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Das Glockenspiel wurde im Vorjahr abgeschaltet.

© Andreas Klaer

Streit um Geläut der Garnisonkirche: Linke und Grüne wollen Glockenspiel einschmelzen

Im Vorjahr wurde das Glockenspiel der Garnisonkirche in Potsdam abgeschaltet - wegen als rechtslastig kritisierter Inschriften. Jetzt werden Forderungen laut, die Bronze einzuschmelzen. Dagegen gibt es Kritik.

Potsdam - Nach der politischen Sommerpause drängen die Fraktionen von Grünen und Linken auf eine endgültige Entscheidung zur Zukunft des knapp einem Jahr abgeschalteten Glockenspiels der Garnisonkirche. Die beiden Fraktionen haben nun in der Stadtverordnetenversammlung beantragt, dass „Glockenspiel einschmelzen zu lassen und die Bronze zu verkaufen“. Der Erlös solle dem Kulturhaushalt der Stadt, beispielsweise der Pflege der Kunst im öffentlichen Raum, „zu Gute kommen“, heißt es im Antrag. Erstmals beraten wird über den Vorstoß am Mittwoch in einer Woche. 

Das Anfang der 1990er-Jahre eigentlich für die Garnisonkirche gestiftete Glockenspiel an der Ecke Yorck-/ Dortustraße war im vergangenen September abgeschaltet worden, Grund war Kritik an seinen vielfach als revisionistisch und rechtslastig kritisierten Inschriften. Der von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und den Initiativen für den Wiederaufbau der Garnisonkirche gemeinsam getragene Schritt hatte unter anderem bei der Bürgerinitiative Mitteschön für erheblichen Unmut gesorgt. 

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Einige Glocken sind Truppenverbänden der Wehrmacht gewidmet

Vor Ort gab es in der Folge mehrere Protestaktionen, bei denen dutzende Teilnehmer gegen die Abschaltung sangen. Gleichwohl hatte der Chef des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Garnisonkirche, der Berliner Historiker Paul Nolte, dann im vergangenen November erklärt, das Carillon sei maximal noch als Museumsstück zu gebrauchen, denn es ist „aus heutiger Sicht historisch-politisch unzumutbar“. Im Sommer 2019 hatten zudem rund 100 teils namhafte Künstler, Wissenschaftler und Architekten in einem offenen Brief auf den problematischen Inhalt der Inschriften auf dem Geläut hingewiesen, das die „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ unter Ex-Oberstleutnant Max Klaar aufstellen ließ. 

So sind einige Glocken Truppenverbänden der Wehrmacht gewidmet. Trotz des Befunds von Nolte hatte OBSchubert darauf gedrungen, dass die Stadt eine eigene Untersuchung vornimmt – dafür war das Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) verpflichtet worden. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Im Antrag der Grünen und Linken heißt es allerdings dazu, angesichts des Nolte-Votums sei der „städtische Auftrag zur Untersuchung nicht mehr erforderlich“.  

Kritik aus der CDU

Aus der CDU kam bereits erste Kritik. Deren Fraktionschefs Götz Friederich und Anna Lüdcke nannten diesen Umgang mit der Vergangenheit falsch: „Das Potsdamer Glockenspiel sollte im Hinblick auf die historische Verantwortung diskutiert, wie es kontextualisiert als Mahnmal integriert werden kann.“ Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung darüber müsse lebendig gehalten werden: „Die Vergangenheit sollte man nicht wegschmelzen, sondern als Mahnung im Bewusstsein halten.“ Bemerkenswert: Die SPD-Fraktion, eigentlich Partner der Grünen und der Linken in der Rathauskooperation, ist kein Antragssteller. Aus der Fraktion hieß es gegenüber den PNN, man wolle noch über die Idee beraten.  

Unklar blieb am Montag, wie hoch die Erlöse durch das Einschmelzen tatsächlich sein könnten. Das Carillon besteht aus 40 Glocken, die größte wiegt 1900 Kilogramm. Für 1000 Kilogramm Bronzewerden auf dem Weltmarkt aktuell rund 7500 bis 8000 Euro gezahlt.

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