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Der Turm der Garnisonkirche wird wieder aufgebaut – zwischen dem Portal des Langen Stall (r.) und dem Rechenzentrum (l.).

© A. Klaer

Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam: Schuberts Vorstoß sorgt für Lob - und Zorn

Der Oberbürgermeister stößt mit dem Plan für eine internationale Jugendbildungsstätte an historischem Ort auf Zustimmung - und auf Widerstand. Jetzt befasst sich auch der Bundestag wieder mit dem umstrittenen Projekt.

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat mit einem Kompromissvorschlag zur Garnisonkirche die jahrelange Kontroverse um den Bau neu belebt. Er schlägt vor, dass neben den Turm der Kirche, der schon gebaut wird, eine internationale Jugendbegegnungsstätte errichtet werden soll – in einer anderen Form als ein barockes Kirchenschiff, als Bruch zur umstrittenen Historie der Kirche. „Es geht mir dabei zuerst um die Frage des Inhalts und erst danach um die Architektur“, sagte er am Mittwoch im Stadtparlament.

Die PNN geben einen Überblick über die nun beginnende Debatte, die noch bis Ende des Jahres in einen Stadtverordnetenbeschluss münden soll – auf dessen Basis Schubert seinen Kompromissvorschlag mit der Stiftung Garnisonkirche verhandeln will.

Wie reagiert die Stadtpolitik in Potsdam?

Positive Signale für den Vorstoß kommen aus der rot-grün-roten Rathauskooperation. Im Stadtparlament sagte Grünen-Fraktionschefin Janny Armbruster, so gebe es die Chance „Gräben zu überwinden“ und Neues entstehen zu lassen. SPD-Fraktionschef Daniel Keller erklärte, nun habe man endlich wieder eine in die Zukunft gerichtete Debatte, was dort vor Ort entstehen soll: „Das ist der richtige Weg.“ Kellers Linke-Kollege Stefan Wollenberg sagte, er begrüße die Option, neu über den Ort nachzudenken: „Wenn es gelingt, inhaltlich und äußerlich den Bruch zur Garnisonkirche deutlich zu machen, ist das eine Chance.“ Auch die Kreativen des benachbarten Rechenzentrums müssten in den Diskurs einbezogen werden, forderte Wollenberg: Die Frage sei, ob sich mit der Bausubstanz des Rechenzentrums arbeiten lasse. Dies widerspreche auch nicht der Kooperationsvereinbarung: Darin hatten sich SPD, Grüne und Linke für das geplante Kunst- und Kreativquartier am Langen Stall ausgesprochen. Letzteres ist eigentlich als Ersatz für das sanierungsbedürftige Rechenzentrum gedacht, zu dessen Abriss oder Erhalt in dem Vertrag keine Silbe steht. Der Sprecherrat der 260 Künstler vor Ort teilte mit, 95 Prozent von ihnen würden gern das Haus dauerhaft nutzen.

Die CDU reagiert vielstimmig

Ganz unterschiedliche Positionen nahm die CDU ein: Deren Fraktionschef Clemens Viehrig sagte, die Union werde sich konstruktiv an der Debatte beteiligen – und er begrüße das prinzipielle Bekenntnis zum Turmbau und zur Mitarbeit der Stadt im Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche. Der CDU-Stadtverordnete Wieland Niekisch betonte dagegen, eine Kirche ohne echtes Kirchenschiff sei für ihn nicht vorstellbar.

Wiederum teilte der CDU-Kreischef Götz Friederich mit: "Die Idee des OB ist sicherlich ein Ansatz einer möglichen Nutzung eines zu errichtenden Kirchenschiffs. Die CDU Potsdam wird sich selbstverständlich in den folgenden Diskussionsprozess mit einbringen. Das Maximum muss jedoch sein: Lasst uns das Kirchenschiff bauen als das was es ist, ein Raum des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung, welche als göttliche Kraft weit über allen Menschen steht."

AfD-Kritik an Schubert 

Kritik kam von der rechtspopulistischen AfD. Deren Vorstandsmitglied Chaled-Uwe Said schlug bei Facebook harsche Töne an: „Für den SPD-OB Mike Schubert mit seinem anscheinend von der SED-Diktatur geformten, besser geklitterten, Geschichtsbild war es wohl von Anfang an Plan, den Wiederaufbau zu torpedieren.“ Es solle anscheinend keine Erinnerung mehr aufkommen, etwa „an die Befreiung von der französischen Fremdherrschaft“ und „die treibende Kraft Preußens und seiner tapferen Soldaten“, so der Rechtspopulist.

Schubert sagte, in diesem Duktus sollte man die Debatte gerade nicht führen: „Wollen wir auf immer und ewig streiten?“ Alle Seiten müssten ihre Maximalpositionen abrüsten.

Matthias Dombert
Matthias Dombert

© Sebastian Gabsch

Wie reagieren die Kirchenbauer?

Unterschiedlich. So sagte der Chef der Fördergesellschaft für die Garnisonkirche, Matthias Dombert, denkbar sei natürlich vieles. „Allerdings haben wir Diskussionen in der Fördergesellschaft zum Kirchenschiff stets zurückgestellt, da derzeit der Turm im Mittelpunkt unserer Arbeit steht: Hier sehe ich durchaus Berührungspunkte des Vorschlages von Mike Schubert mit unserer Friedens- und Versöhnungsarbeit.“ Klar sei aber auch, dass die Idee von Schubert auch rechtliche Hürden überwinden müsse. Gut sei aber, dass dies keine einseitige Ansage des Stadtoberhauptes sei, sondern der "Beginn eines Gespräches mit Stiftung und Fördergesellschaft“. Die von Schubert gewünschte größere Mitsprache sei erwünscht, gerade bei inhaltlichen Fragen der Versöhnungsarbeit.

Ähnlich zurückhaltend äußerte sich Wieland Eschenburg, Vorstand in der Stiftung für den Wiederaufbau. „Derzeit stehen der Aufbau und die Vorbereitungen der Nutzungen des Turms im Vordergrund.“ Man begrüße aber die Signale von Schubert, „die auf die Mitarbeit im Kuratorium und auf die inhaltliche Mitwirkung ausgerichtet sind“ – die Idee der Begegnungsstätte erwähnte Eschenburg jedoch nicht. Man könne aber auf die Arbeit der Stiftung aufbauen, die schon jetzt Bildung und Demokratie fördere. Insgesamt gehe es um „den Beginn einer Diskussion, die der Stadt nur gut tun kann“.

Kritik von "Mitteschön"

Fundamentale Kritik kam dagegen von der Initiative „Mitteschön“: Es wäre für den Stadtraum eine „Katastrophe, einen modernen Bau an den Turm zu hängen“, so die Meinung der Bürgerinitiative. Es müsse um das originale Kirchenschiff gehen – „ein Raum mit seiner einmaligen Akustik, prädestiniert für Konzerte, denn diese Platzkapazität fehlt in Potsdam“. Dies könne auch ein Raum für geistige Auseinandersetzungen zur Welt und deren Konflikte sein, gerade für die Jugend – und auch ein Gebetsraum. Zugleich stelle sich die Frage, warum man die internationale Jugendarbeit, die schon von der Stiftung praktiziert wird, „denn gar nicht wertschätzt?“.

Schubert betonte vor den Stadtverordneten, mehrfach habe er gesagt, „dass der Streit um die Garnisonkirche kein Zeichen dafür ist, dass wir in Potsdam unsere eigene Geschichte aufgearbeitet hätten.“ Die Frage rund um den Tag von Potsdam 1933 sei zum Beispiel: "Warum haben so viele Menschen gejubelt?“

Schon vor drei Jahren war um das Kirchenschiff gestritten worden. Damals hatte die Evangelische Kirche einen Millionen-Kredit für die Stiftung an die Zusage geknüpft, der Bruch mit der Geschichte der Kirche müsse auch in der Architektur erkennbar sein. In Schuberts Vorschlag heißt es allgemein: Die Architektur der Begegnungsstätte „soll den Anforderungen des Nutzungszwecks folgen“. Es gehe eben nicht um einen rein historischen Nachbau.

Was sagen die Kirchen-Kritiker?

Auch bei ihnen klingt Skepsis durch. Angesichts der Kritik von "Mitteschön" an der Schubert-Idee erklärte Lutz Boede von der Fraktion Die Andere bei Facebook: „Mit dieser Stiftung und ihren Betonköpfen ist offenbar keine zielführende Verständigung möglich.“ Die Initiative „Potsdam – Stadt für alle“ erboste sich, Schubert fungiere als „Steigbügelhalter“ der Stiftung Garnisonkirche und setze auf eine Zustimmung zum Turmbau, den die Initiative stoppen will: „Schubert wagt keinen Neuanfang. Er schlafwandelt lediglich in den Fußstapfen seiner beiden protestantischen Amtsvorgänger.“ Auch das wies Schubert zurück. Der Turm werde schon gebaut: Hier tue die Stadt gut daran, sich an der inhaltlichen Arbeit zu beteiligen – und zugleich einen Neuanfang für die Auseinandersetzung mit diesem schwierigen Ort zu wagen. Doch auch  die Initiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ teilte via Facebook mit: „Für uns ist die Diskussion um den Turm keinesfalls beendet.“

Grüne im Bund gegen Garnisonkirchen-Förderung

Auch im bundespolitischen Berlin bewegt das Thema: Der Kultursprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Erhard Grundl, hat unterdessen bei den Haushaltsberatungen des Bundes die 18-Millionen-Euro-Förderung für die Kirche infrage gestellt: Diese sei ein Identifikationsprojekt "für nationalistische und rechte Kreise". Zudem gebe es auch in Potsdam selbst keine einheitliche Haltung zu dem Projekt. Dabei fehle Geld für hunderte soziokulturelle Zentren in Deutschland, so Grundl. 

* In einer ersten Version hieß es, Herr Said wäre Stadtverordneter. Das war ein Fehler. Er ist Mitglied im Potsdamer AfD-Vorstand. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Glockenspiel der ehemaligen Garnisonkirche in Potsdam.
Glockenspiel der ehemaligen Garnisonkirche in Potsdam.

© Andreas Klaer

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