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In Erinnerung. Potsdams Laufikone Jürgen Bruns ist 75-jährig verstorben.

© Manfred Thomas

Brandenburg läuft: Trainer, Naturliebhaber, Kritiker

Jürgen Bruns hat die Potsdamer Laufszene nachhaltig geprägt. Er formte Top-Athleten, entwickelte erfolgreiche Breiten- und Spitzensportstrukturen, kannte den gesundheitlichen Benefit des Sports und wusste ihn zu schätzen. Im Alter von 75 Jahren ist Jürgen Bruns nun gestorben. Eine Nachruf.

Es war im vergangenen Frühjahr, ich joggte durch die Pirschheide und von hinten rief jemand, dass mein Laufstil „beschissen“ sei. „Jürgen Bruns“, erkannte ich sofort. Die Stimme, wohl vertraut, ebenso die Kritik. Er fuhr mit dem Fahrrad eine Weile neben mir her, erzählte, dass er wenige Tage zuvor Skilaufen war. „Herrlich“, schwärmte er, erzählte vom verschneiten Thüringer Wald und dozierte über das tolle Ganzkörpertraining des Skilanglaufs. Besseres Training gebe es nicht. Er sah fit aus, gesund. Am vergangenen Sonntag ist Jürgen Bruns in Potsdam gestorben. Er wurde 75 Jahre.

"Für eine echte Erneuerung des Sports im Osten eingesetzt"

So war er, der erfolgreiche Laufcoach: Immer kritisch und streng als Trainer, ein Naturliebhaber und jemand, der den gesundheitlichen Benefit des Sports kannte und zu schätzen wusste. Laufen war sein Lebenselixier. Ich kenne nur wenige, die so leidenschaftlich für ihren Sport lebten wie Jürgen Bruns. Als Trainer führte er über Generationen seine Athleten an die nationale und internationale Spitze. Seine größten Erfolge hatte er mit seiner Ehefrau Ulrike Bruns, die 1976 bei den Olympischen Spielen in Montreal Bronze über 1500 Meter gewann und 1987 bei den Weltmeisterschaften über 3000 Meter Dritte wurde. Er stellte hohe Ansprüche an seine Sportler, forderte Disziplin – nicht nur im Training, sondern auch für eine sportgerechte Lebensweise. Nur so seien Erfolge möglich – und diese gaben ihm recht, ebenso seine Athleten, wenn auch mitunter erst später.

Das Leistungssportsystem der DDR mit seinem strengen Reglement für Schule und Training sowie dem ausgeprägten Leistungsgedanken war für Bruns ein Korsett, das sportlich passte – aber politisch drückte. Gleich nach der Wende, 1990, gehörte er zur Sport-AG von Bündnis 90/Die Grünen. „Er setzte sich für eine echte Erneuerung des Sports im Osten ein, auch zum Leidwesen mancher Altkader, weil er aus deren Spitzensport stammte“, erinnert sich sein damaliger Weggefährte und langjährige Potsdamer Stadtverordnete Manfred Kruczek. „Für mich war Jürgen Bruns einer der wenigen, die sich überzeugend und ehrlich für eine fruchtbare Synthese aus Breiten- und Spitzensport einsetzten“, würdigt Kruczek. Markenzeichen dafür war die Preußische Meile, Potsdams internationaler Citylauf, die Bruns 1992 ins Leben rief. Unter seiner Regie liefen internationale Eliteläufer und Volkssportler gemeinsam durch die Stadt. Als der Potsdamer Laufclub, dessen Gründungsvater und erster Vorsitzender Bruns war, die Organisation übernahm und das Elitelauffeld aus dem Programm der Preußischen Meile strich, brauchte Bruns lange, ehe er damit seinen Frieden machte.

Im Läuferland Kenia verspürte Jürgen Bruns Erfüllung

Ohnehin haderte er mit der sich wandelnden Einstellung zum Leistungssport. Er konnte sich herrlich ärgern über Sportler mit – sinnbildlich – Händen in den Hosentaschen, die nachlässig mit ihrem Talent umgingen und die Bereitschaft zur Leidensfähigkeit nicht so buchstabieren wollten, wie er es für sportlichen Erfolg für notwendig hielt. In Kenia fand er das noch. Das Land der Läufer, das Bruns lieben lernte. Am Rift Valley zimmerte er vor Jahren selbst die ersten Nägel durchs afrikanische Bauholz, als in Iten – dem Home of Runners in Kenia – ein Hotel gebaut wurde, das zum Trainingsdomizil für westliche Läufer wurde. Er selbst wollte in einigen Tagen wieder dorthin.

Jürgen Bruns wird fehlen. Als streitbarer Kritiker, als leidenschaftlicher Liebhaber des Laufens, als kundiger Beobachter und Begleiter. 

Der Autor ist Mitarbeiter der Potsdamer Neuesten Nachrichten, Läufer und Trainer.

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