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Zu Beginn der Probe tanzen die Mitglieder der Senioren-Theatergruppe.

© Andreas Klaer

Seniorentheater: Zehn Jahre und kein bisschen leiser

Tanzen, texten, kritisieren, einmischen: Im Jubiläumsjahr führen die Mitglieder der Potsdamer Theaterschatulle ein Stück über ihre Stadt auf.

Potsdam - Am Anfang ein Tanz. Die Frauen und Männer stellen sich im Kreis auf, fassen sich an den Händen, Musik beginnt und dann das Laufen. Komplizierte Fußarbeit, Steffen Findeisen, Bewegungstrainer und Choreograph, zählt hilfsweise mit. „Rechts, vor-seit, rück-seit, acht und Pause.“ Sie stampfen, wiegen sich im Rhythmus, jauchzen. Bis die Musik endet.

Gründerin Sabine Mohr (o.l.) gibt die Leitung der Gruppe im Januar an den freien Schauspieler Steffen Findeisen (o. r.) ab. 
Gründerin Sabine Mohr (o.l.) gibt die Leitung der Gruppe im Januar an den freien Schauspieler Steffen Findeisen (o. r.) ab. 

© Andreas Klaer

„So, jetzt seid ihr warm“, sagt Sabine Mohr. Die freiberufliche Theaterpädagogin leitet das Potsdamer Seniorentheater und war vor zehn Jahren auch Gründerin der „Theaterschatulle“. Jeden Montagvormittag treffen sich um die 15 Senioren im Saal im Stadtteilzentrum „Oskar“ in Drewitz. Jedes Jahr wird ein neues Stück entwickelt. Das diesjährige heißt „Orte erzählen Geschichten“ und funktioniert wie ein Bilderbuch. In mehreren kurzen Szenen sprechen die Spieler über bestimmte Orte der Stadt, über die Erinnerungen, die sie damit verbinden und wie sie die Orte heute erleben. Zum Bühnenbild gehören auch Fotos, Videos und Musik. Techniker David Müller sitzt am Pult und spielt alles ein.

Es gibt auch Mitglieder Mitte 30

Mohr kam 2009 aus Bayern nach Potsdam und vermisste eine Theatergruppe für Senioren. „In Bayern gab es sowas.“ Also musste sie selber aktiv werden. Sie verteilte Handzettel in Briefkästen und inserierte in Mieterzeitschriften. Mit sechs bis acht Mitgliedern ging es schließlich los, sie trafen sich im Friedrich-Reinsch-Haus im Schlaatz. Dann sprach es sich rum und die Gruppe wuchs. Viele sind von Anfang an dabei, manche seit wenigen Jahren. Unter ihnen sind Potsdamer und Zugezogene – eine gute Mischung, finden sie. Ein fortgeschrittenes Alter ist keine Bedingung, sie hatten auch schon Mitglieder Mitte 30, sagt Mohr. Aber die Probenzeit wurde extra auf einen Vormittag gelegt, damit sie im Winter nicht im Dunkeln unterwegs sein müssen.

Steffen Findeisen, freiberuflicher Schauspieler mit Schwerpunkt Pantomime und Maskenspiel, bot ihnen vor einem Jahr einen Workshop an und ist nun regelmäßig dabei. „Ich schaue auf die Bewegungsarbeit der Schauspieler“, sagt Findeisen. Wenn Ende des Jahres Sabine Mohr in den Ruhestand geht, wird er zudem die Leitung der Gruppe übernehmen.

Es gibt zu wenig Männer in der Gruppe

Neben ihm sind noch zwei Männer in der Gruppe. Einer ist Christian Elsner, gelernter Bauschlosser. Seit 1980, sagt er, hat er immer in irgendeiner Laiengruppe mitgespielt. „Gemeinsam tanzen, erzählen und auch ein bisschen Sport, das macht eben einfach Spaß“, sagt er. Sie könnten mehr Männer gebrauchen, bis dahin behelfen sie sich, indem Frauen Männerrollen spielen.

Neben dem Spiel ist es die Gemeinschaft, die sie schätzen. Jeder bringt einen anderen Hintergrund mit, andere Talente. „Hier kommen starke und sehr unterschiedliche Persönlichkeiten zusammen“, sagt Monika Herrmann. „Wir lernen, uns damit auseinanderzusetzen. Dabei entsteht etwas Gemeinsames – und das finde ich schön.“

Die Stadt und die Pro Potsdam fördern das Projekt, außerdem erhalten sie Lottomittel, für Honorare, Musikinstrumente, Werbung und andere Nebenkosten. Der Verein Soziale Stadt stellt den Probenraum mietfrei zur Verfügung. Im Gegenzug tragen sie zur Gestaltung von Stadtteilfesten und anderen Anlässen bei. „Es ist viel Arbeit, wir würden uns über Helfer hinter der Bühne freuen“, sagt Mohr.

Rosel Zetzsche in Aktion.
Rosel Zetzsche in Aktion.

© Andreas Klaer

Die Bühne gehört jetzt erstmal Rosel Zetzsche. Erste Szene des neuen Stücks: Zetzsche kommt von der Seite mit dem Rad angefahren und meckert erstmal über die vielen Baustellen und die volle Stadt. Dann breitet sie auf der Freundschaftsinsel eine Picknickdecke aus und trifft zwei Freundinnen – aus Berlin. Denen muss sie erstmal erklären, wer Karl Foerster war. Die „Berliner“ schwärmen von der schönen Insel und rezitieren Ringelnatz: „Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß“.

Neues Stück mit kritischem Blick auf Potsdam

Zetzsche war selbst fremd in Potsdam, als sie vor 40 Jahren aus Sachsen-Anhalt kam. Wie es ihr erging und was ihr die Stadt bedeutet, hat sie in den Insel-Text gelegt. So kam, Stück für Stück, das Script zusammen. Ein liebevoller, ehrlicher aber auch kritischer Blick auf Potsdam. Im Stück geht es auch zum Bahnhof Pirschheide und in die Großbeerenstraße. „Wo waren die Bordsteinschwalben?“ heißt es dazu im Programmflyer. Aber auch die Freitagsdemos und steigende Mieten sind Themen im Stück. „Wir renitenten Alten haben eine Meinung und die drücken wir aus“, sagt Mohr.

Nach der Probe gibt es Manöverkritik, und eine Auswertung der Premiere vom Wochenende. Jemand reicht einen Teller mit Schmalzbroten herum. Theaterspielen ist auch gut gegen Einsamkeit, sagt Findeisen. Und da gehören auch mal Stullen oder Plätzchen dazu.

Nächste Aufführungen am Samstag, dem 30. November, um 19 Uhr im Friedrich-Reinsch-Haus, Milanhorst 9, und am 6. Dezember um 15 Uhr in der Seniorenresidenz Auf dem Kiewitt 39. Der Eintritt ist jeweils frei

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