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Viele Potsdamer legten vor dem "Thusnelda von Saldern Haus" in Babelsberg Blumen und Kerzen nieder.

© Andreas Klaer

Trauer nach der Gewalttat: Im Herzen Babelsbergs

Angehörige, Mitarbeiter und Politiker gedachten am Donnerstagabend in der Oberlinkirche der Opfer der Gewalttat. Im Kiez ist die Anteilnahme groß. 

Potsdam - Hunderte Rosen, Tulpen und Nelken liegen vor dem Thusnelda-von-Saldern-Haus. Kerzen, handgeschriebene Plakate, kleine Engel. Alle paar Minuten kommt wieder jemand mit einem Strauß. Eine Familie mit drei Kindern ist mit dem Fahrrad gekommen, die beiden älteren legen einen selbst geflochtenen Kranz ab und entzünden Kerzen in beklebten Gläsern. Einige halten mit dem Auto, um eine Blume abzulegen. Auch Passanten, die ihre Joggingrunde machen oder mit dem Hund Gassi gehen, bleiben mit bedrückten Mienen stehen und halten inne. Eine junge Frau betet still, bevor sie sich bekreuzigt.

Zwei Kinder haben einen Kranz und beklebte Gläser mit Kerzen dabei. 
Zwei Kinder haben einen Kranz und beklebte Gläser mit Kerzen dabei. 

© Andreas Klaer

Kurz nach 19 Uhr kommen etwa 25 junge Männer, die meisten in schwarzen Jogginghosen, mit einem großen Blumengesteck die Rudolf-Breitscheid-Straße entlang. Es ist eine Gruppe Fans des SV Babelsberg 03. "In tiefer Trauer und Anteilnahme, Filmstadt Inferno 1999" steht auf der Schleife. Minutenlang stehen die Männer schweigend, mit gesenktem Kopf im Halbkreis um die Blumen, ziehen dann weiter.

"Bei uns im Kiez"

Wer am Donnerstagabend einige Zeit vor dem Gedenkort steht, kann spüren, dass Babelsberg, dass Potsdam ins Herz getroffen wurde von der Gewalttat am Vortag, bei der vier Bewohner der Einrichtung für behinderte Menschen des Oberlinhauses getötet und eine Bewohnerin schwer verletzt wurde. "Es nimmt einen mit, wenn so etwas hier um die Ecke, bei uns im Kiez passiert", sagt eine junge Frau, die mit ihrem Freund Hand in Hand gekommen ist, um eine Kerze anzuzünden. "Die Menschen hier waren immer friedlich, offen gegenüber den Anwohnern, da ist es umso schmerzhafter."

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (beide SPD) und Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) legen Kränze am Oberlinhaus nieder.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (beide SPD) und Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) legen Kränze am Oberlinhaus nieder.

© Andreas Klaer

Um 19 Uhr läuten die Glocken der Oberlinkirche minutenlang. Für Angehörige der Opfer, Mitarbeiter und Politiker beginnt eine Andacht. Vor Beginn in der Oberlinkirche legten auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (beide SPD) und Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) Blumensträuße nieder und gedachten schweigend der Opfer der Gewalttat. Auch Kulturministerin Manja Schüle (SPD) nahm an der Andacht teil. Die Andacht war nicht öffentlich, Journalisten und Anwohner standen draußen am Straßenrand.

Verlust einer engen Freundin

Melanie Stein wollte lieber draußen gedenken. Als sie einen Blumenstrauß ablegt, laufen ihr Tränen über beide Wangen. Eine enge Freundin von ihr war eine der Bewohnerinnen, die am Mittwoch getötet wurden. "Wir kannten uns noch aus Kindertagen, fast 40 Jahre lang", sagt die Frau aus Schönewalde (Elbe-Elster). Vor fünf Jahren habe ihre Freundin einen Autounfall gehabt, während sie schwanger war. Ein anderer Autofahrer habe ihr die Vorfahrt genommen, das Auto habe sich überschlagen. Die Freundin habe wegen eines Schädel-Hirn-Traumas einige Zeit im Koma gelegen, nun lebte sie schon lange in der Einrichtung des Oberlinhauses. "Dabei war sie gerade dabei, sich zurück ins Leben zu kämpfen", sagt Stein. "Am schlimmsten ist es, dass ich sie wegen Corona so lange nicht besuchen konnte." Vorher sei sie regelmäßig gekommen, habe ihren Hund mitgenommen, den habe ihre Freundin sehr gemocht. "Ich kann nicht fassen, was passiert ist."

Diese Fassungslosigkeit scheinen auch die Mienen jenen Angehörigen auszudrücken, die nach dem Gottesdienst wieder nach draußen kommen. Manche liegen sich vor dem Tor der Oberlinhauses noch lange in den Armen, weinen, gehen noch einmal zu den vielen Blumen. Sie spenden sich gegenseitig Trost in diesem Moment der Trauer. 

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