zum Hauptinhalt
Potsdams Klinikum "Ernst von Bergmann"

© Ottmar Winter PNN

Ultimatum angekündigt: Verdi droht mit Streik für Entlastung per Tarif im Klinikum

Die Gewerkschaft sieht Beschäftigte deutlich überlastet. Doch der Bergmann-Chef sagt, es gibt 45 Pflegekräfte mehr als Ende 2019.

Potsdam - Noch in diesem Jahr will die Gewerkschaft Verdi einen Entlastungs-Tarifvertrag für rund 1500 nicht-ärztliche Beschäftigte des Potsdamer Bergmann-Klinikums durchsetzen. Damit soll eine personelle Mindestbesetzung für Stationen und Funktionsbereiche wie OP-Säle festgeschrieben werden – und was geschieht, wenn diese nicht eingehalten wird. Dafür könne es ab Mitte November auch Streiks geben, kündigte Verdi-Verhandlungsführer Torsten Schulz am Mittwoch gegenüber den PNN an.

[Was ist los in Potsdam und Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran - in den Sommerferien einmal wöchentlich, am Dienstag. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]

Das Klinikum reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß von Verdi und verwies darauf, dass das kommunale Haus auf Beschluss der Potsdamer Stadtverordneten seit 1. Juni 2020 Vollmitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Brandenburg e.V. ist. Somit sei Bundestarifrecht anzuwenden. Dies kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass ein landesbezirklicher Tarifvertrag womöglich gar nicht abgeschlossen werden dürfte. Schon bei der Rückkehr des Klinikums zum Tarif des öffentlichen Dienstes (TVöD) ebenso auf Stadtverordnetenbeschluss hatte es zur Einhaltung der Bundesvorgaben Auseinandersetzungen gegeben.

Dringender Handlungsbedarf wegen Überlastung

Verdi sieht im Bundestarifrecht allerdings offenbar kein Problem. In einem ersten Schritt habe die Gewerkschaft einen „Belastungs-Check“ der Beschäftigten gemacht, so Schulz. Rund 500 Mitarbeitende hätten teilgenommen. Das Ergebnis zeige, dass es dringenden Handlungsbedarf wegen Überlastung gebe. Verdi wolle nun zwischen dem 19. Juli und dem 13. September Unterschriften von Beschäftigten für „Potsdams letzte Gefährdungsanzeige“ sammeln. Diese sollen am 15. September an die Stadtverordneten im Hauptausschuss und an die Klinikum-Geschäftsführung übergeben werden. Am nächsten Tag starte ein 60-Tage-Ultimatum an die Stadt als Klinikum-Gesellschafter und an die Bergmann-Chefs. Werde innerhalb dieser 60 Tage, also bis 13. November, nicht über den Entlastungs-Tarifvertrag verhandelt, soll es ab 14. November Streiks geben.

Voraussetzung dafür sei nach Verdi-Angaben allerdings, dass zum Start des Ultimatums mindestens 20 Prozent aller Beschäftigten der Bergmann-Muttergesellschaft, also des Klinikums, und mindestens 30 Prozent des Pflegepersonals Gewerkschaftsmitglied sind.

Bei sieben Belastungspunkten einen Tag frei

Wichtig an einem Entlastungstarifvertrag sei die Vereinbarung dazu, was geschehe, wenn die Personal-Mindestbesetzung nicht eingehalten werde, sagte Verdi-Vertreter Schulz. Am Uni-Klinikum Jena beispielsweise sehe der Tarif unter anderem einen Belastungsausgleich vor. Für jede Schicht, die Mitarbeitende in Unterbesetzung arbeiten müssen, bekommen sie einen Belastungspunkt – und mit dem siebten einen Tag frei. Laut Verdi haben bei der Mitarbeiterbefragung in Potsdam unter anderem 78 Prozent der Teilnehmenden angegeben, dass oft oder sehr häufig die Patientenversorgung unter ihren Arbeitsbedingungen leide. 89 Prozent sagten, dass sie sich bei der Arbeit gehetzt fühlen und „regelmäßig enormen Arbeitsstress“ erleben.

Für Schulz ein Beleg, dass es Veränderung braucht. Er verwies auf einen Stadtverordnetenbeschluss aus dem Mai 2020. Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) als Klinikum-Gesellschaftervertreter wurde darin verpflichtet, gemeinsam mit dem Konzernbetriebsrat einen „Personalbesetzungs- und Entlastungsplan“ samt Mindest-Personalbesetzungen und deren Durchsetzung sowie Konsequenzen bei Unterschreitung zu erstellen. Seitdem sei nichts geschehen, kritisierte Schulz.

Die Klinikum-Geschäftsführung erklärte auf Anfrage, das Entlastungskonzept sei in Arbeit; die Umsetzung mitten in der Pandemie sei nicht möglich gewesen. Schon jetzt wende man eine Personal-Untergrenze von zehn Patienten auf eine Pflegekraft an, daher seien derzeit zwei Stationen nicht am Netz. „Den Pflegebereich weiter zu stärken, ist eine unserer wichtigsten Aufgaben seit unserem Antritt als Geschäftsführung“, sagte Klinikum-Chef Hans-Ulrich Schmidt. Ende 2020 sei ein Fünf-Punkte-Plan dazu entwickelt worden, „wir arbeiten beständig an dessen Umsetzung“. Ein erster Erfolg sei, dass das Klinikum die Zahl der Vollzeit- Pflegekräfte von Dezember 2019 bis Mai 2021 um insgesamt 45 gesteigert habe.

Zur Startseite