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Ungestörte Idylle. In einigen Gärten am Griebnitzsee erinnert nichts mehr an den früheren Postenweg der DDR-Grenzer.

© A. Klaer

Uferwegstreit in Potsdam: Rechtsstreit statt Mediation am Griebnitzsee

Im Konflikt um den gesperrten Uferweg im Norden Babelsbergs setzt die Mehrheit der Stadtverordneten auf ein finales Gerichtsduell.

Babelsberg - Von wegen Kapitulation: Beim gesperrten Uferweg am Griebnitzsee gehen eine Mehrheit der Stadtverordneten und Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) auf Konfrontationskurs mit jenen Anrainern, die den Weg über ihr Grundstück blockiert haben. Nun sollen Gerichte entscheiden. Damit wäre die seit Jahren laufende Mediation des Streits endgültig gescheitert. Das hat am Donnerstag eine PNN-Recherche bei den Fraktionen im Stadthaus ergeben.

Anlass ist eine nicht-öffentliche Beschlussvorlage aus dem Rechtsamt des Rathauses, mit der über einen Vorschlag des eingesetzten Mediators für freiwillige Vereinbarungen mit den Wege-Sperrern entschieden werden soll. Demnach hätte die Stadt Potsdam künftig auf jegliche Zwangsmaßnahmen zur Sicherung des Wegs – etwa Enteignungen – verzichten müssen. Die Stadt würde also auf jeglichen Zugriff verzichten. Dies könne einen freien Uferweg „auf unabsehbare Zeit verschieben“, hieß es in der Vorlage. Die Alternative: Wird dieser Beschluss nicht gefasst, wird auch das Mediationsverfahren beendet – dann müsse das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) über die Klagen der Sperrer gegen den städtischen Bebauungsplan Nr. 125 „Uferzone Griebnitzsee“ entscheiden, der einen freien Uferweg vorsieht. Sollte das Gericht das Planwerk als gültig erachten, werde man die entsprechenden Maßnahmen für einen freien Uferweg gegebenenfalls bis hin zu Enteignungen umsetzen, erklärt die Stadt in der Vorlage.

Stadtverordnete bevorzugen Klageweg

Diesen Klageweg bevorzugen auch die Stadtverordneten. „Wir würden einem solchen Inhalt nicht zustimmen“, sagte etwa Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg in Bezug auf die Vorlage. Er jedenfalls bevorzuge eine Entscheidung der Gerichte, machte Scharfenberg auf Anfrage deutlich. Grünen-Fraktionschef Peter Schüler sagte, auch seine Fraktion werde den Vorschlag des Mediators ablehnen: Diese sei „völlig inakzeptabel“. Denn so würde der B-Plan nur zum Papiertiger, auf dessen Durchsetzung die Stadt verzichten müsste. Ähnlich äußerten sich Vertreter von SPD gegenüber den PNN – jedoch wegen der Nicht-Öffentlichkeit der Vorlage hinter vorgehaltener Hand. Auch die Fraktion Die Andere hatte das Verfahren mit dem Mediator schon von Anfang als kritisch gesehen. Insgesamt würden die Stimmen von SPD, Linken, Grünen und Die Andere schon für eine Mehrheit gegen den Vorschlag des Mediators reichen. Ein Beschluss dazu kam am späten Mittwochabend aber aus Zeitnot nicht mehr zustande. Das Thema wurde auf eine Sondersitzung Ende Juni verschoben.

Auch die Rathausspitze empfiehlt die Ablehnung der Vorlage und den Gang vor Gericht. Seit mehreren Jahren werde das Mediationsverfahren ohne erkennbaren Fortschritt durchgeführt, sagte ein Stadtsprecher auf PNN-Anfrage. Oberbürgermeister Jakobs wolle das Verfahren daher beenden. Darüber müssten nun die Stadtverordneten entscheiden, so der Rathaussprecher: „Der Oberbürgermeister weist jedoch darauf hin, dass weitere Schritte der Stadt zur Offenhaltung des Uferwegs am Griebnitzsee nicht möglich werden, wenn dem Vorschlag des Mediators gefolgt würde.“

Ein langes Ringen

Der Gang vor Gericht wäre gleichwohl mit Gefahren verbunden. Bereits Ende 2017 hatten die PNN ein Schreiben des Mediators Karsten-Michael Ortloff an die Verfahrensbeteiligten öffentlich gemacht. Der frühere Vorsitzende Richter am Berliner Verwaltungsgericht hatte darin nach langwierigen Verhandlungen erklärt, es sei „zumindest zweifelhaft“, ob sich die Wiederherstellung des Weges mittels Enteignungen durchsetzen lasse. Auch sei der Aufwand unabsehbar. Zudem habe der Mediator Anfang des Jahres in einem weiteren Schreiben angemerkt, dass die Stadt mit seinem Kompromissvorschlag zu freiwilligen Lösungen auch vermeiden würde, „dass der Bebauungsplan einer gerichtlichen Entscheidung mit derzeit ungewissem Ausgang ausgesetzt wird“, wie es in der Vorlage heißt. Derzeit seien 25 Klagen beim OVG anhängig.

Gerungen wird um den ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer, der am Seeufer und damit über private Grundstücke führte, schon sehr lange: Im Mai 2009 kassierte das OVG einen ersten Bebauungsplan für den bis dato von einigen Anrainern nur geduldeten Spazierweg. Der Plan sah einen Uferpark vor. Doch diese Flächen seien Privatgärten, so die Richter – und nicht Teil der freien Landschaft, wie es die Stadt dargestellt hatte. Die Richter urteilten auch, dass die Stadt den Wert des Privateigentums der Anwohner im Bebauungsplanverfahren nicht ausreichend beachtet habe. Kurz nach dem Urteil sperrten erste Anrainer den Weg, 2011 kamen weitere hinzu. Der Konflikt machte bundesweit Schlagzeilen – diskutiert wurde, ob öffentliches Interesse an einem freien Ufer in diesem Fall mehr Gewicht haben sollte als das Privateigentum, das viele der Anrainer – noch mit dem darüber verlaufenden Weg – erworben hatten. Danach arbeitete die Stadt einen neuen Bebauungsplan aus, der von den Stadtverordneten nach langem Hin und Her im April 2016 beschlossen wurde. Um den knapp drei Kilometer langen Uferweg frei zu bekommen, hat die Stadt nach eigenen Angaben Rücklagen in Höhe von rund 13 Millionen Euro für Grunderwerb, Entschädigungen, den Bau des Weges und Verfahrenskosten eingeplant.

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Lesen Sie weiter: Das Mediationsverfahren zum Griebnitzsee-Uferweg ist gescheitert. Nicht wirklich überraschend, findet PNN-Redakteur Peer Straube.

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