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SV Babelsberg 03: Fan-Aktionen: Flaschen gesammelt, Geschäftsstelle besetzt

UPDATE. Etwa 40 Fans haben Büros des in einer schweren Finanzkrise steckenden Fußball-Drittligisten in Potsdam-Babelsberg besetzt. Sie fordern der Rücktritt des kompletten Vorstandes. Am Abend sammelten Fans in babelsberg friedlich kistenweise Pfandflaschen für ihren Klub.

Potsdam - Fans des Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03 haben am Donnerstagnachmittag die Geschäftsstelle des Vereins an der Karl-Liebknecht-Straße besetzt. Sie fordern den sofortigen Rücktritt des Vereinsvorstands – erst dann wollen sie die Geschäftsstelle wieder verlassen. Bis jetzt wurde  darauf verzichtet, die Polizei zu rufen. „Wir warten jetzt erst einmal ab“, so ein SVB-Mitarbeiter. Eine Hand voll Fans seien gegen 15.30 Uhr im Vereinsgebäude aufgetaucht. Derzeit sind es 40 Fans, die sich in der Geschäftsstelle aufhalten und sich weigern, diese wieder zu verlassen. Einige haben sich an Treppengeländer gekettet. Die Polizei ist vor Ort. Nach Angaben der Beamten und der Vereinsmitarbeiter werde derzeit aber kein Grund zum Einschreiten gesehen. Die Fans warten auf Verantwortliche, von denen sie erstmals auch öffentlich direkt eine Stellungnahme zur Lage des Vereins erwarten.

Hilfe für Nulldrei:  Überweisung an Schöfski/Dudzak, „Rettung SV Babelsberg“, Konto 1100155836, MBS Potsdam 16050000 oder 5 Euro per SMS: "SVB03" (ohne An- und Abführung) - an die 81190

Am Abend dann sammelten fans vor dem Rathaus Babelsberg bei einer Soldidaritätsaktion für den angeschlagenen Verein Pfandflaschen. Ab 19.30 Uhr kamen unterstützer und lieferten kisten- und säckeweise Flaschen ab. Binnen weniger Minuten waren 20 Kästen und mehrere Säcke mit Pfandflaschen abgeladen worden. Der Erlös dieser und anderer Aktionen soll dem von Fans eingerichteten Spendenkonto zu gute kommen. Bis zum späten Nachmittag gab es für das erst am Mittwoch eingerichtete Spendenkonto bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse schon Zahlungszusagen über 10 000 Euro.

Während zwischen Verein und einigen Fangruppen die Zeichen auf  Sturm stehen, wird der kleine Babelsberger Drittliga-Klub - der Verein mit dem mit Abstand geringsten Etat in der Dritten Bundesliga - einer Welle der Solidarität von Fußballfans und Sportinteressierten aus ganz Deutschland überrollt. Seit Vereinspräsident Rainer Speer am Montagabend überraschend verkündete, dass im Etat der kommenden Saison ein Loch von 1,5 Millionen Euro, die Drittliga-Lizens so nicht zu bekommen sei und der Zwangsabstieg droht, haben sich rund 4000 SVB-Unterstützer im Internet über das Soziale Netzwerk Facebook organisiert. Die Anhänger fordern den Vereinsvorstand zum Rücktritt auf. Gleichzeitig sammeln sie Spenden, um den Club zu retten.

Unter dem Motto „Wir lassen unseren SV Babelsberg 03 nicht einfach sterben!“ plünderten zahlreiche Studenten ihre Kassen, Anwohner solidarisierten sich mit dem Verein, Vereinsangestellte warten auf ihre nächste Lohnzahlung, um eine Überweisung zu tätigen und eingefleischte Nulldreier wollen Blut spenden, um so die Vereinskasse aufzupäppeln. Will der Club die Dritte Liga halten, müssen bis zum 1. Juni rund eine Million Euro aufgetrieben werden.

Auch Fußballfans anderer deutscher Vereine, wie dem FC St. Pauli, Union Berlin, Hertha, dem FC Carl Zeiss Jena, Arminia Bielefeld, Rostock, Schalke oder Dresden spendeten für Babelsberg. In der Geschäftsstelle von Hertha BSC wird bereits über ein Benefizspiel nachgedacht.

Über den Bezahldienst Pay-Pal können auch Überweisungen aus dem Ausland für das Nulldrei-Soli-Konto entgegengenommen werden. Auch Spenden per SMS sind seit gestern möglich. Im Fanbeirat wird damit gerechnet, dass bis heute Abend gar etwa 20.000 Euro zusammen kommen.  „Ich hoffe, dass es mehr wird“, sagt Maik Dudzak. Schon im Jahr 2003, als Babelsberg erstmals in die Insolvenz rutschte, sammelten die Fans rund 25.000 Euro. Angesichts der heutigen Vernetzung via Facebook gelte es die Marke zu knacken. Von der Resonanz und der Solidarität im Netz wurde der Fanbeirat überrascht. „Damit habe ich nicht gerechnet“, sagt Dudzak. „Wir Fans tun alles, um Babelsberg zu retten.“ Die Spendenaktion soll ein Zeichen an Politiker und Sponsoren sein: „Jetzt seid ihr gefragt!“, sagt Dudzak.

Dass die Fans das Millionenloch aus eigener Kraft stopfen, scheint indes unmöglich. „Unser vorrangiges Ziel ist es, die Klasse zu halten“, sagt Dudzak. Sollte das nicht gelingen, will man mit den Spenden zumindest das Überleben in der Regional- oder Oberliga sichern. Auch Trainer Dietmar Demuth könnte man mit dem Geld halten, hofft man.

Indes hat der Aufsichtsrat des Vereins am Mittwochabend bereits dafür plädiert, in der nächsten Saison in der Oberliga zu starten. Zwar wolle man jede Möglichkeit nutzen, die Auflagen für die Dritte Liga noch zu erfüllen, aber die Situation sei aussichtslos. „Es scheint im Moment unmöglich, die Forderungen des DFB zu erfüllen“, heißt es. In der Regionalliga seien die Anforderungen ähnlich hoch. Am Montag soll es ein Gespräch mit Präsident Speer über dessen Zukunft geben.

Abseits dessen suchen die Fans selbst nach immer weiteren, kreativen Möglichkeiten, ihre Rücktrittsforderung an den Vorstand durchzusetzen und Geld aufzutreiben. Am morgigen Samstag ist um 12 Uhr ein Demonstrationsmarsch vom Babelsberger Rathaus geplant. Unter dem Motto „farbe bekennen“ sind alle Vereine der Stadt eingeladen. Am Nachmittag soll es am Karl-Liebknecht-Stadion ein Fanfest geben. Rex-Pils hat fünf Fässer Bier gespendet, die Band „Kumpelbasis“ wird den neuen Stadionsong spielen - die Erlöse sollen dem Verein zu Gute kommen. Um 22 Uhr ist im studentischen Kuze eine Soli-Veranstaltung geplant. Im gesamten Stadtgebiet sollen Abreißzettel mit dem Spendenaufruf verteilt werden. Am Sonntag heißt es außerdem ab 10 Uhr „Kicken für Nulldrei.“ Vereine aus der gesamten Region können auf der Sandscholle für das Startgeld von 1903 Cent für die Rettung Babelsbergs spielen. Peter Tiede, Hennar Mallwitz, Tobias Reichelt, Henri Kramer

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