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Victor Pohlack (r.) ist der wohl kompletteste Handballspieler der bisherigen VfL-Geschichte.

© imago/Matthias Koch

30 Jahre 1. VfL Potsdam: Drei Dekaden mit Höhen und Tiefen

Vor 30 Jahren wurde in der Zillestube der 1. VfL Potsdam gegründet und damit der Fortbestand des Handballs in Brandenburgs Landeshauptstadt gesichert. Großes Ziel der Adler ist die Rückkehr in die 2. Bundesliga.

Potsdam - Zwei Getränkerunden hat es gedauert. Dann war er gegründet – der 1. VfL Potsdam. Vor 30 Jahren war am 15. Mai die Geburtsstunde des Handballvereins, der heute mit seiner Männermannschaft in der 3. Liga und mit seinem Nachwuchs in der Junioren-Bundesliga spielt. In der einstigen Zillestube in Babelsberg trafen sich damals 17 Leute, die beim Abgesang auf die DDR die Sorge trieb, dass auch der Potsdamer Handball auf der Strecke bleiben wird. Sie kamen von der Betriebssportgemeinschaft DEFA, die bis zu diesem Zeitpunkt die Handballtradition fortgeschrieben hatte, die durch ihre Vorgängervereine Rotation Babelsberg, USV und der PH Potsdam begonnen wurde. „Bei der DEFA war Ende 1989 klar, dass sie sich ihre vielen Sportsparten nicht mehr leisten konnte und wollte“, erinnert sich Rico Gersten. Der einstige BSG-Handballer gehört zum Gründerteam des heutigen VfL.

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Dass der Handball in Potsdam in der Wendezeit immer mehr Auflösungserscheinungen zeigte, verdeutlichte sich allein an der Trainingsbereitschaft. „Da fielen die Trainings auch mal aus, weil keiner da war“, erzählt Gersten. Es waren leidenschaftliche und gleichzeitig besorgte Handball-Enthusiasten, allen voran der im vergangenen Jahr bereits mit 59 Jahren verstorbene Trainer Detlef Döring, der spätere erste VfL-Präsident Peter Senft oder Zillestuben-Wirt und spätere VfL-Vize Dieter Anders, die einen Rettungsplan für den Potsdamer Handball schmiedeten.

Detlef Doering gilt als "Mister VfL" - 2019 starb er.
Detlef Doering gilt als "Mister VfL" - 2019 starb er.

© Verein

Bei einem Turnier in Hamburg und vor allem beim VfL Lichtenrade informierten sie sich, wie nach westdeutschem Recht eine Vereinsgründung erfolgen und wie eine Satzung geschrieben werden muss. „Die Gründung war gut vorbereitet, sodass es an dem Abend in der Zillestube recht schnell ging“, weiß Gersten zu berichten. Ein wichtiges Detail, das heute den VfL kennzeichnet, wurde jedoch erst am Gründungstisch geklärt. Zunächst sollte es nur VfL Potsdam heißen, ehe jemand einwarf, dass es doch der 1. VfL Potsdam sein müsste.

Zwei Aufstiege in die Zweite Liga

Sportlich bewegte sich der 1. VfL in den Anfangsjahren auf Landesniveau. 1992 gelang der Aufstieg in die Oberliga, die höchste brandenburgische Spielklasse. Es folgten Pendeljahre zwischen Verbands- und Oberliga, ehe 1999 der Aufstieg in die Regionalliga gelang. Aufstiegstrainer war Ralf Kutzner. Er war als Spieler und Übungsleiter von Stahl Brandenburg nach Potsdam gekommen und hatte den VfL langjährig als Kapitän durch die Spielzeiten geführt. Als der VfL 2006 unter Alexander Haase als Trainer, zuvor einer der Leistungsträger der Mannschaft und beim Gewinn der Europameisterschaft und Olympiabronze 2016 Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft, den Aufstieg in die 2. Bundesliga schaffte, wurde dies zur ersten Sternstunde des VfL. Nach einem einjährigen Intermezzo stieg der VfL wieder ab, schaffte aber 2008/09 erneut den Aufstieg und hielt sich drei Spielzeiten in der zweiten Liga.

Alexander Haase gehört zu den Machern beim VfL Potsdam. 
Alexander Haase gehört zu den Machern beim VfL Potsdam. 

© Lukas Schulze/dpa

Ralf Kutzner fungierte in dieser Zeit als sportlicher Leiter, wobei er unter anderem die Aufgabe hatte, Spieler nach Potsdam zu holen. „Das wurde immer schwieriger“, erinnert er sich, „weil immer weniger mit Spielern, sondern mit Beratern verhandelt wurde.“ Nicht immer habe er bei seinen Verpflichtungen ein glückliches Händchen gehabt, „ich habe auch viel in den Sand gesetzt“, resümiert er heute. Seine Königstransfers waren aber Spieler, die bis heute zu den prägendsten Figuren des VfL zählen: Victor Pohlack, den wohl komplettesten Handballer, den der VfL je hatte, und Rückraumspieler Lars Melzer, der damals mit Concordia Delitzsch in der 1. Bundesliga gespielt hatte und dann viele Jahre in Potsdam agierte.

Erfolgreicher Neustart nach der Insolvenz

Mit Ende der Zweitliga-Zugehörigkeit endete auch die Ära der Spielstätte in der Heinrich-Mann-Allee. Die alte Sporthalle hatte spannende, leidenschaftliche, nervenaufreibende Handballschlachten erlebt, doch das Prädikat einer zeitgemäßen Sportstätte trug der alte Bau schon lange nicht mehr. Mit Eröffnung der MBS-Arena 2012 zog der 1. VfL Potsdam in den Luftschiffhafen. Seitdem tragen die Adler ihre Drittligapartien in der modernen Arena aus – deren 2050 Sitzplätze sind bei den Spielen meist jedoch nur bis zu zwei Drittel gefüllt. Sehr zum Bedauern des Vereins, der für seine sportlichen Ambitionen, irgendwann wieder Zweitliga-Handball zu spielen, auch die wirtschaftliche Grundlage braucht. Mit „zwei Eimer voll Geld“, illustriert Ralf Kutzner das nötige finanzielle Backup.

Mit den Füchsen Berlin pflegt der VfL eine enge Partnerschaft. 
Mit den Füchsen Berlin pflegt der VfL eine enge Partnerschaft. 

© imago/Nordphoto

Ganz das Gegenteil war der Fall, als der Verein für die Saison 2013/14 ein Insolvenzverfahren einleiten musste. Als Neustart wurde schließlich der Schuldenerlass vieler Gläubiger gefeiert, was dem VfL den Fortbestand sicherte. Mit Jens Deffke als Trainer, Norbert Ahrend als neuen und bis heute amtierenden Präsidenten, Alexander Haase als Sportlichem Leiter und Alexander Bornemann als Jugendkoordinator begann der Verein eine neue konzeptionelle Ausrichtung. Als Partner der Füchse Berlin entwickelt sich eine enge Kooperation mit dem Bundesligisten, in dessen Fahrwasser der VfL in die zweite Liga schippern soll. Bislang erweist sich die dritte Liga als passend, sodass der VfL unter Regie vom amtierenden Trainer Daniel Deutsch die vergangenen beiden Spielzeiten im oberen Mittelfeld abschloss.

Herausragend gute Nachwuchsarbeit

Aufgegangen ist die Saat für die Jugendarbeit, die die Gründungsväter einst in der Zillestube gestreut haben. Die Förderung des Handball-Nachwuchses war von Beginn an wichtiges Anliegen, das nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit der Eliteschule des Sports im Luftschiffhafen sehr gut umgesetzt wird: Spätere Nationalspieler wie Fabian Wiede und Fabian Böhm wurden bei den Adlern geformt, die A-Junioren des VfL spielen seit Jahren in der Jugendbundesliga und standen in diesem Jahr vor dem Einzug in die Finalrunde, wäre wegen der Coronapandemie die Saison nicht vorzeitig beendet worden.

Fabian Wiede ist ein Paradebeispiel für die starke VfL-Talentförderung.
Fabian Wiede ist ein Paradebeispiel für die starke VfL-Talentförderung.

© Wolfgang Rattay/Reuters

Corona hat auch verhindert, dass Rico Gerster das erste Mal die MBS-Arena besucht hätte. Das VfL-Gründungsmitglied hatte Potsdam später wegen des Studiums verlassen, inzwischen lebt der Kinder- und Jugendpädagoge wieder hier. Unlängst hat er sich bei VfL-Geschäftsstellenleiter Christian Barth erkundigt, ob er seine alte Mitgliedsnummer aus Gründungstagen wiederhaben kann, denn er würde gern wieder Mitglied werden. Sein damaliger Mitgliedsantrag wurde tatsächlich im Vereinsarchiv gefunden – exakt 30 Jahre nach Gründung des VfL wurde Gerstens Mitgliedschaft am 15. Mai reaktiviert.

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