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Der Sternekoch Tim Raue in der Villa Kellermann. Die Villa gehört TV-Moderator Günther Jauch.

© Andreas Klaer

Villa Kellermann in Potsdam: Der Papst der Königsberger Klops-Küche 

Seit Eröffnung im September ist das Restaurant Villa Kellermann ausgebucht. Jetzt sollen mehr Gäste kommen können - und sie sollen künftig "nur" einen Monat auf einen Tisch warten. 

Von Carsten Holm

Potsdam - Es ist auch am Heiligen See Corona-Zeit, und Tim Raue begrüßt ein paar Journalisten ohne Handschlag, mit einer leichten Verbeugung. Er will am Freitag eine Bilanz der ersten Monate ziehen, seit er im September in der historischen Villa Kellermann als Partner von Eigentümer Günther Jauch ein Spitzenrestaurant eröffnet hat. In seinem preußisch-blauen, modernen Koch-Dress und auf bunten Nike-720-Turnschuhen steht er da und es dauert nur ein paar Minuten, bis er einen Einblick in sein Seelenleben gewährt. Als er ankündigt, welches deutsche Traditionsgericht ab März auf der Speisekarte stehen wird, verfällt er in pure Schwärmerei.

"Es ist ein hammergeiler Teller"

„Falscher Hase werden wir machen“, sagt Raue voller Inbrunst. „Falscher Hase nach dem Rezept meiner Großmutter, es ist eine Hommage an sie.“ Der quirlige Koch, seit 2012 mit zwei Michelin-Sternen für das Restaurant Tim Raue an der Rudi-Dutschke-Straße in Berlin ausgezeichnet und bis auf Platz 34 der weltbesten Restaurants geklettert, kann in der Villa Kellermann zeigen, wie geerdet er immer noch sein kann. Er hat mit seinen Köchen eine moderne Version des Hackbratens ausgetüftelt: „Es gibt eine Bulette aus Rind und Kalb, nicht mit Schweinefleisch. Darauf kommt ein Wachtelei, und die Bulette machen wir mit viel Knoblauch, was unüblich, aber gut ist.“


Stolz strahlt Raue, als er den Rest des Rezepts preisgibt: „Das Kartoffelpüree dazu entsteht mit Nussbutter. Und es gibt eine Pilzsauce. Meine Oma hat dazu saisonales Gemüse aus der Büchse serviert, wir halten die thailändischen Sugar Snap Peas, eine Erbsenart von wunderbar süßer Säure, für eine gute Wahl.“ „Es ist ein hammergeiler Teller“, sagt Raue, „da will man sich reinlegen. Aber wir haben vier Wochen daran gearbeitet, bis es perfekt war.“ Er ist so angerührt von den Erinnerungen an seine Kindheit, an die Kochkunst seiner Großmutter und davon, dass er ihre kulinarische Tradition nun fortführen wird, dass er zu versinken scheint in die Erinnerungen an jene Zeit: „Wenn ich den Falschen Hasen vor mir habe und die Augen schließe, dann sitzt sie da. Sie streichelt mir über den Kopf und wärmt mein Herz.“

Villa Kellermann hat im Gault Millau auf Anhieb 16 Punkte bekommen

Der Falsche Hase ist das jüngste Beispiel für das Konzept, das sich der Potsdamer TV-Journalist Günther Jauch für die Villa Kellermann gewünscht hat: Eine anspruchsvolle, bodenständige Küche, die bezahlbar ist. Die Speisekarte hat Raue mit seinem Potsdamer Küchenchef Christoph Wecker erarbeitet, der einer der Küchenchefs in Raues Berliner Zwei-Sterne- Restaurant war. Die Bilanz der ersten Monate ist beeindruckend. Es ist für zwei Monate im Voraus ausgebucht, selbst im Mai gibt es nur noch wenige Plätze. Die Nachfrage ist seit der Eröffnung enorm; dass die Villa im neuen Gourmetführer Gault Millau auf Anhieb mit 16 Punkten ausgezeichnet wurde, wird sie befördern. „Wir sind von dem Andrang überwältigt, wir hätten nie zu träumen gewagt, dass das Interesse so groß sein würde“, sagt Raue.

Das Lieblingsgericht der Gäste: Klopse, Klopse, Klopse

Das Lieblingsgericht der Kellermann-Gäste war in den ersten Monaten ebenfalls die moderne Interpretation eines deutschen Klassikers. „Klopse, Klopse, Klopse“, sagt Raue, „die meisten bestellen Königsberger Klopse.“ Es gibt Feinschmecker, die ihn für den Papst der deutschen Klops-Küche halten – er hat die sogenannte Königsberger Variante 2013 sogar dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama bei einem Staatsbesuch im Schloss Charlottenburg aufgetischt. Man mag es dem Spitzenkoch glauben, dass ihn die langen Wartezeiten in der Villa Kellermann nicht nur bedrücken, weil er mit einer größeren Zahl von Gästen mehr Umsatz machen würde.

„Es läuft hier wirtschaftlich trotz unserer hohen Kosten vorzüglich“, erzählt er. „Ich habe ein Coaching gemacht, um zu lernen, wie ich damit umgehe, Menschen immer wieder sagen zu müssen, dass kein Tisch frei ist.“ Raue hat eine Lösung gefunden. Ab Mai bietet die Villa zwei feste Reservierungszeiten am Abend an. Die Gäste blieben in den ersten Monaten durchschnittlich 90 Minuten, „wir hätten oft um 20 Uhr abschließen können“. Nun kann um 18 Uhr, 18.15 und 18.30 und dann wieder um 20 Uhr, 20.15 und 20.30 gebucht werden. Wer nach dem Essen noch länger sitzenbleiben möchte, sollte sich für die späteren Termine entscheiden. „Aber wir werden von den früheren Gästen niemanden rausschmeißen, wie es in London passiert“, verspricht der Sterne- Koch, „wir erwarten 30 Prozent mehr Gäste pro Tag und Abend“. Telefonische Reservierungen werden nicht angenommen. „Da müssten wir“, so Raue, „fünf Telefonistinnen einstellen.“ Das Online-Buchungssystem gefalle ihm, weil es demokratisch sei: „Auch meine besten Freunde können nur online reservieren.“ 

Die regionale Küche wird auch in Zukunft im Vordergrund stehen. „Wir hören uns um, wir fragen alle Mitarbeiter hier in Potsdam: Was hat eure Mutter gekocht? Was hat eure Oma gekocht?“, sagt Raue.
Von Potsdam ist er begeistert. Die Picasso- und die Monet-Ausstellungen im Museum Barberini hat er besucht, und wenn er Bestnoten verteilt, hört man sein Lieblingswort dafür: „Das ist der Hammer.“ Er kann sich vorstellen mit seiner Frau Katharina Wolschner, Chefredakteurin des Fachmagazins Rolling Pin, nach Potsdam zu ziehen. Seine Frau, sagt er, „würde das am liebsten morgen tun“. 

Die Villa Kellermann befindet sich in der Mangerstraße 34 in Potsdam. Das Restaurant ist mittwochs bis sonntags von 18 bis 23 Uhr sowie samstags und sonntags auch mittags von 12 bis 14:30 Uhr (Küchenzeiten) geöffnet. Reservierungen werden auf der Webpage oder via E-Mail an info@villakellermann.de entgegengenommen. Weitere Informationen sind unter www.villakellermann.de zu finden.

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