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Turbulent: Befürworter und Gegner des Garnisonkirchen-Aufbaus trafen beim Bürgerdialog aufeinander.

© A. Klaer

Wiederaufbau in Potsdam: Bloß kein rückwärtsgewandter Streit um Garnisonkirche

Der Vorstoß für einen Verzicht auf eine originalgetreue Garnisonkirche findet breite Unterstützung: Der Turm historisch, der Rest mit Bruch. Die Fördergesellschaft spricht von einer Chance für die Spendenwerbung für den Bau.

Innenstadt - Der Vorstoß von Landesbischof Markus Dröge für eine Abkehr vom bisherigen Ziel, die Garnisonkirche komplett originalgetreu wieder aufzubauen, ist in Potsdam weitgehend positiv aufgenommen worden. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der im Kuratorium der Wiederaufbaustiftung sitzt, sagte den PNN am Freitag: „Für den Bürgerdialog kann das neue Perspektiven eröffnen.“ Jakobs wies auch darauf hin, dass für den Wiederaufbau noch „umfangreiche finanzielle Mittel notwendig“ seien.

Wieland Eschenburg,Kommunikationsvorstand der Garnisonkirchenstiftung, sagte, die Stiftung sei Dröge dankbar für seinen Vorstoß. Dies sei ein „guter und wichtiger Schritt nach vorn“. Damit könne der Bürgerdialog „neue Dynamik“ entfalten. Er habe den Eindruck, dass sich die Stiftung in der Frage, ob die komplette Kirche historisierend wiederaufgebaut werden soll, „bewegen kann“. Er verwies darauf, dass im Kirchturm, der äußerlich originalgetreu entstehen soll, mit dem Friedens- und Versöhnungszentrum eine Nutzung geplant sei, die es dort im Originalbau nie gegeben habe.

Landesbischoff fordert Bruch mit der Tradition beim Bau

Denn wie berichtet hatte Dröge finanzielle Hilfen der Landeskirche für einen Baustart für den 1968 gesprengten Sakralbau von einem Verzicht „auf eine vollständige historisierende Wiedererrichtung der gesamten Kirche“ abhängig gemacht. „Das Gesamtkonzept müsste neben der historischen Kontinuität durch den Wiederaufbau des Turmes auch den Bruch mit der Tradition zum Ausdruck bringen. Denn ein neuer Geist braucht auch ein erkennbar neues Haus“, sagte Dröge. Durch die architektonische Gestaltung sollte sichtbar werden, dass „nicht einfach das Alte wiederhergestellt wird“. Der Kirchenleitung müsse zudem an Lösungen gelegen sein, „die von möglichst vielen mitgetragen werden können“. Dröge drängt Stiftung und Fördergesellschaft damit, sich noch vor dem originalgetreuen Bau des Turms zur Architektur des Gesamtbaus neu zu positionieren. Bislang hat sich die Stiftung nicht zum Kirchenschiff festgelegt und wollte die Debatte darüber erst anstoßen, wenn der Turm nach historischem Vorbild steht.

Aufbaustiftung will wissen, was Dröge mit Bruch meint

Eine fertige Lösung gebe es noch nicht, so Eschenburg – bislang sei es nur um den Turm gegangen, nun habe Dröge die Debatte auf das Kirchenschiff ausgedehnt. Zum „Festhalten am Absolutheitsanspruch an der originalgetreuen Rekonstruktion“ der gesamten Kirche habe sich die Stiftung bisher nicht geäußert, stellte ihr Vorstand Eschenburg fest. Es werde nun Gespräche mit Dröge geben. Dabei werde es einerseits um die erbetenen Hilfen – etwa durch Darlehen oder eine Bürgschaft – gehen. Andererseits wolle sich die Stiftung vom Landesbischof „deutlich erläutern lassen, wie er den Bruch sieht“.

Fördergesellschaft sieht notwendige Debatte für Bürgerdialog

Auch die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau zeigte sich gesprächsbereit. Ihr seit Sommer amtierender Vorsitzender Matthias Dombert sagte, Dröges Vorschlag zeige, wie notwendig eine Debatte sei, „die ich gerade angesichts des Dialog-und Beteiligungsverfahrens in Potsdam für unbedingt erforderlich halte“. Zugleich verwies er auf die Satzung der Fördergesellschaft, die einen historisch getreuen und vollständigen Wiederaufbau vorsieht. Das aber sei „ein vereinsrechtliches Faktum“ – „und nichts, was die Stiftung als Bauherrn an der vom Bischof angestoßenen Diskussion hindert“, so Dombert. Er wolle alles dafür tun, „ dass jetzt endlich die Baugenehmigung ausgenutzt werden kann“. Die Voraussetzungen dafür seien finanziell aber noch lange nicht geschaffen. Tatsächlich stehen für den Turmbau laut Stiftung 20 Millionen Euro bereit, nötig sind knapp 40 Millionen Euro, die Baugenehmigung läuft im Juli 2019 aus.

Dombert hofft auch neuen Anschub für Spenden

Mit Blick darauf, dass die Fördergesellschaft auch das Nutzungskonzept für den Turm mitträgt, das vom Original abweicht, sagte ihr Chef Dombert: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mitglieder ihren Einsatzwillen davon abhängig machen, dass jegliche Diskussion um das Kirchenschiff oder die zukünftige Nutzung unterbunden wird.“ Daneben verwies Dombert auf die Bedeutung des Vorschlags vom Landesbischof für die Finanzen: Die Spendeneinwerbung hänge in großem Umfang davon ab, ob es gelingt, „die Garnisonkirche rückwärtsgewandter Auseinandersetzung zu entziehen.“ Gerade erst sei mit der Stiftung das für die Fördergesellschaft „längst überfällige Spendenkonzept beschlossen“ worden. „Der Anstoß des Bischofs trägt dazu bei, es kraftvoll umsetzen zu können.“

Mitteschön gegen Dröges Vorschlag, Stadtpolitik reagiert positiv

Zurückhaltend äußerte sich die Bürgerinitiative Mitteschön. Sie begrüßte zwar, dass mit Dröges Vorstoß „Bewegung in die Realisierung des Wiederaufbaus“ komme. Zugleich erklärte sie unmissverständlich: Die Kirche gehöre „zu Potsdam mit äußerer originalgetreuer Rekonstruktion von Turm und Kirchenschiff.“

Die Stadtpolitik nahm die aufgezeigte Kompromisslinie positiv auf. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sprach von einer echten Chance. Dabei gehe es auch um das von Künstlern genutzte Rechenzentrum neben der Garnisonkirche, das längerfristig erhalten werden könne. Linke-Kreischef Sascha Krämer sagte, Dröges Vorschlag „öffnet die Tür für einen ergebnisoffenen Dialog ohne Scheuklappen und Tabus über Form und Inhalt des Ortes“. Auch bei SPD und Grünen war von positiver Bewegung in dem Streit die Rede. CDU-Fraktionschef Matthias Finken erklärte hingegen, die Union setze auf die städtebauliche Wirkung einer original aufgebauten Kirche.

Fördergesellschaft warnt: Der Debatte nicht verweigern

Dombert bemühte indes eine biblische Geschichte – die Zerstörung der Stadt Sodom durch Gott. Zwei Engel sollten dabei die gerechte Familie des Städters Lot retten. Auf der Flucht verboten die Engel der Familie aber, zurückzublicken. Doch Frau Lot hält sich nicht daran – und erstarrt zu einer Salzsäule. Gemünzt auf die Debatten um den Wiederaufbau der Garnisonkirche sagte Dombert: „Auch die Fördergesellschaft weiß, dass die Frau von Lot für uns kein Vorbild sein kann. Die Diskussion verändert sich, wir würden unser eigentliches Anliegen verletzen, wenn wir uns dem verweigern.“

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