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Das OSZ in der Jägerallee soll Standort für eine neue Gesamtschule werden. Oder doch nicht?

© Andreas Klaer

Schulstreit in Potsdam: Ex-Rathauschef geißelt OSZ-Filetierung

Jann Jakobs redet der SPD ins Gewissen und spricht von einer opportunistischen Entscheidung. Zugleich wächst auch in der besonders betroffenen Fontane-Schule der Widerstand gegen die Pläne.

Potsdam - Eigentlich wollte sich der frühere Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs nicht zu tagesaktuellen politischen Ereignissen und Entscheidungen unter seinem Nachfolger Mike Schubert (beide SPD) äußern. Doch zur geplanten Filetierung des Oberstufenzentrums (OSZ) I kann der ehemalige Rathauschef nicht schweigen. Auf PNN-Anfrage sagte Jakobs, hier werde „ohne Not“ ein wichtiger Standort für die berufliche Bildung infrage gestellt. Er verstehe auch nicht, warum gerade die SPD die anhaltende Kritik aus der regionalen Wirtschaft an der OSZ-Aufspaltung nicht ernst nehme, sagte Jakobs.  

Gerade von Sozialdemokraten, aber auch von den Linken erwarte er, dass man in diesen Parteien der beruflichen Bildung einen anderen Stellenwert beimesse – nicht nur, weil unter anderem im Handwerk händeringend nach Auszubildenden gesucht werde. Sondern auch, weil es hier um potenzielles Wählerklientel gehe, „über dessen Interessen hinweg gehandelt wird“, erklärte der frühere Oberbürgermeister, der von 2002 bis 2019 die Stadt regiert hatte. 

Jann Jakobs, ehemaliger Oberbürgermeister von Potsdam.
Jann Jakobs, ehemaliger Oberbürgermeister von Potsdam.

© Andreas Klaer

OSZ soll an drei Standorte verlegt werden 

Wie berichtet soll das Oberstufenzentrum I für Technikberufe in der Jägerallee ab dem nächsten Jahr nach und nach an drei verschiedene Standorte in der Stadt verlegt werden. Das war beschlossen worden, um einen langen Streit in der rot-grün-roten Rathauskooperation um ein dringend benötigtes neues Gymnasium in Norden zu befrieden, wogegen sich vor allem Linke und Grüne lange gesperrt hatten. Der dann kurzfristig auch unter Vermittlung von Schubert beschlossene Kompromiss: Das Gymnasium bekommt einen Neubau an der Pappelallee und wird an der Esplanade vorgegründet, den OSZ-Standort aber erhält die Gesamtschule „Am Schloss“. 

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Dieser Schule hatte man in den Jahren zuvor den nun gymnasialen Standort an der Pappelallee versprochen – dann aber hatte Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) den Plan entwickelt, die Schloss-Schule in Krampnitz mit einem Neubau zu bedenken. Dagegen gab es großen Widerstand von der Gesamtschule. Mit der OSZ-Lösung konnte dieser Protest aufgelöst werden – mit dem Ergebnis neuer Kritik von vielen anderen Seiten.
Ex-Rathauschef Jakobs nannte es bedenklich, dass die Stadtpolitik eine derart „opportunistische“ Entscheidung wähle, um den Streit zu Gesamtschulen und Gymnasien zu lösen. 

Er bedauere, dass mit dieser Entscheidung auch die jahrelange Arbeit im OSZ, auch in Bezug auf dort angesiedelte Integrationsklassen, geringgeschätzt werde, sagte Jakobs, der auch Ehrenvorsitzender des Bildungsfördervereins ProWissen ist. 

Landesverband der Berufsschullehrer übt Kritik 

Erneute Kritik kommt auch vom Landesverband der Berufsschullehrer. Dessen Vorsitzender Thomas Pehle verwies zum wiederholten Mal auf den erst im September unterschriebenen Ausbildungskonsens zwischen Landesregierung und lokaler Wirtschaft zum Erhalt aller Oberstufenzentren im Land. „Hier darf kein Vertrauen verspielt werden“, warnte Pehle.  

Allerdings gibt es noch Änderungsmöglichkeiten, wenn auch die Chancen angesichts der rot-grün-roten Mehrheit im Stadtparlament gering scheinen. Erst vergangene Woche war die CDU mit einem Antrag gescheitert, an dem OSZ nicht die besagte Gesamtschule, sondern übergangsweise ein neues und eben auch kleineres Gymnasium anzusiedeln und so die OSZ-Aufteilung zunächst für Jahre zu vermeiden.  

CDU-Fraktionschef Matthias Finken kritisierte dabei, mit den Umzugsplänen sei ein bildungspolitisches Raum-„Harakiri“ entstanden, das nicht aufzulösen sei. So hatte die Stadtpolitik sich zugleich festgelegt, dass alle Ausbildungsgänge des OSZ in Potsdam erhalten bleiben müssen – und nicht in andere Oberstufenzentren ins Umland verlagert werden dürfen. 

Frust bei Eltern und Schülern ist groß 

So soll ein Teil der Berufsschule zeitweise in die als Brennpunkteinrichtung geltende Fontane-Oberschule in der Waldstadt verlegt werden. Das sorgt dort noch immer für Empörung. Am Montag ist eine Sondersitzung der Schulkonferenz geplant, dem höchsten Gremium der Schule. Eine der beiden Schulelternsprecherinnen, Stephanie Rösner, sagte den PNN auf Anfrage, vor dem Bildungsausschuss am 16. November werde man gegen die Pläne demonstrieren. 

Die Frustration und der Ärger über die Pläne sowie die Art der Umsetzung seien bei Eltern und Schülern hoch. „Wir wurden in diesem Prozess vollkommen außen vor gelassen“, sagte Rösner. Kinder und Lehrer der Schule müssten nun mit den Konsequenzen derartiger Fremdentscheidungen leben. Dagegen wolle man vorgehen, so Rösner: „Unser Widerstand und Kampfgeist ist ungebrochen.“ 

Auch Schulleiterin Janine Söffner hatte bereits im Bildungsausschuss erklärt, mit weniger Räumen verliere die Schule ihre Arbeitsfähigkeit. Manche Klassen würden wegen des hohen Anteils an Kindern mit Migrationshintergrund bis zu vier Räume pro Stunde benötigen, um etwa bei Bedarf mit manchen separat Deutsch zu üben, hatte auch der dort tätige Schulsozialarbeiter Rene Kulke berichtet. Auf PNN-Anfrage sagte Söffner nun: „Wir hoffen noch, dass sich unsere Argumente durchsetzen.“ Auch aus dem für Potsdam zuständigen Schulamt hatte es Kritik an dem Plan für die Fontane-Schule gegeben.

Nicht genügend Plätze in den weiterführenden Schulen 

Weniger klar äußert sich das Landesbildungsministerium zur OSZ-Zerschlagung generell. Fakt sei, dass Potsdam derzeit keine ausreichenden Schulplätze in den weiterführenden Schulen habe, sagte Ministeriumssprecherin Antje Grabley auf Anfrage. Im beruflichen Bereich seien die Schülerzahlen dagegen rückläufig, nicht nur am OSZ I. „Wurden dort vor 15 Jahren noch mehr als 1700 Schülerinnen und Schüler beschult, sind es heute nur noch rund 1000.“ 

Die Stadt Potsdam müsse die Kapazitäten in den vorhandenen Schulgebäuden nutzen. Dafür sei man mit dem Schulamt und der Stadtverwaltung in Beratungen, so Grabley. Wie berichtet hatte das dem Ministerium untergeordneten Schulamt für das OSZ vorgeschlagen, dass dort parallel das neue Gymnasium für den Norden entstehen könnte – woraus Potsdams Stadtpolitiker dann ableiteten, dass dort auch die deutlich größere Gesamtschule einziehen könnte. 

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