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Am Taxistand am Hauptbahnhof Potsdam warten die Fahrer manchmal lange. Foto: Andreas Klaer

© Andreas Klaer

Taxis in Potsdam: Krise spitzt sich weiter zu

Die Zahl der Konzessionen ist unter die von der Stadt empfohlene Obergrenze von 183 gesunken. Zudem gehen viele Fahrer in Rente. So wird es in Potsdam immer schwieriger, zügig ein Taxi zu bekommen.

Potsdam - Recht unbescheiden preist die Schöne im Internet ihre Vorzüge. Die Stadt sei „zweifellos eine der schönsten Deutschlands“, urteilt Potsdam auf seiner Homepage über sich, Besucher könnten „stolze fünfzehn Schlösser“ erkunden, geschaffen von großen Baumeistern und berühmten Landschaftsarchitekten. Alles ungemein sehenswert, alles Weltkulturerbe, alles weltberühmt.

Nur: Wer sich den Stätten des Weltkulturerbes nicht in großen Gruppen mit Reisebussen nähert, kommt kaum dort hin – und noch schwieriger wieder weg. Der Grund: Fahrten etwa von örtlichen Hotels nach Sanssouci oder zum Cecilienhof sind oft unmöglich, weil Touristen nicht, wie anderswo, mal eben ein Taxi bestellen können, um sich vor den Sehenswürdigkeiten der Stadt absetzen zu lassen. Allzu oft steht keines zur Verfügung.

Schon mehrfach haben die PNN über die chronische Potsdamer Taxi-Krise berichtet. Sie scheint sich verschlimmert zu haben: Wer etwa am Wochenende in der „Meierei“ im Neuen Garten mit Freunden spontan ein zartes Eisbein mit Sauerkraut verzehren und das dort gebraute Bier genießen möchte, kann vor Ort noch Platz finden – aber kaum in einem Taxi.

Besucher sind entsetzt, dass es keine Taxis gibt

„Ich habe in der nächsten Stunde keinen Wagen“, sagt die Stimme einer Taxi-Zentrale. Aber selbst wer in der Altstadt einkehren möchte, muss auf dem Rückweg nach Hause oder in sein Hotel fast unendliche Geduld haben – Warten oder weit Laufen, das sind die Alternativen für Taxigäste in spe. „Für Stadtfahrten in Potsdam ist das Taxi schnell verfügbar“, wirbt ein Taxi-Portal für sich. Die Wirklichkeit, die Walter Kahlenborn aus Berlin-Steglitz Anfang August mit Gästen aus der Schweiz erlebte, sah anders aus. Die Höhepunkte Sanssouci und das Museum Barberini sowie ein Restaurantbesuch standen auf dem Programm. Der Tag wurde zur Tortur. Nach Sanssouci habe er „diverse Taxiunternehmen einschließlich der Funktaxinummern angerufen“, sagt der Geschäftsführer einer Consulting-Firma. In einem Fall erfuhr er, „dass gerade nur ein Wagen irgendwo in der Stadt unterwegs“ sei und „vielleicht in einer halben Stunde vorbeikommen“ könne. Vielleicht. Das Gleiche passierte nach dem Essen und vor der Rückfahrt nach Berlin. „Man kommt sich vor wie in einem Entwicklungsland“, sagt Kahlenborn. 

Die Taxifahrer müssen den Unmut vieler Gäste ertragen, immerhin: Sie reden sich nicht heraus. „Es ist eine ganz furchtbare Situation“, sagt Ralf Günther, Vizechef der Potsdamer Taxi-Genossenschaft, der rund 65 Unternehmen mit gut 100 Fahrern angehören. Weniger als 180 Taxis, schätzt er, seien „auf der Straße“. Zu wenige eben.

Sein Berufsstand habe in Potsdam mit erheblichen Nachwuchssorgen zu kämpfen, viele Fahrer seien in Rente gegangen, und für Jüngere sei der Job hinter dem Lenkrad zu schlecht bezahlt. Zudem würden einige nicht zum Mindestlohn arbeiten. Wer fest angestellt ist und für den Mindestlohn arbeitet, kommt auf einen Nettoverdienst von 1100 bis 1200 Euro. Den Fahrern wird die reine Fahrtzeit bezahlt, die Wartezeit und die Pausen nicht. „Viele Fahrer sind Aufstocker und kommen ohne staatliche Unterstützung nicht aus“, sagt Günther.

Die jüngste, 2018 mit der Stadt ausgehandelte moderate Tariferhöhung habe die Situation kaum verbessert. Anders als in Berlin gibt es viel „tote Zeit“, die Standzeit an den Halteplätzen. An den Wochenenden steige , so Günther, die Nachfrage dann dramatisch – und den Bestellungen kann nicht nachgekommen werden. 

„Zum Jahresende wird alles noch schlimmer“, prophezeit Taxifahrer Siegfried Janka, „dann gehen etliche in Rente, niemand ersetzt sie.“

Zusätzlichen Druck erzeugt die Politik. Im Juni protestierten 20 Taxifahrer vor dem Landtag gegen Pläne von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), den Taximarkt zu liberalisieren und für die sogenannte Dumpingkonkurrenz wie Uber zu öffnen.

Im Juni protestierten Taxifahrer vor dem Landtag gegen unliebsame Konkurrenz. Foto: Bernd Settnik/dpa
Im Juni protestierten Taxifahrer vor dem Landtag gegen unliebsame Konkurrenz. Foto: Bernd Settnik/dpa

© dpa

Kein Wunder, dass die Zahl der Taxis auf Potsdams Straßen kontinuierlich abnimmt. Wie Stadt-Pressesprecherin Christine Homann auf Anfrage der PNN mitteilte, sank die Zahl der Konzessionen von rund 200 im Jahr 2010 auf aktuell 162 – deutlich unter der Obergrenze von 183, die die Stadt empfohlen hat.

Ein weiterer Indikator zeigt, wie unattraktiv das Gewerbe geworden ist. Wurden die in ihrer Zahl einst nach oben begrenzten Konzessionen vor gut zehn Jahren für 10.000 bis 15.000 Euro gehandelt, sind sie heute nichts mehr wert. „Der Markt“, so Günther, „ist tot“. 

Zudem steigt während der ständigen Staus die Wut von Fahrern und Gästen, aber auch der Betrag auf den Taxametern. Heidrun Walter, seit vielen Jahren Taxifahrerin, ärgert sich wie wohl alle Kollegen darüber, dass sie etwa auf der Zeppelinstraße oder am Hauptbahnhof nicht die Busspur benutzen darf. „Das verlängert die Fahrt zu den Hotels bis zu einer halben Stunde“, erzählt Walter, „das muss die Stadt schnell ändern“.

Die Potsdamer Hotels haben gelernt, mit dem Notstand umzugehen. Es könne an Wochenenden und am frühen Morgen „eine halbe Stunde dauern, nach einem Taxi zu telefonieren“, sagt Kathrin Strempel, stellvertretende Geschäftsführerin des Inselhotels Hermannswerder, den PNN. Aber es sei schon vorgekommen, dass überhaupt kein Taxi gekommen sei – und Hotelgäste sich mit Gepäck vom Hauptbahnhof mit der S-Bahn auf den Weg zum Berliner Zoo und dort mit dem Expressbus nach Tegel gemacht hätten. „Das ist kein Zustand“, so Strempel, „die Gäste waren empört.“

Bettina Schütz, Direktorin des Dorint Sanssouci, informiert Unternehmen, die etwa für Kongresse viele Zimmer buchen, sogleich über das Potsdamer Taxi-Problem, „damit sie einen Shuttle von und zu den Flughäfen organisieren können“. Werden für 40 Gäste 20 Taxis gebraucht, „organisieren wir einen Bus“.

Sollten einmal alle Stricke reißen, steht im Dorint Hotel zudem ein kleiner, hauseigener Bus bereit, um Hotelgäste zu den Flughäfen zu bringen. „Wenn Not am Mann ist, würde ich mich auch selbst ans Steuer setzen“, sagt Schütz.

Carsten Holm

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