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Umstrittene Himmelsstrahler bei Einheits-Expo: Tödliche Gefahr für Vögel am Potsdamer Himmel

Bei der Einheitsfeier in der Innenstadt will die Landesregierung "Sky Beamer" verwenden und hat sie auch schon erprobt. Experten warnen davor. Die Stadt Potsdam prüft derweil eine Genehmigung.

Von Carsten Holm

Potsdam - Wird Potsdams Einheits-Expo zur tödlichen Falle für Vögel? Experten befürchten das, weil bei der noch bis zum 4. Oktober andauernden Feierlichkeit in der Potsdamer Innenstadt so genannte Himmelsstrahler im Einsatz sind. Die starken Scheinwerfer strahlen nachts steil in den dunklen Himmel und bewegen sich, was ein aufsehenerregendes Lichtschauspiel ergibt. Doch für Vögel und andere Tiere sind die Lichter eine Gefahr, sagen Wissenschaftler und verweisen auf entsprechende Studien.

Extreme Weitwinkelaufnahme vom Scheinwerferlicht über der Potsdamer Innenstadt.
Extreme Weitwinkelaufnahme vom Scheinwerferlicht über der Potsdamer Innenstadt.

© Christopher Kyba

Diese würden zweifelsfrei belegen, dass solche Lichtquellen die Tiere „wie ein Staubsauger ansaugen”. Sie „drehen sich im Kreis und können abstürzen”, sagte Barbara Helm, Professorin für Ornithologie an der Universität Groningen, den PNN auf Anfrage. Helm, die unter anderem der deutschen und der europäischen ornithologischen Gesellschaft angehört, verweist auf Studien aus New York City aus dem Jahr 2017. Scheinwerfer hätten Zugvögel dort von ihrem Kurs auf Afrika abgelenkt.

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Erst als das Licht abgeschaltet worden sei, seien sie auf ihre Flugroute zurückgekehrt. "Nach allem, was man weiß, ist es unverantwortlich, diese Beamer einzusetzen - auch in Potsdam", sagt Helm. Da in der vergangenen Woche nur ein Probelauf stattfand, wurden die Lichter vorerst ausgeschaltet. Ob sie bald wieder benutzt werden dürfen, prüft die Stadt, wie sie auf PNN-Anfrage mitteilte. Ein Genehmigungsverfahren sei in Bearbeitung. Veranstalter der Einheits-Expo ist die Staatskanzlei des Landes Brandenburg. 

Scheinwerfer, welche den Abendhimmel beleuchten, sind Teil der Einheitsexpo in Potsdam. Ihr Einsatz ist umstritten.
Scheinwerfer, welche den Abendhimmel beleuchten, sind Teil der Einheitsexpo in Potsdam. Ihr Einsatz ist umstritten.

© Andreas Klaer

Zuerst Alarm geschlagen hatte Christopher Kyba vom Geo-Forschungszentrum (GFZ) auf dem Telegrafenberg. Der promovierte Wissenschaftler ist Experte für Fernerkundung und Geomatik sowie für Lichtverschmutzung. Vom Balkon seiner Wohnung an der Schopenhauerstraße beobachtete der 41-jährige gebürtige Kanadier am Abend die Strahlen und die kreisenden Lichtkegel, fotografierte sie mit einem extremen Weitwinkelobjektiv und teilte die Bilder über den Kurznachrichtendienst Twitter. "Ein Albtraum über der Brandenburger Straße", schrieb er dazu auf Englisch: "Beamer wie diese sind absolut unverantwortlich während der Zugzeit der Vögel."

GFZ-Forscher Christopher Kyba untersucht die Einflüsse der nächtlichen Himmels- und Wolkenanstrahlung auf die Natur.
GFZ-Forscher Christopher Kyba untersucht die Einflüsse der nächtlichen Himmels- und Wolkenanstrahlung auf die Natur.

© Andreas Klaer

Gefährlich seien sie vor allem, wenn Wolken über der Stadt stünden, die Gefahr des Vogelsterbens sei dann ungleich größer. "Gutes Wetter kann das Leben vieler Vögel retten", sagt Kyba den PNN: "Aber die Expo dauert ja noch etwa drei Wochen, da kann sich die Lage ändern."

Auch das Potsdamer Urania-Planetarium reagierte entsetzt auf die „Sky Beamer“: „Gerade jetzt in Zeiten des Vogelzugs sind sie eine Todesfalle für Tiere“, teilte die Einrichtung über Twitter mit. Naturschutzfachlich falle die Stadt „mit diesen Installationen um Jahrzehnte zurück“.

Bundesumweltministerium plant generelles Verbot

Dem vogelfeindlichen Treiben am Nachthimmel will die Bundesregierung bald grundsätzlich Einhalt gebieten. Das Bundesumweltministerium hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ein Verbot sogenannter Lichtfallen für Insekten und Vögel ab 2022 vorsieht. Die Frage der PNN, ob der Einsatz von Beamern während der Einheits-Expo nicht dem Ziel des Gesetzentwurfs widerspreche, konnte die Pressestelle des Bundesministeriums bis zum Redaktionsschluss nicht beantworten.

Zurückhaltend reagierten die Pressestellen der Landesregierung und der Stadt Potsdam. Die Staatskanzlei verweist darauf, dass der Einsatz der so genannten "Moving Lights" bisher nur geplant sei. Es habe einen kurzen Testlauf gegeben, aber die Genehmigungen durch die Landeshauptstadt stünden noch aus. Das Rathaus bestätigt dies, auch die Deutsche Flugsicherheit prüfe den Fall.

Grüne-Fraktion fordert Aufklärung

Unterdessen wurden die potenziell gefährlichen Strahler auch zum Politikum. Die Potsdamer Grünen-Fraktion erkannte einen "Verbotstatbestand des Naturschutzrechts und damit eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit". Per Twitter erkundigte sie sich bei der Landeshauptstadt, ob diese "bauordnungsrechtlich" gegen die Himmelsstrahler vorgehen wird. Die Antwort steht aus.

Wissenschaftler Kyba hält die Himmelsscheinwerfer ohnehin auch politisch für ein falsches Signal für die Einheitsfeier. Die Nazis hätten sich auf Parteitagen und während der Olympiade mit so genannten Lichtkathedralen gefeiert, während des Zweiten Weltkriegs seien derartige Suchscheinwerfer eingesetzt worden, um alliierte Bomber zu entdecken. Zudem habe die DDR mit Scheinwerfern etwa an der Ostseeküste versucht,  Menschen auf der Flucht aus der DDR zu stoppen. "Deswegen sollten sie keinen Platz bei der Feier der deutschen Einheit haben", sagt Kyba: "Die Organisatoren sollten sie entfernen."

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