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Das Ordungsamt kontrollierte den ruhenden Fahrzeugverkehr in Babelsberg.

© Andreas Klaer

Radverkehrssicherheit in Potsdam: Zugeparkte Radwege, wenige Bußgelder

Eine Schwerpunktkontrolle des Ordnungsamtes in Babelsberg zeigte das Problem von Falschparkern auf Radwegen auf. Der ADFC fordert stadtweite Verbesserungen.

Potsdam - Wer auf der Rudolf-Breitscheid-Straße vom Rathaus Babelsberg in Richtung Thalia-Kino radelt, kennt den Anblick: Der Radweg auf beiden Seiten ist immer wieder mit Autos oder Lieferwagen zugeparkt, das Ausweichen aufgrund der Straßenbahnschienen besonders riskant. Am Donnerstag führte das Ordnungsamt daher zusammen mit Potsdams Sozialbeigeordneter Brigitte Meier (SPD) und Potsdams Baubeigeordnetem Bernd Rubelt (parteilos) eine Schwerpunktkontrolle zum Thema zugeparkte Radwege durch. „Die Attraktivität der Fahrradnutzung kann erheblich gesteigert werden, wenn der Radfahrer weiß, dass er oder sie auf Radwegen sicher ans Ziel kommt“, sagte Brigitte Meier. „Es soll sich rumsprechen, dass Radwege kontrolliert werden.“ Mehr Kontrollen als bisher soll es zwar nicht geben, aber Meier kündigte an, dass ab 2023 eine Fahrradstaffel des Ordnungsamtes starten soll.

"Waren ja nur 20 Minuten", entschuldigt sich der Chevrolet-Fahrer

Ein beliebter Ort zum Falschparken ist vor dem Döner-Imbiss an der Karl-Liebknecht-Straße unweit des S-Bahnhof-Eingangs. Auch am Donnerstag: Halb über dem Bürgersteig, halb über dem Radweg steht ein weißer Chevrolet, der Fahrzeughalter ist nirgendwo zu sehen. Nach ein paar Minuten kommt er angelaufen und entschuldigt sich lächelnd: „Ich wollte nicht so weit weg stehen wegen dem Frisör“, sagt er. „Waren ja nur 20 Minuten.“ Der Mann hat Glück: Da in der Zeit, in der das Ordnungsamt vor Ort war, keine Radfahrer:innen vorbeigekommen sind, also keine Behinderung stattgefunden hat, kommt er mit einem Bußgeld von 20 Euro davon, sonst wären es 30 Euro.

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In der Regel gibt es kein Bußgeld, denn meistens sind die Autos schon wieder vom Radweg verschwunden, bevor das Ordnungsamt vor Ort ist. Eine Erkenntnis, die sich mittlerweile auch bei vielen Radfahrer:innen durchgesetzt zu haben scheint: „Wir bekommen relativ selten Meldungen wegen zugeparkter Radwege“, sagt Christoph Anders vom Ordnungsamt. Auch Fotobeweise seien nicht wirklich hilfreich, so Anders, denn dies sei nicht anders als eine Meldung und auch dann müssten die Kolleg:innen erst zum betreffenden Ort fahren, um ein Bußgeld auszusprechen. Möglich sei allerdings, per Fotobeweis eine Anzeige aufzugeben: „Das machen aber viele Leute nicht, weil sie keine Lust haben, als Zeugen auszusagen“, sagt Anders.

Nicht nur das Parken, auch das Halten auf Radwegen ist verboten

Beim diesjährigen Radklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) vergaben die Potsdamer:innen beim Punkt „Falschparkkontrolle auf Radwegen“ die schlechte Note 4,7. „Der Frust ist groß“, bestätigt Rubelt. Geparkt wird nicht nur aus Bequemlichkeit, sondern auch aus Unwissenheit: Seit April 2020 ist nicht nur das Parken auf Radwegen verboten, sondern auch das Halten, also maximal drei Minuten stehen, ohne das Auto zu verlassen oder um zu be- und entladen. Gehalten werden muss dann auf der Straße – was in der Breitscheid-Straße besonders schwierig ist, da Autos in diesem Fall die Tram-Gleise blockieren würden.

"Mal kurz beim Friseur" - trotzdem ist Falschparken verboten.
"Mal kurz beim Friseur" - trotzdem ist Falschparken verboten.

© Andreas Klaer

„Hier in der Ecke ist es wirklich schlimm“, sagt auch Christoph Anders vom Ordnungsamt. „Aber die örtlichen Gegebenheiten sind nun mal begrenzt.“ Gerade parkt ein weißer Lieferwagen auf dem Radweg vor dem Linden-Café, Anders spricht die beiden Mitarbeiter an, die gerade mit dem Entladen fertig sind. „Alles gut, beim nächsten Mal parken wir woanders“, verspricht einer der Männer. Anders zeigt auf den Fahrbahnrand vor dem Thalia-Kino: „Da gilt eingeschränktes Halteverbot, dort können sie be- und entladen.“

Potsdams Radverkehrsbeauftragter Torsten von Einem, der ebenfalls bei der Kontrolle vor Ort war, sieht hier Verbesserungspotenzial: „Die Haltebuchten auf dieser Seite der Straße könnten für das Be- und Entladung umgewidmet werden, ähnlich wie vor dem Edeka-Supermarkt.“

Fahrrad-Club ADFC fordert Verbesserungen auch in der Innenstadt

Auch Philipp Otto vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Potsdam findet, dass die Radweg-Situation an vielen Stellen der Stadt verbessert werden könnte: „Generell ist der Lieferverkehr ein Problem und die Nachverfolgung durch das Ordnungsamt muss verstärkt werden.“ Neben der Rudolf-Breitscheid-Straße sieht er auch andere Orte kritisch, etwa den Radweg vor dem Rathaus, der oft durch Lieferverkehr zugeparkt sei, oder die Straßen Am Kanal, die Friedrich-Ebert-Straße zwischen Nauener Tor und Charlottenstraße. „Hier sollten mehr Lieferparkplätze geschaffen werden“, so Otto.

Mit der Schwerpunktkontrolle reagiert die Stadt auch auf gestiegene Unfallzahlen: Gab es 2017 noch 457 Fahrradunfälle in Potsdam, waren es 2019 schon 537. „Leider werden diese meistens durch Fehler der Fahrradfahrer verursacht“, sagt Brigitte Meier. Insgesamt zählt der ADFC acht tödliche Unfälle seit 2013, der letzte davon im März auf dem Nuthedamm. Die Zahlen sind proportional mit der Zunahme des Radverkehrs in Potsdam angestiegen: Verkehrsmessungen an der Langen Brücke ergaben, dass 2017 innerhalb eines Zeitraums von sechs Stunden durchschnittlich 5453 Radfahrer:innen die Brücke befuhren, 2019 waren es 5905. Auch die Zahlen der Aktion „Stadtradeln“ bestätigen diesen Trend: In den letzten zehn Tagen haben sich rund 3000 Potsdamer:innen an der Aktion beteiligt und sind zusammen mehr als 276.600 Kilometer geradelt.

Zu einem "Reallabor" zu sicheren Radwegen lädt die Initiative Potsdam Autofrei gemeinsam mit ADFC und dem ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD) am Samstag von 9 bis 18 Uhr in die Geschwister-Scholl-Straße, zwischen Nansenstraße und Hans-Sachs-Straße, ein. 12.30 Uhr soll dort auch die Kinder-Fahrraddemo "Kidical Mass" erwartet.

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