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Mit Plastikstühlen weist die Stiftung auf bemerkenswerte Ereignisse hin - wie hier im Grottensaal des Neuen Palais'.

© Sebastian Rost

Schlösserstiftung arbeitet Kolonialismus auf: "Mohrenrondell" erhält alten Namen zurück

Die Schlösserstiftung will die Geschichte der Schlösser zur NS-Zeit wissenschaftlich aufarbeiten. Außerdem startet sie ein Projekt zum Erbe des Kolonialismus - und hat bereits eine erstaunliche Entdeckung gemacht.

Potsdam - Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten will mit zwei Projekten die Geschichte der Schlösser in der Zeit des Nationalsozialismus und das Erbe des Kolonialismus näher beleuchten. Das Forschungsprojekt zur NS-Zeit soll noch in diesem Jahr beginnen, wie Stiftungssprecher Frank Kallensee den PNN sagte. Beim Thema Kolonialismus sind die Vorarbeiten bereits im Gange. Derzeit werde eine Liste des betroffenen Bestandes erstellt. Noch in diesem Jahr soll außerdem eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die sich mit dem Thema kontinuierlich beschäftigen wird, erklärte Kallensee.

Der Name wird erst nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet

Das erste Projekt widmet sich dem vermeintlichen "Mohrenrondell": Das soll umbenannt werden und seinen alten Namen zurückerhalten, wie die "Märkische Allgemeine" zuerst berichtete. Tatsächlich gab es bei der Auseinandersetzung mit dem Skulpturenrondell bereits eine Überraschung für die Stiftungsmitarbeiter, wie Kallensee den PNN sagte: Man sei immer davon ausgegangen, dass es sich bei "Mohrenrondell" um einen historischen Namen handele. Ein Blick in die Unterlagen und ältere Parkkarten habe aber gezeigt, dass der Name dort erst nach dem Zweiten Weltkrieg auftaucht. "Das ist ein sehr junger Name", sagt Kallensee. In früheren Parkplänen heißt das Skulpturenensemble schlicht "Erstes Rondell" - wohl, weil es das erste Rondell auf der Hauptallee von Sanssouci ist. Dieser ursprüngliche Name soll nun wieder genutzt werden.

Außerdem sollen Spaziergänger mit Beginn der kommenden Saison vor Ort mehr über die Geschichte des Namens und den kolonialistischen Hintergrund erfahren können. In welcher Form dieses "Angebot der Kommentierung und Erklärung" passieren wird - etwa als Schild vor Ort oder mit einem Online-Angebot - sei noch offen, sagte Kallensee. Die Initiative für das Kolonialismus-Projekt sei vor dem Hintergrund der derzeit weltweit geführten Debatte um Rassismus entstanden.

Arbeitsgruppe und Stadtverordneter hatten Debatte vorangetrieben

Der Name des Rondells hatte indes bereits vor einigen Jahren in Potsdam für Diskussionen gesorgt. Im Zuge der Rassismus-Debatte um die "Zwarten Pieten" beim Sinterklaasfest im Holländischen Viertel und mit Verweis auf das Potsdamer Toleranzedikt hatte der Stadtverordnete Andreas Menzel (BVB/Freie Wähler), damals noch bei den Grünen, den Namen des Rondells in der Fragestunde der Stadtverordnetenversammlung zur Sprache gebracht. Mit Spuren der kolonialistischen Vergangenheit Preußens im heutigen Potsdams beschäftigt sich seit längerem auch die an der Uni Potsdam entstandene Arbeitsgruppe Postcolonial Potsdam, die erst vor kurzem auch einen kostenlosen Audio-Stadtführer zu verschiedenen Orten - darunter auch das fragliche Rondell - vorgestellt hat. Die Gruppe hat auch kritische Stimmen schwarzer Menschen zu ihren Eindrücken von dem Rondell zusammengetragen.

Am Mittwoch zeigte sich Menzel geradezu euphorisch ob der Ankündigung der Stiftung, den Rondell-Namen zurückzuändern. Er begrüße sehr, dass sich die Schlösserstiftung unter ihrem Generaldirektor Christoph Martin Vogtherr "den rassistischen Aspekten der Geschichte der Preußischen Königshäuser stellen" wolle, teilte Menzel mit: "Mein Herz hüpft ein wenig!"

Vogtherr stellte am Mittwoch in Potsdam ein weiteres Projekt zur Auseinandersetzung mit bislang wenig bekannten Aspekten der Geschichte der preußischen Schlösser vor: Unter dem Motto "Schauplätze der Geschichte" erinnert die Stiftung künftig mit durchsichtigen Plastikstühlen an bemerkenswerte Ereignisse. Dabei können über einen QR-Code im Internet zusätzliche Informationen abgerufen werden. Einer der Stühle steht im Grottensaal des Neuen Palais. Er erinnert daran, dass sich dort Prinz Chun, der Bruder des chinesischen Kaisers am 4. September 1901 gezwungen sah, vor Kaiser Wilhelm II. zu verneigen - mit dieser Sühnegeste sollte der Tod des deutschen Gesandten Freiherr Clemens von Ketteler im Zuge der Unruhen um den Boxeraufstand vergolten werden.

Im Text wurde der Name der Arbeitsgruppe irrtümlich zunächst mit "Colonial Potsdam" angegeben. Das wurde am 3. September 2020 geändert.

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