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Die Potsdamer Freundschaftsinsel ist einer der wenigen Treffpunkte.

© Andreas Klaer

Sozialarbeiter mahnen: In Potsdam fehlen Treffpunkte für Jugendliche

Die Streetworker von Wildwuchs sind Ansprechpartner für Potsdams Jugend. Doch es fehle an Treffpunkten, sagen die Sozialarbeiter.

Manchmal beginnt das Gespräch mit einem Ball. Oder mit einer Pumpe, um einen platten Ball wieder prall zu machen. Über Sport oder andere Freizeitangebote im Freien finden die Streetworker von Wildwuchs Zugang zu den Jugendlichen. „Wir gehen zu den Plätzen, an denen sich Jugendliche draußen aufhalten, Sportplätze, Spielplätze oder andere öffentliche Plätze“, erklärt Olaf Caesar. Der Sozialpädagoge leitet Wildwuchs Streetwork, Träger ist die Stiftung SPI. „Dort kommen wir ins Gespräch über die Themen, die die Jugendlichen beschäftigen“, sagt er. Dabei kann es um die Freizeit gehen, um die Schule, um die Beziehung zu den Eltern, um Alkohol oder Drogen.

Treffpunkte fehlen

In den vergangenen Wochen wurde auch die Rolle der Sozialarbeit beim Thema Sicherheit am Potsdamer Hauptbahnhof und auf der Freundschaftsinsel diskutiert. Auch Wildwuchs hatte an der von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) anberaumten Sicherheitskonferenz teilgenommen. Caesar sieht das Gebiet aber nicht als Hauptschwerpunkt seiner oder seiner Kollegen Arbeit an. Ja, es gebe dort Probleme, aber eher punktuell, sagt er. Einen Anstieg habe er nicht beobachtet. Manche Jugendliche seien sich zum Beispiel nicht bewusst, dass sie allein durch ihre Lautstärke andere stören, das könne zu Konflikten führen. „Es ist aber an sich nichts Ungewöhnliches, dass sich dort viele Leute treffen“, sagt Ceasar. Der Ort sei zentral, gut zu erreichen – und gerade im Winter seien die Bahnhofspassagen einer der wenigen warmen und kostenlosen Aufenthaltsorte. „Es fehlt definitiv an Treffpunkten, eine Tee- oder Wärmestube könnte Entspannung bringen“, meint er.

Das Problem fehlender Räume sieht Ceasar aber nicht nur in der Innenstadt. „Auch in den Neubauvierteln sollten Orte mitgedacht werden, an denen sich Jugendliche aufhalten können“, fordert er. Dabei gehe es nicht nur um Jugendclubs, sondern eben auch um öffentliche Plätze. „Im Kirchsteigfeld gibt es das kaum – deshalb trifft sich dort auch keiner“, sagt er. „Es macht mir große Sorge, dass die Orte für die Jugend bei der Stadtentwicklung auf der Strecke bleiben.“

Immer zu zweit unterwegs

Die bestehenden Orte kennen die Streetworker aus ihrer täglichen Arbeit. Die Straßensozialarbeiter sind immer zu zweit unterwegs, mit einem blauen Minibus oder einem Auto. Zielgruppe sind Jugendliche und junge Erwachsene, die einen großen Teil ihrer Freizeit im öffentlichen Raum verbringen. Rund 2000 Kontakte habe man im Jahr. Gerade ist gewissermaßen Hauptsaison: In der warmen Jahreszeit halten sich naturgemäß mehr Jugendliche draußen auf. Jede Woche fahren die insgesamt fünf Straßensozialarbeiter von Wildwuchs eine bestimmte Tour ab – so wissen die Gruppen, wann die Streetworker kommen. „So lernen wir die Gruppen und ihre Dynamik kennen, bauen ein Vertrauensverhältnis auf und die Jugendlichen öffnen sich uns gegenüber“, erklärt Caesar.

Die unterschiedlichen Viertel werden besucht. Besonders viele junge Menschen treffen die Wildwuchs-Mitarbeiter dort, wo die Wohnungen klein und beengt sind, etwa in den Plattenbaugebieten. Typische Treffpunkte sind der Schulcampus Am Stern, der Skatepark und Sportplatz am Bahnhof Rehbrücke, der Bassinplatz oder die Halfpipe in der Slatan-Dudow-Straße in Drewitz. Dort zeige sich auch immer wieder ein typisches Problem, berichtet Marten Wolter, auch er Straßensozialarbeiter. Direkt nebenan ist ein Spielplatz – das biete Konfliktpotenzial. Kinder klettern auf der Skatefläche herum, die Jugendlichen hängen auf den Spielplatz ab. „Das ist weder für Eltern mit ihren kleinen Kindern noch für die Jugendlichen angenehm“, sagt Wolter. So etwas solle mitbedacht werden, dann könne man bestimmte Probleme von Anfang an vermeiden.

Ansprechpartner für Konflikte im Alltag

Die Streetworker wollen vor allem Ansprechpartner sein – für Konflikte des Alltags, aber auch für komplexere Probleme. Dafür können die Jugendlichen auch zur Einzelberatung in die Geschäftsstelle von Wildwuchs in die Mauerstraße kommen. „Wir sehen uns als Wegweiser im Hilfesystem“, so Caesar. Bei Bedarf begleiten er oder seine Kollegen die jungen Leute zum Arbeitsamt, vermitteln Ansprechpartner im Fall einer Sucht oder unterstützen bei der Wohnungssuche. Finanziert wird Wildwuchs von der Stadt, mit 300 000 bis 350 000 Euro pro Jahr. Wichtiges Thema bei vielen Jugendlichen seien Alkohol und Cannabis. „Das ist beides weit verbreitet, zumindest haben viele schon einmal Erfahrung damit gesammelt“, sagt Caesar.

Aufklärung über Mischkonsum

Hier zeigt sich auch der Ansatz von Wildwuchs: „Es geht uns nicht darum, mit dem erhobenen Zeigefinger zu kommen“, erläutert Wolter. „Aber wir wollen auch nicht zum Konsum ermutigen.“ Die Streetworker hätten eine akzeptierende, aber zugleich kritische Haltung. 

„Im Gespräch hinterfragen wir mit den Jugendlichen gemeinsam ihr Verhalten, schauen, wie kritisch sie selbst damit umgehen“ so Wolter. Er und seine Kollegen sprächen auch darüber, wie sich das Verhalten auch anderen gegenüber durch den Konsum ändere. Man kläre über die Gefahren von Mischkonsum auf. Wolter betont, man versuche, „die Reflexion über das eigene Verhalten bei den Jugendlichen zu fördern“.

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