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Museumschefin und Kuratorin Ortrud Westheider erarbeitet das Konzept mit einer Spezialsoftware am Rechner (links) - auf dem rechten Bildschirm die 360-Grad-Ausstellung von der Webseite.

© Andreas Klaer

Serie | Barberini - die Kunst hinter der Kunst: Wie konzipiert man eine Ausstellung?

Im Museum Barberini läuft der Umbau zur Schau "Impressionismus in Russland". Die PNN stellen Menschen vor, die daran beteiligt sind. Teil 1: Kuratorin und Museumschefin Ortrud Westheider.

Potsdam - Wenn der Umbau im Museum beginnt, ist die konzeptionelle Arbeit der Kuratoren erledigt. Im Fall der Ausstellung zum Impressionismus in Russland gilt das umso mehr: Die Schau hing im Herbst 2020 bereits im Museum Barberini – doch kein Besucher konnte sie im Original sehen. Wenige Tage vor der geplanten Eröffnung Anfang November begann der Corona-Lockdown. Wenn Ortrud Westheider, Direktorin des Museums und gemeinsam mit Alla Chilova die Kuratorin der Ausstellung, sie jetzt ein zweites Mal für die Eröffnung vorbereitet, dann ist das ein großer Glücksfall. 

Dank eines Ausstellungs-Ringtausches wurde noch einmal Platz für die Russen geschaffen – und sämtliche Leihgeber, allen voran die Staatliche Tretjakow-Galerie in Moskau, die 70 der 80 Werke beisteuert, willigten in den neuen Termin ein. Weil die russischen Kunstwerke nun bis Januar 2022 und damit mehr als ein Jahr außer Landes weilen – zwischen den Potsdam-Visiten waren sie im Museum Frieder Burda in Baden-Baden, dem Kooperationspartner für die Schau, zu sehen – musste aus zollrechtlichen Gründen auch das russische Kulturministerium zustimmen, erzählt Ortrud Westheider. Alles gelang.

Museumschefin und Kuratorin Ortrud Westheider ist glücklich, dass die Ausstellung ein zweites Mal in Potsdam gezeigt werden kann - diesmal mit Publikum.
Museumschefin und Kuratorin Ortrud Westheider ist glücklich, dass die Ausstellung ein zweites Mal in Potsdam gezeigt werden kann - diesmal mit Publikum.

© Andreas Klaer

Die Russen gastieren doppelt in Potsdam - eine Premiere

Auch für Ortrud Westheider ist das eine Premiere: Dass eine Ausstellung ein zweites Mal am selben Ort zur Aufführung kommt. Verändert wurde fast nichts. Im Lelbachsaal sei eine Wand ein Stück nach hinten versetzt worden, berichtet sie, ein länger geplantes Vorhaben, für das jetzt Zeit war: „Nun erscheinen die Proportionen des Raumes anders.“ An der Hängung der Bilder ändert sich nichts. Katalog, Wandtexte, die Audiotour in der App und andere digitale Angebote können 1:1 genutzt werden. Selbst die Faltblätter werden wiederverwertet – bestempelt mit dem neuen Datum.

Konzipiert wurde die Ausstellung digital, auch das ein Novum. Während das Barberini nach der Eröffnung 2017 noch mit einem Modell im Maßstab 1:50 arbeitete, kommt seit 2019 eine Visualisierungssoftware namens cura3D zum Einsatz, in der die Bilder per Mausklick an Wände gehängt, Rahmen oder Wandfarben verändert, Wände eingezogen und Vitrinen positioniert werden können. Die Museumsräume sind dafür komplett eingescannt worden. „Das ist eine der ersten Ausstellungen, die wir damit vollständig geplant haben“, erklärt die Direktorin. „Heute brauchen wir eigentlich nur noch einen Rechner und ein Telefon - und die wissenschaftliche Literatur natürlich“, sagt sie über ihre Arbeit als Kuratorin und lächelt.

Ortrud Westheider (rechts) mit ihrer wissenschaftlichen Volontärin Helene von Saldern.
Ortrud Westheider (rechts) mit ihrer wissenschaftlichen Volontärin Helene von Saldern.

© Andreas Klaer

Erste Ausstellung in Westeuropa über Verbindung zwischen der russischen Avantgarde und Impressionismus

Ganz so einfach ist es freilich nicht. Den ersten Anstoß für die Schau bekam Ortrud Westheider schon vor fünf Jahren – von ihrer Co-Kuratorin Alla Chilova, die auf russische Kunst spezialisiert ist und die sie von früheren Projekten an der Hamburger Kunsthalle kannte. „Als ich 2016 nach Potsdam ging, erzählte mir Alla, dass die russischen Avantgarde-Künstler wie Natalja Gontscharowa, Michail Larionow und Kazimir Malewitsch sich vom französischen Impressionismus inspirieren ließen“, sagt Ortrud Westheider: „Das war mir völlig neu. Ich konnte mich nicht entsinnen, darüber irgendwann schon einmal etwas gelesen zu haben.“ Weil sie am Barberini ein Zentrum zur Erforschung des französischen Impressionismus in Europa aufbauen sollte, ging sie der Spur nach.

Über die Verbindungen zwischen der russischen Avantgarde und dem französischen Impressionismus hatte es in Westeuropa tatsächlich noch keine große Ausstellung gegeben, stellte sich heraus. In der früheren Sowjetunion war das Thema sogar lange Zeit ein Politikum: „In den 1930er und 40er Jahren durfte der Begriff Impressionismus nicht für russische Kunst gebraucht werden. Ein Einfluss aus dem Westen war nicht gewollt“, sagt Ortrud Westheider.

Beim Symposium geht es um den Austausch mit der Forschung zu den aktuellsten Erkenntnissen

2017 besucht Westheider gemeinsam mit Alla Chilova die Tretjakow-Galerie in Moskau. Bei einem Rundgang durch die ständige Ausstellung und das Depot lassen sie sich die in Frage kommenden Gemälde zeigen. 2018 wird die Liste der Leihgaben vertraglich verhandelt. Neben der Tretjakow-Galerie wurden weitere Leihgeber gefunden, darunter das Stedelijk-Museum in Amsterdam. Im November 2019 sind Fachkolleg*innen zum Symposium nach Potsdam eingeladen, auch die russischen Kollegen kommen zum Gegenbesuch. Die wissenschaftlichen Vorträge mit ihren thematischen Schwerpunkten bilden die Grundlage für das Ausstellungskonzept und den Katalog.

Was soll die Ausstellung erzählen - und wie passt das in die Räume?

Wie entscheidet man, wo welches Gemälde hängt? „Wir überlegen uns, wie die Folge der Räume unsere Erzählung unterstützt und wie die neuen Forschungsergebnisse sich beim Besuch der Ausstellung vermitteln“, erklärt Ortrud Westheider. Mit dem Computerprogramm und den Fotos der Werke aus dem Depot können verschiedene Ideen direkt ausprobiert werden – die Visualisierung gibt einen direkten Raumeindruck. „Wir können damit so genau planen, dass es selten Überraschungen gibt“, sagt Ortrud Westheider. Das herkömmliche maßstabsgetreue Modell komme in Einzelfällen aber immer noch zum Einsatz, etwa, wenn es um ungewöhnlich große Formate geht.

Links die Spezialsoftware cura3D, rechts die 360-Grad-Ausstellung auf der Webseite des Museums.
Links die Spezialsoftware cura3D, rechts die 360-Grad-Ausstellung auf der Webseite des Museums.

© Andreas Klaer

Ortrud Westheider hofft nun für den zweiten Anlauf mit den Russen auf niedrige Inzidenzen und viele Besucherinnen und Besucher. „Es gibt in der im Museum Barberini beheimateten Sammlung Hasso Plattner viele Werke von Monet, Morisot, Caillebotte, und Renoir, die zeigen, was die russischen Künstler faszinierte“, sagt sie „So können sich unsere Besucher selbst auf die Spurensuche begeben.“

Das Museum Barberini ist Potsdams meistbesuchte Kultureinrichtung. Mit hochkarätigen Ausstellungen zieht es ein Publikum aus der ganzen Republik und darüber hinaus an. Aber welche konzeptionellen, handwerklichen und logistischen Herausforderungen sind für die Vorbereitung einer Schau eigentlich zu bewältigen? Die PNN begleiten den Umbau für die Ausstellung „Impressionismus in Russland. Aufbruch zur Avantgarde“ und stellen die Menschen vor, die daran beteiligt sind – ein Einblick in die Kunst hinter der Kunst.

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