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Denkwürdig. Die Kritiker vom Lernort Garnisonkirche stellen sich das rechte Geläut auf der Plantage lieber im Museum vor. Anstoß erregt bei ihnen vor allem die Begründung des Landesdenkmalamts für den Denkmalstatus.

©  Andreas Klaer

Umstrittenes Glockenspiel auf der Plantage in Potsdam: Beschwerde gegen Denkmalschutz

Der Lernort Garnisonkirche kritisiert den Amtsentscheid zum Denkmalschutz für das Glockenspiel. In der Nagelkreuzkapelle wurde über DDR-Architektur und Rekonstruktion diskutiert.

Potsdam - Die Entscheidung des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege, das umstrittene Glockenspiel auf der Plantage unter Denkmalschutz zu stellen, sorgt weiter für Kritik: Nun hat die kritische Initiative Lernort Garnisonkirche eine Fachaufsichtsbeschwerde dagegen eingelegt und diese mit einem Gutachten zum Glockenspiel untermauert. Der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik und der Architekt Philipp Oswalt vom Lernort fordern Kulturministerin Manja Schüle (SPD) dazu auf, die Entscheidung zu korrigieren, da sie zahlreiche Mängel aufweise und den neurechten Hintergrund des Glockenspiels ausblende.

Die Einordnung des Glockenspiels als konservatives oder nationalkonservatives Objekt sei eine Beschönigung, so Oswalt. In der Begründung des Landesdenkmalamtes sei nicht erwähnt worden, dass einige der Glocken Wehrmachtsverbänden gewidmet waren, die nachweislich Kriegsverbrechen begangen hatten. Die Behauptung, die Errichtung des Glockenspiels sei beispielhaft für breit in der Gesellschaft verwurzelte Bestrebungen in Westdeutschland vor der Wende, Wiederaufbauprojekte in der DDR anzustoßen, sei falsch: „Es war von Anfang an ein Projekt rechter und rechtskonservativer Kreise“, sagt Oswalt. 

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„Es gibt hier eine Verzahnung von rechtsextremen mit konservativen Strukturen und Ansichten auf dem politischen Feld der Erinnerungskultur“, so der Soziologe und Rechtsextremismusexperte Matthias Quent. In der Denkmalbegründung kommen die Begriffe Neue Rechte, Revisionismus oder Rechtsextremismus jedoch gar nicht vor.

Museumsstück und Klettergerüst

Oswalt betonte, dass er in erster Linie die Begründung kritisierte, nicht den Denkmalstatus selbst: „Man kann das Glockenspiel durchaus unter Denkmalschutz stellen, Denkmäler müssen nicht immer etwas Schönes und Gutes sein. Wenn man gesagt hätte, es ist ein Denkmal, weil es ein Symbol der Neuen Rechten ist, dann wäre das zutreffend.“ 

Architekt Philipp Oswalt vom Lernort Garnisonkirche
Architekt Philipp Oswalt vom Lernort Garnisonkirche

© Sebastian Gabsch

Ziel des Lernorts Garnisonkirche sei weder, das Glockenspiel komplett zu entfernen, noch, es genauso wie jetzt zu belassen, sagte Oswalt: „Es müsste eine Transformation des Objektes geben.“ Denkbar sei, einige der Glocken im Potsdam Museum aufzustellen und zu kontextualisieren, oder auch, das Gerüst des Glockenspiels zu einem Klettergerüst umzufunktionieren.

Landeskonservator über Denkmalwert der DDR-Architektur

Um Denkmalschutz ging es auch am Mittwoch, als die Garnisonkirchenstiftung zu einem Diskussionsabend zum Thema „Potsdam im Wandel – Chance und Herausforderung“ in die Nagelkreuzkapelle eingeladen hatte: „Es gibt kein Anrecht auf sympathische und schöne Denkmale, siehe die Gedenkstätte Leistikowstraße oder eben das Glockenspiel“, sagte Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg, stellvertretender Direktor des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege.

Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg
Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg

© promo

Drachenberg verwies darauf, dass sich die Ansicht, ob etwas denkmalwürdig sei, im Laufe der Zeit wandeln könne. „In Potsdam haben die Denkmalschützer Anfang der Neunziger Jahre DDR-Bauten vom Denkmalschutz ausgenommen, heute würden sie wohl zu anderen Ergebnissen kommen.“ Über Jahrzehnte habe es den Reflex gegeben, DDR-Architektur als nicht denkmalwürdig anzusehen, doch dieser Reflex funktioniere seit ein paar Jahren nicht mehr so wie früher: „Ich sehe eine neue Generation aufkommen, die anders auf die Stadtarchitektur schaut.“

Nutzung wichtiger als rekonstruierte Hülle

Moderatorin Ursula Weidenfeld verwies auf Rekonstruktionen historischer Gebäude in Potsdam und fragte: „Traut sich unsere Gesellschaft die Zukunft nicht mehr zu?“ Drachenberg widersprach dem: „Das würde ja bedeuten, dass es in Rekonstruktionen keine Zukunft geben kann, aber das kann durchaus stattfinden.“ Entscheidend sei, wie die Gebäude genutzt würden. 

Simone Leinkauf, Geschäftsführerin des Vereins Pro Wissen, schloss sich dem an: „Meine Vision für das rekonstruierte Stadtschloss wäre gewesen, dort nicht den Landtag, sondern die Fachhochschule einziehen zu lassen, dann hätten wir die Studierenden in der Innenstadt und einen belebten Alten Markt.“ Auch für die Garnisonkirche könne sie sich eine Kombination von alt und neu vorstellen: „Der historische Turm könnte ein modernes Kirchenschiff bekommen, um so die Zukunft zu denken.“

Dass es gegenwärtig einen großen Hang zu Rekonstruktionen gebe, sah Drachenberg durchaus als gegeben an: „In 50 Jahren wird man nicht nur in Potsdam sondern in vielen anderen Städten von einem Zeitalter der Rekonstruktion sprechen.“

Denkmalschutz für das Rechenzentrum?

Christopher Weiß, Projektentwickler für das Kreativquartier am Langen Stall, beklagte, dass nur über Fassaden gesprochen werde: „Wir brauchen Orte für die Menschen, und dann erst kommt die Architektur.“ Als Negativ-Beispiel nannte er den Alten Markt, der zwar optisch schön sei, im Sommer aber sehr heiß.

Drachenberg zeigte sich erfreut, dass die Diskussion um nachhaltiges Bauen an Fahrt aufgenommen habe: „Jeder Abriss ist Verschwendung, egal was.“ Der Landeskonservator bezog seine Aussage nicht auf ein konkretes Gebäude, Christopher Weiß mutmaßte jedoch: „Nach diesem Satz werden im Rechenzentrum die Sektkorken knallen.“ Politiker der Linkspartei Potsdam hatten im August beantragt, das Rechenzentrum unter Denkmalschutz zu stellen, die Prüfung läuft.

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