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Umstrittenes Bauprojekt in Potsdam: Eine besondere Orgel für die Garnisonkirche

Die Kapelle des Turms der Garnisonkirche erhält ein besonderes Instrument – vom Werderaner Unternehmen Schuke. Die deutschlandweit steigenden Baukosten könnten auch die Stiftung für den Wiederaufbau betreffen.

Potsdam - Wieland Eschenburg ist sich sicher: So eine Orgel, wie sie gerade für die künftige Kapelle des Garnisonkirchturms geplant wird, hat in ganz Ostdeutschland noch niemand gehört. Das sagte der Vorstand der Stiftung Garnisonkirche am Freitag vor der Presse – bei der Vorstellung der besonderen Instrumentenplanung für den später einmal 88 Meter hohen Kirchturm, um die sich das traditionsreiche Werderaner Unternehmen Schuke Orgelbau kümmern wird.

Die wichtigsten Eckdaten des Musikinstruments: 2000 Orgelpfeifen, jeweils zwischen einigen Millimetern und fünf Metern groß, werden zwei verschiedene Klangbilder ermöglichen. Ein barockes mit hellen Tönen und ein romantisches mit eher weicheren Klängen. Die akustische Bandbreite werde jedenfalls groß, sagte Johannes Lang, Organist an der Friedenskirche und bald auch beim berühmten Thomanerchor in Leipzig. Selbst experimentelle Musik sei so möglich.

Historische Klangwelt abbilden

Zugleich solle aber auch die historische Klangwelt der einstigen Militärkirche abgebildet werden, erläuterten die Orgelbauer Michael und Johannes Schuke. Das barocke Orgelwerk war um 1730 von Orgelbaumeister Joachim Wagner gebaut worden, selbst Johann Sebastian Bach spielte darauf für Preußenkönig Friedrich II. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Instrument von Hoforgelbauer Wilhelm Sauer für den romantischen Klang umgebaut. 1945 aber wurde die Orgel beim Bombenangriff auf Potsdam zerstört.

Die neue Orgel werde durch eine private Spende finanziert, sagte Sprecher Eschenburg. Zum Mäzen und auch dem Preis sei Stillschweigen vereinbart worden. Allerdings wurde bei der Vorstellung deutlich, dass in das Projekt durchaus mehrere 100 000 Euro fließen – jedenfalls ist die Firma Schuke mit diesem Einzelinstrument die nächsten beiden Jahre befasst. Als Besonderheit soll die Orgel von einem frei beweglichen Spieltisch elektronisch angesteuert werden, erläuterte Johannes Schuke. So könne das Publikum dem Organisten nicht nur lauschen, sondern auch beim Spiel zusehen. Je nach Veranstaltung – Gottesdienst, Orgel- oder Kammerkonzert – könne der Spieltisch optimal positioniert werden.

In der Entstehung. So sieht die künftige Kapelle des Kirchturms jetzt aus. 1968 waren die Reste der einstigen Militärkirche gesprengt worden.
In der Entstehung. So sieht die künftige Kapelle des Kirchturms jetzt aus. 1968 waren die Reste der einstigen Militärkirche gesprengt worden.

© A. Klaer

2023 soll das Instrument erstmals erklingen

Die zwei Orgelwerke sollen in der Kapelle in Nischen eingebaut werden und gemeinsam erklingen. Zur geplanten Eröffnung des Garnisonkirchturms im Jahr 2023 soll das Instrument erstmals erklingen – ein Einbau sei aber erst möglich, wenn der Baustaub verschwunden sei, so die Schuke-Brüder. Laut Eschenburg haben in der Kapelle bis zu 100 Personen Platz. Die Stelle des Organisten solle aber nicht fest ausgeschrieben werden. Stattdessen setze man auf Gast-Organisten, die das einmalige Instrument spielen wollten – und auch unterschiedliche temperierte Klänge einstellen könnten. So entstehe auch ein Lernort für Musik, schwärmte Eschenburg. Es könnten sich zum Beispiel Musikstudenten der Universität der Künste in Berlin „hier ausprobieren“.

Wieland Eschenburg aus dem Vorstand der Stiftung Garnisonkirche
Wieland Eschenburg aus dem Vorstand der Stiftung Garnisonkirche

© A. Klaer

Trotz der erfreulichen Botschaft – an anderer Stelle hat die Stiftung durchaus Sorgen. Denn unklar ist, wie sich die deutschlandweit steigenden Baukosten auswirken. Die Gesamtkosten für den Turm waren von der Stiftung zuletzt mit 44 Millionen Euro angegeben worden. Ob es dabei bleibt, hänge laut Eschenburg auch von der geplanten Ausschreibung für die Haube des Kirchturms ab. Bis Weihnachten soll jedenfalls weiter aufgemauert werden, bis in knapp 60 Meter Höhe die geplante Aussichtsplattform entsteht – auf die dann die Haube gesetzt wird, von einem Kran aus. Der Kopf des Turms soll dabei neben dem eigentlichen Bauwerk errichtet werden, inklusive Wetterfahne kommt der Turm später auf eine Gesamthöhe von 88 Metern. 

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Eschenburg will mit Vertretern der neuen Regierung sprechen

Die Finanzierung hat bisher zur Hälfte der Bund übernommen, dazu kommen Kirchenkredite und Spenden. Allerdings fehlen für Zierrat und Schmuck noch knapp vier Millionen Euro. Eschenburg sagte den PNN, er wolle auch mit Vertretern einer künftigen Regierungskoalition sprechen und für das Projekt werben. Zuletzt hatte unter anderem die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock weitere Bundesgelder für das Projekt ausgeschlossen. Auch der mögliche neue Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte gegenüber den PNN gesagt: „Die Bundesregierung hat sich sehr stark an der Finanzierung beteiligt und ich gehe davon aus, dass die restliche Finanzierung durch Spenden sichergestellt ist.“

Johannes und Michael Schuke
Johannes und Michael Schuke

© Andreas Klaer

Seit Jahren wird in Potsdam über den Bau gestritten, derzeit läuft ein von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) angestoßenes Dialogverfahren, wie das Umfeld des Turm aussehen soll und ob das benachbarte Kreativhaus „Rechenzentrum“ abgerissen wird oder nicht.

Einen neuen Vorschlag machte der Berliner Historiker Manfred Gailus. Er regte an, die Projektkritiker am Nutzungskonzept zu beteiligen. Angesichts der hohen Kosten müsse „neu über seine Nutzung unter Beteiligung der Kritikbewegung und weiterer Initiativen“ verhandelt werden, sagte der Historiker vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin dem Evangelischen Pressedienst. „Nur so erlangt das Vorhaben eine gewisse Legitimation.“ 

Das Konzept der Garnisonkirchen-Stiftung für die Ausstellung im Turm weise, soweit bisher erkennbar, „erhebliche Fortschritte gegenüber früheren Selbstdarstellungen zur Garnisonkirchen-Geschichte auf“, so Gailus. Doch einige schmerzhafte Themen würden weiter „ausgespart oder unangemessen geschönt“. Heute befasst sich in Berlin eine Tagung mit der Garnisonkirche und dem Nationalprotestantismus. (mit dpa/epd)

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