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Winzerberg Potsdam: Tausende Potsdamer haben eine Scheibe

Auf dem Winzerberg können endlich 6200 Glasscheiben eingesetzt werden. Viele wurden von Paten gesponsert

Potsdam - Wie geht Scheibeneinsetzen? „Wir suchen noch Helfer, die das können“, sagt Roland Schulze. Denn im Mai soll endlich die Verglasung der Weinbergterrassen in Angriff genommen werden. Pro Woche sollen dann etwa 70 Scheiben in gusseiserne Fenstergitter eingesetzt werden. Ganz traditionell mit Fensterkitt. Wer Roland Schulze und seinen Winzerberg-Verein kennt, der weiß: Es wird klappen, zur rechten Zeit werden helfende Hände da sein. Solche Dinge machen den Vereinschef nicht nervös. Die ersten Scheiben werden sogar von prominenter Hand eingekittet: am 21. April von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und Schlösserstiftungschef Hartmut Dorgerloh.

Die Verglasung der vier Terrassen, auf denen 350 Weinstöcke wachsen, ist offiziell der letzte Schritt zur Fertigstellung des königlichen Weinbergs, der einst für Friedrichs Tafel leckeres Obst lieferte. Denn seinen Wein bezog der Gourmet dann doch lieber aus Frankreich. „Es gibt hier aber weiterhin viel zu tun“, sagt Roland Schulze. Doch nach 13 Jahren, drei davon Planung, zehn intensive Arbeit, ist das meiste geschafft.

Als sie 2005 begannen, war der Berg eine baupolizeilich gesperrte Ruine. Die Mauern waren eingestürzt und wild überwachsen, im Fundament fanden sich die Reste dreier Luftschutzbunker. Die Stiftung, die damals für den Berg keinen Plan hatte, ließ dem Verein freie Hand. Jetzt wachsen hier wieder Trauben, dazwischen auf Beeten Kräuter, Gemüse und Blumen. Sogar drei knorrige alte Obstbäume aus der Kaiserzeit wurden ins Jetzt gerettet. Der Hang ist nicht mehr gesperrt sondern einladend grün, und schon längst wird hier nicht nur gearbeitet sondern auch gefeiert. In den Sommermonaten wird regelmäßig zur Bacchus-Stunde eingeladen, dann gibt es Wein und mehr auf den lauschigen Terrassen, auf denen es sich gut aushalten lässt.

Der Berg soll – bei aller Liebe für das Historische – nämlich kein Museum sein, sondern auch benutzt werden. Auch das gehört zum Konzept des Vereins, der ja offiziell gar keins hat, sondern nur eine Vision, viel Kraft und viel Gelassenheit.

Als Schulze, Inhaber der Firma Baudenkmalpflege Roland Schulze, sich an diese Mammutaufgabe machte, hatte er zudem ein eingespieltes Team um sich, das in den Jahren zuvor die Neuendorfer Angerkirche wieder aufgebaut hatte. Das Projekt Winzerberg war noch einen Tick umfangreicher, aber das schreckte ihn nicht ab. „Wir gingen kleine Schritte und hatten Zeit. Schlimmer konnte es nicht werden.“

Ein Budget gab es nicht, aber Schulze ist ein guter Netzwerker. Weil sie die 100 000 Euro für eine professionelle statische Überprüfung nicht hatten, holte sich der Verein Studenten, die für ihre Diplomarbeiten den Berg erforschten. 45 Lehrlinge aus Deutschland und sogar aus dem Ausland lernten in den vergangenen Jahren hier das Mauern; FSJler aus dem Bereich Denkmalpflege arbeiteten hier. Potsdamer Firmen legten Leitungen, bauten Zäune, Gerüste oder Pergolen. Vom Vermesser bis zum Weinbauern halfen alle unentgeltlich. Vor allem ackerten etwa 1400 Potsdamer Bürger in ihrer Freizeit auf dem Hang, in der Verwaltung des Projekts, beim Catering oder beim Einwerben von Spenden.

Die größte Spendenaktion, was die Zahl der Beteiligten betrifft, ist die für die Glasscheiben. Für 5500 der insgesamt 6200 konnten bereits Paten gefunden werden. 30 Euro kostet das pro Glasscheibe, inklusive Wunsch-Gravur, die die Oberlinwerkstätten maschinell aufbringen. „Kostendeckend ist das nicht“, sagt Schulze. „Aber wir wollten, dass möglichst viele mitmachen und sich mit dem Projekt ein wenig identifizieren.“

Hinter Glas wird der Wein künftig noch besser wachsen, alte Rebsorten wie Agostenga, Black Hamburg und Welschriesling. Der Verein vermostet das meiste, stellt Verjus und Federweißer her, der bei Veranstaltungen verkauft wird. Die nächste große ist die offizielle Eröffnung am Tag des offenen Denkmals im September.

Am heutigen Samstag ist erstmal ein weiterer Arbeitseinsatz, neue Helfer sind immer willkommen, sagt Schulze. Der Verein möchte künftig für junge Familien, die Spaß an Gartenarbeit in dieser besonderen Atmosphäre und Gemeinschaft haben, attraktiver werden – auch deshalb gibt es seit Kurzem sogar einen Buddelkasten für Kinder. Roland Schulze selbst hat bisher keine Pläne für ein weiteres Projekt. Höchstens ein kleines. Er weiß auch schon, was es sein wird: „Die Brunnen-Konche neben dem Triumphtor muss restauriert werden.“

Arbeitseinsatz heute ab 10 Uhr auf dem Winzerberg, Schopenhauerstraße 23 / www.winzerberg.de

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