänzen. Für Rauhe geht es am Montag vom Frankfurter Flughafen sofort nach Hause zur Familie. Nachdem er die Einschulung seines Ältesten wegen der Gold-Fahrt im Kajak-Vierer verpasst hat, will er den Sohnemann am Dienstag wenigstens zur Schule fahren. „Das ist so abgesprochen. Und ich werde mein Versprechen halten“, sagte er.

Obwohl ausgemacht war, dass die beiden Söhne wegen der anstehenden Einschulung nicht geweckt werden sollten, saß die kanuverrückte Familie - Ehefrau Fanny hat 2008 Olympia-Gold im Vierer gewonnen - am Samstag in der deutschen Nacht vor dem Fernseher. Die letzte große Kajak-Fahrt des Papas wollte sie auf keinen Fall verpassen. „Ich hab ein Foto gekriegt, wo sie um drei Uhr nachts wach waren und mein Rennen geguckt haben. Das macht mich einfach stolz. Die Familie hat einen ganz, ganz großen Anteil daran“, sagte der 39 Jahre alte Rauhe mit stockender Stimme und schluchzte. 

Brendel verpasst historischen Coup

Alle Wünsche gingen am letzten Wettkampftag nicht auf. So verpasste der dreimalige Olympiasieger Brendel (33 Jahre) aus Potsdam nicht nur das A-Finale, sondern auch den historischen Hattrick über die 1000-Meter-Distanz. Auch für den 25-jährigen Conrad Scheibner aus Berlin reichte es beim Goldgewinn des Brasilianer Isaquias Queiroz Dos Santos bei weitem nicht für eine Medaille.

Das Canadier-Duo Lisa Jahn und Sophie Koch (Berlin/Karlsruhe) kam über die 500-Meter-Distanz auf Rang vier. Der Kajak-Vierer mit Sabrina Hering-Pradler, Melanie Gebhardt, Jule Hake und Tina Dietze landete auf Platz fünf. (dpa)

Frank Kastner

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