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Pyanissimo: Von Füchsen und Hasen

Unsere Kolumnistin Steffi Pyanoe ist diese Woche fasziniert vom Räuber-Beute-Schema.

Potsdam - Vor Jahren besuchte der damalige Umweltminister Norbert Röttgen das Exploratorium. Er blieb länger als das Protokoll vorsah, alles war so interessant. Ich erinnere mich, dass wir auch minutenlang vor dem Räuber-Beute-Modell standen. Das sah so aus: Auf einem Bildschirm war ein Quadrat abgebildet, das war die Weidefläche für Hasen. Das Gras war fett, es gab genug, es wurden immer mehr gut genährte Hasen. Dann tauchten ein paar Füchse auf. Die fraßen die Hasen. Jetzt wurden die Füchse fett und es wurden immer mehr. Schlechte Zeiten für die Hasenpopulation. Als die Häschen knapp wurden, begannen die Füchse zu hungern und wurden wieder weniger. Während es keine mümmelnden Hasen gab, konnte sich immerhin die abgenagte Weidefläche erholen. Das Gras wurde wieder fett, die Füchse waren dezimiert, es brachen paradiesische Zeiten für neue Hasen an. Da kam der Fuchs zurück … na und so weiter. Ich war fasziniert von der Dynamik.

Stadt ist komplizierter als schnödes Weltmodell

Manchmal überlege ich, ob das Modell auch mit Radlern und Autofahrern funktioniert. Mit Park-Nutzern und Wohnungssuchenden, Grippeviren und Tramfahrern. Wahrscheinlich nicht, denn in Potsdam ist ja alles wesentlich komplizierter als es ein schnödes Weltmodell jemals abbilden könnte. Aber diese kleine Weiden-Dynamik birgt zumindest eine tröstliche Erkenntnis, finde ich: Nichts ist für immer. Alles bewegt sich. Alles greift ineinander. Panta Rhei, alles fließt, sagten die alten Griechen. Unangenehme Vorstellung: Wir kommen nie raus aus dieser Mühle. Positiver Gedanke: Ab und zu steht – hoffentlich – jeder mal auf der fetten Weide.

Vielleicht wäre, wenn man das verinnerlicht, auch manche Panikattacke überflüssig. Heute ist Fête de la Musique. Könnte man hingehen, zuhören, mitmachen oder zumindest sich freuen, dass es nach dem langen Winter endlich Sommer wurde. Ja, es gibt zu wenige Proberäume für die vielen Bands, und ja, es gibt zu viele Plastikbecher auf unserer irdischen Weidefläche. Aber Letzteres haben wir beispielsweise selber in der Hand.

Katze und Autorin gefroren

Ich sitze jedenfalls an einem Sommerabend mit Mann und Katze im Garten. Der Garten ist nicht groß, eine kleine Weidefläche für uns wenige Bewohner. Da kommt in der Dämmerung plötzlich ein Fuchs um die Hausecke. Er benutzt unseren ausgetretenen Weg, läuft elegant und ohne sich umzusehen zwischen uns hindurch, zwei Meter Abstand. Die Katze und wir sehen wie eingefroren zu. Ich bin überrascht, wie groß und schön das Tier ist. Dann ist er auch schon durch die Hecke verschwunden. Was der jetzt wollte, ob er wiederkommt, alleine oder mit Familie, ob er hier dummes Zeug anstellen will, Gartenstiefel klauen oder so, man hört ja allerhand – keine Ahnung. Ich kann nur so viel mit Sicherheit sagen: Es war ein Fuchs und er lief durch den Garten.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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