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Solche LNG-Tanker sollen bald auch vor Lubmin kreuzen.

© REUTERS

Streit um Gas-Spezialschiffe: Potsdamer Unternehmer verärgert über Vorgehen der Bundesregierung

Über Lubmin soll Ostdeutschland und Bayern schon im Winter mit Gas versorgt werden. Dafür will die private Betreiber-Firma auch an die Rohre von Nord Stream 2.

Potsdam - Für Stephan Knabe läuft alles nach Plan: „Noch 115 Tage, bis das erste LNG Lubmin erreicht“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende der „Deutsche Regas“ am Telefon. Der Steuerberater aus Potsdam will gemeinsam mit seinem alten Freund Ingo Wagner, einem Investmentbanker, in den turbulenten Gas-Markt einsteigen.

Seit Monaten arbeiten sie an ihrer Vision, ein Flüssigerdgas-Terminal im mecklenburg-vorpommerschen Lubmin zu installieren. Eines von weltweit 48 FSRU-Spezialschiffen zur Regasifizierung des LNG haben sie sich gesichert, Verträge mit dem Hafen geschlossen, erste Genehmigungsanträge eingereicht.

Gelingt ihr Plan, könnten sie Ostdeutschland bis Bayern noch in diesem Winter mit Gas versorgen. Doch ausgerechnet auf die Bundesregierung, die händeringend nach neuen Gas-Lieferanten jenseits von Russland sucht, ist Knabe nicht gut zu sprechen.

„Ich wundere mich, dass die Regierung uns bei der Vergabe der staatlich finanzierten FSRU-Schiffe nicht wenigstens gefragt hat“, sagt Knabe. Für rund drei Milliarden Euro hat sich die Bundesregierung vier der Spezialschiffe für etwa zehn Jahre gesichert. Die stellt sie den Betreibern der LNG-Terminals zur Verfügung – ein ungewöhnliches Konstrukt, wie auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagt.

Doch so soll keine Zeit verloren gehen. In Wilhelmshaven mit Uniper als Betreiber und Brunsbüttel mit Gasunie sollen noch in diesem Jahr LNG-Terminals entstehen, in Stade (Hanseatic Energy Hub) und Lubmin (RWE) im kommenden Jahr.

Die Pläne von RWE in Lubmin sind noch nicht spruchreif

Knabes „Deutsche Regas“ mit nur rund 20 Mitarbeitern hatte als einziges Unternehmen ein eigenes FSRU-Schiff beschafft – und hätte nun gerne ein zweites: „Wir haben uns sofort nach Bekanntgabe des Liegeortes Lubmin für das vierte Bundesschiff darum beworben. Hier werden private Betreiber ungleich behandelt“, kritisiert Knabe.

Er hält zudem die Pläne der Konkurrenz für unausgereift: „RWE und Stena haben meines Wissens bislang kein fertiges Konzept veröffentlicht, wie sie das Schiff vor Lubmin zum Einsatz bringen wollen.“ Tatsächlich äußert sich RWE auf Anfrage zurückhaltend. „Gemeinsam mit der Bundesregierung befinden wir uns in guten Gesprächen mit dem Ziel, ein schwimmendes LNG-Terminal vor Lubmin zu errichten“, sagt ein Sprecher. Details könne er nicht nennen.

Stephan Knabe will den Gas-Markt aufmischen.
Stephan Knabe will den Gas-Markt aufmischen.

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Auch im Wirtschaftsministerium hält man sich bedeckt: „Zum FSRU in Lubmin sind wir noch in Gesprächen zur Umsetzung, das betrifft auch mögliche Betreiber“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Offenbar war die Vergabe der vier LNG-Standorte unter großem Druck erfolgt - in Lubmin gibt es noch zahlreiche offene Fragen.

Denn der Standort birgt einige Hürden. Der Bodden vor dem Hafen ist zu flach, als dass schwere LNG-Tanker einfahren könnten. Die „Deutsche Regas“ will daher mit kleinen Shuttle-Schiffen das Flüssigerdgas in den Hafen bringen. Dort ist aber nur Platz für ein FSRU-Schiff. Das der Bundesregierung müsste rund 20 Kilometer vor der Küste befestigt und mit einer Pipeline angeschlossen werden.

Regierung fürchtet die Reaktion aus dem Kreml

Ein sensibler Eingriff in das Ökosystem des Nationalparks. Zudem ist der Platz beschränkt, weil bereits die beiden Pipelines Nord Stream 1 und 2, sowie viele Unterstromkabel der aktuellen und zukünftigen Offshore-Windparks auf dem Meeresboden liegen.

Stephan Knabe geht daher in die Offensive und bekundet Interesse an dem FSRU-Schiff, das die Bundesregierung „frühestens Ende 2023“ in Lubmin in Betrieb nehmen möchte. „Wir könnten das Schiff sofort als LNG-Lager einsetzen und es in einem zweiten Schritt als weiteres Terminal anschließen. So würden die Steuergelder effizient genutzt“, sagt Knabe. Der Unternehmer verfolgt dabei eine riskante Strategie. Er will das FSRU-Schiff direkt an die ungenutzten Rohre der Nord Stream 2 andocken. „Es geht schnell und bringt viel Gas nach Deutschland.“

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Aus dem Wirtschaftsministerium erhält Knabe aber eine Absage: „Die Nord Stream 2 ist nicht zertifiziert und damit nicht genehmigt, insofern stellt sich die Frage für uns nicht“, sagt eine Sprecherin. In der Regierung fürchtet man die Reaktion des Kremls, sollte man die russischen Rohre de facto enteignen. In Moskau würde dies wohl als Provokation verstanden und böte einen Vorwand, auch die letzten Gas-Lieferungen über Nord Stream 1 einzustellen.

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