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Stephan Otten, Betriebsleiter Agro Uetz-Bornim GmbH, auf einer Brücke über die A10. Die Hälfte des Areals links soll Raststätte werden.

© Andreas Klaer

Protest gegen neue Raststätte an der A10: Landwirte drohen mit Klage gegen Enteignung

Die Fläche, auf der gebaut werden soll, gehört der Agro Uetz-Bornim GmbH. Die Genossenschaft mit elf Angestellten will sie nicht hergeben. Dafür gibt es einen besonderen Grund. 

Von Carsten Holm

Potsdam - Leicht versetzt ziehen zwei Kraniche über ihn, als Stephan Otten, Betriebsleiter der Agro Uetz-Bornim GmbH, am Sonntag auf der Brücke über die Autobahn 10 zwischen Paaren und Satzkorn steht. Er lässt seinen Blick über die Felder schweifen, die bis zum Horizont reichen. Dort unten sprießt jetzt das Grün des Weizens, vielleicht 400 Meter entfernt äsen wie jeden Tag Rehe, mitunter sind es zwei Dutzend. 

Weiter hinten brüten die selten gewordenen Kiebitze. Ottens Gesichtsausdruck verfinstert sich, als er erzählt, was geschehen soll: „Wir sehen hier auf 58 Hektar, die der Agro Uetz-Bornim gehören. Auf knapp der Hälfte soll die neue Raststätte ,Havelseen’ entstehen.” Kopfschüttelnd macht Otten eine Pause. „Das wäre furchtbar”, sagt er dann, „es ist der beste Boden, den es weit und breit gibt. Das ist unser Filetstück.”

103 Lkw sollen Platz haben

Wie berichtet hat der Landesbetrieb Straßenverkehr von der Öffentlichkeit fast unbemerkt das Planfeststellungsverfahren für die neue Raststätte mit 103 Stellplätzen für Lkw, zehn für Busse, acht für Caravans und 183 für Autos eingeleitet. Geplanter Baubeginn: 2024. Die flugs formierte Bürgerinitiative „Potsdamer Norden”, in der sich Anwohner aus Uetz-Paaren, Satzkorn, Kartzow und Marquardt verbündeten, fordert eine Neubewertung von alternativen Standpunkten wie etwa eine Erweiterung der Raststätte Wolfslake.

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Es hat den Anschein, dass die Causa „Havelseen” die Gerichte beschäftigen wird. Eine besondere Rolle könnte dabei die Agro-Uetz Bornim GmbH spielen: Das gesamte Gelände, auf dem die Raststätte gebaut werden soll, gehört ihr. „Wir wollen absolut nichts verkaufen”, sagte Betriebsleiter Otten, „unsere Anwälte stehen bereit.”

Das Feld der Agro Uetz-Bornim GmbH mit besonders hoher Bodenqualität. 
Das Feld der Agro Uetz-Bornim GmbH mit besonders hoher Bodenqualität. 

© Andreas Klaer

Die GmbH mit fünf Anteilseignern ist eine Erfolgsgeschichte der Nachwendezeit. Der 46-jährige Otten, Sohn von Landwirten im niederrheinischen Rees, kam nach dem Studium nach Potsdam, ein mit ihm verwandter Studienkollege hatte sich schon als Anteilseigner in die frühere LPG in Uetz eingekauft, die später in eine Genossenschaft umgewandelt wurde. Die elf Angestellten erwirtschaften auf rund 1000 Hektar mit der Produktion von Gerste, Roggen, Weizen, Raps und Mais einen Jahresumsatz von rund zwei Millionen Euro.

Felder haben "die beste Qualität unserer Flächen"

Das Areal, auf dem der Rasthof entstehen solle, hat laut Otten mit über 50 sogenannten Bodenpunkten, die die Wertigkeit eines Bodens auf einer Skala von 10 bis 100 unterteilen, „die beste Qualität unserer Flächen”. Darauf lasse sich Weizen anbauen, der im Vergleich mit Roggen bei gleichen Produktionsbedingungen erheblich lukrativer sei. Würde sie ihr „Filetstück, das in unserem Kerngebiet liegt”, im Rahmen einer Enteignung verlieren, werde die Genossenschaft den Verlust wirtschaftlich überleben. Eine Entschädigung aber könne „niemals den Verlust dieser Fläche ausgleichen”. 

Der Bodenrichtwert betrage 10 000 Euro pro Hektar für normalen Boden; der Einschätzung, dass das Areal in Paaren mit bis zu 17 000 Euro pro Hektar gehandelt werden könnte, widersprach der Betriebsleiter nicht. Sollten der GmbH im Falle einer Enteignung für 25 Hektar 250 000 Euro zugesprochen werde, sei das „läppisch”. Schläge nennen die Landwirte ihre Felder, „einen Schlag von dieser Größe und dieser Qualität würden wir niemals wieder erwerben können”, sagt Otten.

Die Bürgerinitiative "Potsdamer Norden" hat das betroffene Gebiet und mutmaßliche Auswirkungen des Raststättenbaus erfasst und kartiert. 
Die Bürgerinitiative "Potsdamer Norden" hat das betroffene Gebiet und mutmaßliche Auswirkungen des Raststättenbaus erfasst und kartiert. 

© Andreas Klaer

Völliges Unverständnis hegt der Betriebsleiter darüber, dass er erst im August von der Planung erfahren habe und „von dem Ausmaß geschockt” war. Vor zwei Jahren schon sei die Genossenschaft beim Landesbetrieb Straßenverkehr vorstellig geworden, um sich für den Ausbau der Raststätte Wolfslake stark zu machen. „Wir sind Eigentümer der größten Flächen dort, uns gehören rund 30 Hektar, und wir würden sie zur Verfügung stellen”, sagte Otten. Die Bodenqualität betrage nur 30 Punkte, das sei „Karnickelsand”. Aber die Begegnung mit den Planern sei enttäuschend gewesen: „Die haben sich für unsere Argumente nicht interessiert und haben sich ausgetobt, wo es für sie am einfachsten ist.”

CDU noch uneins zur Raststätte

Unterdessen müht sich die Potsdamer CDU, ihre Position zur Raststätte zu justieren. Noch am Freitag hatte sich die CDU-Bundestags- und Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig wie berichtet für eine „erneute Prüfung dieses Standorts” ausgesprochen, während Bauausschussvorsitzender Wieland Niekisch (CDU) „eine Chance” sah, „die Raststätte hier noch zu verhindern”. 

CDU-Rathaus-Fraktionschef Götz Friederich würde es nun freuen, „wenn die zuständigen Bundes- und Landesbehörden noch einmal Alternativflächen prüfen, selbstverständlich nach Rücksprache mit der Stadt und dem Landkreis”. Im Übrigen aber habe die CDU „volles Vertrauen in die Behörden und die Einbindung umfassender Prüfungen in alle Belange des Umwelt- und Landschaftsschutzes”.

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