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Streit um Kulturgutschutz: Mehr Schutz für Schätze

Die Länder führen Listen mit national wertvollen Kulturgütern. Das System steht in der Kritik: Es sei willkürlich und behindere den Kunstmarkt.

Birgit Maria Sturm sitzt in den Büroräumen des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler und hebt etwas ratlos die Hände. Die Geschäftsführerin hat turbulente Wochen hinter sich, die Diskussion um die Novelle des Kulturgutschutzgesetzes beschert ihr noch immer täglich Anrufe und Mails von Händlern, Galeristen, Künstlern und Juristen. „Alle sind verunsichert. Das ist Gift für den Kunstmarkt.“ Bei einigen Händlern stagniere bereits der Verkauf, sagt sie.

Die Nachricht, dass für die Ausfuhr von als national wertvoll eingestufter Kunst mit einem Wert von 150 000 Euro aufwärts und einem Alter von mehr als 50 Jahren bald nicht mehr nur bei Drittländern, sondern auch im EU-Binnenmarkt eine Genehmigungspflicht gilt, hemme die Kauflust. Die Tatsache, dass die Genehmigung in der großen Mehrheit der Fälle eine Formalie sein dürfte, kann die Betroffenen nicht beruhigen. Auch nicht, dass die wenigsten Werke, die auf dem Kunstmarkt heiß gehandelt werden, als kulturell wertvoll eingestuft werden dürften.

So hatte etwa der Mäzen Hasso Plattner angedroht, seine hochkarätige Sammlung von Impressionisten und Werken der klassischen Moderne in den USA zu belassen und nicht, wie geplant, dauerhaft nach Potsdam zu holen.

Dass die Wertgrenzen im neuen Gesetz nun eher bei 300 000 Euro und einem Mindestalter von 70 Jahren liegen dürften (wie schon bei der letzten Novellierung 2007 angedacht), entlockt den Akteuren des Kunstmarktes nur ein müdes Lächeln. „Das, was auch Museumsmitarbeiter als national wertvoll erachten, ist in der Regel mindestens 500 000 Euro wert“, sagt Sturm. Ein wichtiges Ziel der Novelle ist laut Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) der verbesserte Schutz von Kulturgütern, die von erheblichem „nationalen Wert“ sind. Vor diesem Hintergrund seien die Schwellen noch zu niedrig, kritisiert Sturm.

Vor der jüngsten Aufregung um die Novelle des Kulturgutschutzgesetzes hatte sich kaum jemand zu der Verordnung mit dem sperrigen Titel geäußert. Tatsächlich besteht eine Verordnung schon seit 1919. Sie soll verhindern, dass „national wertvolles Kulturgut“ ins Ausland gebracht wird. Jedes Bundesland führt deshalb Listen, seit 1955. Aktuell sind insgesamt 2493 Posten aufgeführt, vor allem Gemälde, Grafiken und Kunsthandwerk.

Bayern ist mit 730 Posten Spitzenreiter. Es folgen, mit großem Abstand, Berlin und Hessen – jeweils 310 Einträge. Auf die Liste der Bundeshauptstadt kamen zuletzt im Februar die 2014 erworbenen Reisetagebücher Alexander von Humboldts. Schlusslichter sind Sachsen mit zehn und das Saarland mit sieben Einträgen – wobei sich gerade in Sachsen deutlich mehr als zehn „national wertvolle“ Kulturgüter befinden dürften, allein schon in den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden. Auch deshalb werden die bisherigen Verzeichnisse oft als willkürlich kritisiert.

„Das mag tatsächlich nicht immer nachvollziehbar sein und deshalb erscheint mir eine Durchsicht der Listen sinnvoll“, sagt denn auch Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder. Die Listen werden von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich akribisch geführt, sagt Pfeiffer-Poensgen. „Das liegt daran, dass Werke bisher nur überprüft wurden, wenn jemand, etwa ein Museumsmitarbeiter, der jeweiligen Landesregierung einen Hinweis gab.“ Entscheidet sich die Regierung dafür, dem Tipp nachzugehen, gilt ein vorläufiges Ausfuhrverbot. Dann begutachtet eine Kommission und spricht eine Empfehlung aus, an die sich das Land meist hält. Die Novelle sieht allerdings vor, dass die gesamten Bestände staatlicher Museen zum „nationalen Kulturgut“ erklärt werden – womit Kunsthändler kein Problem haben dürften, denn Museumssammlungen sind dem Markt ohnehin entzogen.

In Brandenburg stehen – bislang jedenfalls – lediglich drei Werke der bildenden Kunst auf der Liste, alle drei stammen aus dem 18. Jahrhundert. Aus der Landespolitik heißt es, die Entscheidung sei immer im Einzelnen zu treffen und hänge auch davon ab, ob ein akuter Anlass bestehe, ein Werk vor der Ausfuhr zu schützen. Wenn das der Fall ist, treten die Expertenkommissionen auf den Plan. Wie die Aufnahme auf die Liste und damit die Unterschutzstellung im Einzelnen zu regeln wäre, will auch die Brandenburger SPD-Generalsekretärin und Landtagsabgeordnete Klara Geywitz wissen. In einer Kleinen Anfrage an das Land will sie etwa wissen, welche Landesbehörde für die Identifizierung und Unterschutzstellung „national wertvollen Kulturguts“ in Brandenburg zuständig ist und welche Kriterien dafür gelten.

Allgemein gilt bisher: Eigentümer haben das Recht, gegen die Eintragung als national wertvolles Kulturgut juristisch vorzugehen – falls sie sich die Option offenhalten wollen, ihren Besitz einmal ins Ausland zu überführen. „Wenn ein Kunstwerk schon in ein Landesverzeichnis aufgenommen ist, versuchen die meisten Besitzer erst gar nicht mehr, es auszuführen“, sagt Isabel Pfeiffer-Poensgen.

Mit den bisherigen Beschränkungen sei der Kunstmarkt noch einigermaßen zurechtgekommen, sagt Birgit Maria Sturm. Hin und wieder habe es aber Fälle gegeben, in denen Werke, weil sie nicht exportiert werden durften, nicht zum realistischen Marktwert verkauft werden konnten. Außerdem sei der bürokratische Aufwand für die Ausfuhranträge, der mit der geplanten Novelle zunehmen würde, nicht zu unterschätzen. Dies könnte am Ende allen schaden. „Künstler, die nicht auf dem internationalen Markt positioniert werden können, kommen auch nicht in die Museen.“ Das trifft gewiss zu – allerdings sind die Gegenwartskunst sowie Werke aus der jüngeren Vergangenheit von dem Gesetz gar nicht betroffen. Angie Pohlers

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