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Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).

© Sebastian Gabsch

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert zwei Jahre im Amt: Der Zwangsentschleunigte

Vor zwei Jahren ist Mike Schubert als neuer Potsdamer Oberbürgermeister temporeich gestartet. Jetzt tritt der Sozialdemokrat auf die Bremse. Die Stadtpolitik reagiert unterschiedlich.

Potsdam - Vor wenigen Tagen war es wieder soweit: Die Stadtverordneten erhielten von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) per Post eine Absage. Sie hatten ihn auf Antrag von Grünen und Linken Anfang des Jahres beauftragt, mehr Vorschläge gegen die steigenden Mieten in Potsdam zu machen und die Wirksamkeit bereits ergriffener Gegenmaßnahmen zu prüfen. Doch der Auftrag wurde bislang nicht umgesetzt. Wegen der Pandemie, weil erst ein Konzept hermuss, wie Schubert schreibt. Das dauert, mindestens bis März 2021. Und es ist kein Einzelfall.

Immer öfter muss der Oberbürgermeister derzeit verschieben und vertagen. Fast genau zwei Jahre ist der 47-jährige Rathauschef nun im Amt und seit Monaten im ständigen Krisenmodus. Denn vor der Coronakrise und dem schweren Virus-Ausbruch im Bergmann-Klinikum, legte eine Cyberattacke ab Januar für Monate wichtige Teile der Digitalinfrastruktur des Rathauses lahm. Dazu fiel Schubert selbst nach einer schwerwiegenden Augenerkrankung im Sommer für zwei Monate aus.

All dies verringerte das Tempo deutlich, mit dem der frisch Gewählte gestartet war. Seit seiner Rückkehr aus der Krankheit erlebt die Stadt nun einen Oberbürgermeister, der weniger neue Projekte anschiebt, der sich darauf konzentrieren muss, Krisen zu bewältigen. Endlich, wie mancher sagt. Die Stadtverordneten erleben einen OB, der immer wieder auch verbal auf die Bremse tritt, wenn es um neue Beschlüsse aus ihren Reihen geht.

Im Krisenmodus. OB Schubert, Gesundheitsamtschefin Kristina Böhm.
Im Krisenmodus. OB Schubert, Gesundheitsamtschefin Kristina Böhm.

© Ottmar Winter

Er werbe „für mehr Miteinander“ zwischen Politik und Verwaltung, sagt er den PNN. Wobei das für ihn vor allem Mäßigung bedeutet. Die Stadtverordneten würden hunderte Anträge pro Jahr beschließen, dazu kommen Kleine Anfragen, rechnet er vor. „Das sind für das Rathaus zwei bis drei neue Aufträge pro Tag.“ Mitten in der Coronakrise, in der sich die Verwaltung mit hohem personellen Aufwand gegen die Pandemie stemme, könne aber „nicht jedes gewünschte Thema sofort realisiert werden“.

Das Verständnis der Politik für die Nöte Schuberts ist unterschiedlich ausgeprägt, auch in der rot-grün-roten Rathauskooperation. So meinen die Linken-Fraktionschefs Sigrid Müller und Stefan Wollenberg, es müsse wieder „mehr Verlässlichkeit“ in die Arbeit zwischen Politik und Rathaus kommen, die Stadtverordneten dürften „nicht als Störfaktor begriffen werden“. Schubert müsse einen Weg aufzeigen, wie auch andere dringende Themen in der Stadt – Wohnen, Verkehr, Digitalisierung – weiterbearbeitet werden können, trotz Krise. „In diesen Feldern muss das Tempo aus unserer Sicht deutlich anziehen“, so die Spitzengenossen.

Er dämpft allzu große Erwartungen

Wieder Fahrt aufnehmen bei Themen wie dem IT-Ausbau und den oft kritisierten Arbeitsbedingungen im Rathaus will seinen Aussagen nach auch Schubert. Doch er bremst auch hier Erwartungen. Die Stadt werde den Blick auf die finanziellen Auswirkungen der Krise richten müssen. Auch wenn es Rettungsschirme für Kommunen gibt – für die nächsten Jahre sind Steuereinbrüche in Millionenhöhe angekündigt. 

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Im Fokus will Schubert die großen Themen sehen, Wohnen, Nahverkehr, Bildung. Doch die Abgrenzung ist schwierig. In der Kooperation drängen auch die Grünen auf ihre Themen. „Mehr Konsequenz“ wünsche man sich beim Klimaschutz und der klimagerechten Mobilität, sagen die Fraktionsvorsitzenden Gert Zöller und Saskia Hüneke. Dafür loben sie, dass Schubert bei Konflikten wie um die Garnisonkirche Moderations- und Beteiligungsprozesse initiiert habe.

Betroffen. Schubert besuchte Ende Februar das Flüchtlingslager Moria.
Betroffen. Schubert besuchte Ende Februar das Flüchtlingslager Moria.

© J. Neumann

Unterstützung erhält Schubert selbstredend aus seiner SPD, die seinen landespolitischen Ambitionen allerdings jüngst einen empfindlichen Dämpfer verpasst hat. Er wäre gern Landesvize geworden – und damit inoffiziell auch ein Aspirant für die Nachfolge von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Doch damit wurde es nichts – sehr zur Freude parteiinterner Gegner. 

In Potsdam immerhin gibt es derzeit Rückendeckung für den OB: Die Pandemiebewältigung sei ihm bisher „sehr gut gelungen“, sagt SPD-Fraktionschef Daniel Keller. Er lobt den von Schubert getragenen Kurs für die Rückkehr des kommunalen Bergmann-Klinikums in die Tarifstrukturen des öffentlichen Dienstes. „Das strahlt aus und hat ähnliche Initiativen anderswo zur Folge.“ Co-Vorsitzende Sarah Zalfen hebt die neue Strategie der Stadt hervor, Flächen für soziale Infrastruktur vorsorglich anzukaufen. Das sei ein Akzent von Schuberts Politik für ein behutsameres Wachstum.

Krampnitz stockt

Doch es gibt auch Rückschläge. So stockt es beim wichtigen geplanten neuen Viertel Krampnitz wegen der ungeklärten Verkehrsanbindung; die Verantwortung dafür, dort voranzukommen, sieht Schubert bei seinem Baudezernenten Bernd Rubelt (parteilos). Die Opposition beklagt zudem, dass „positive Überraschungen im zweiten Amtsjahr leider ausgeblieben“ seien, wie die Fraktion Die Andere findet. 

Das Gesundheitsamt sei unzureichend auf die zweite Coronawelle vorbereitet gewesen, dringliche Erneuerungsprozesse würden verschleppt – auch in Sachen Klima- oder Mieterschutz. Mit einem Antrag für die heutige Stadtverordnetenversammlung will die Fraktion erreichen, dass die seit Juli vorgenommenen Mieterhöhungen der kommunalen Bauholding Pro Potsdam, die Schubert verteidigt hatte, zurückgenommen werden.

Bisher hatte Schubert stets die Mehrheit der rot-grün-roten Rathauskooperation hinter sich vereinen können. Allerdings gab es vor einem Monat einen Warnschuss: Die CDU brachte zusammen mit Grünen und Die Andere die Pläne der Bauverwaltung für eine Siedlung in Fahrland zu Fall, die jetzt kleiner werden muss.

Sabine Becker von der FDP.
Sabine Becker von der FDP.

© Kathleen Friedrich

FDP kritisiert fehlenden Fortschritt bei der Digitalisierung

Gleichwohl gibt sich die größte Oppositionskraft CDU, die wieder einmal von internen Machtkämpfen erschüttert wird, vergleichsweise moderat in ihrer Kritik. Fraktionschef Götz Friederich findet, zu Beginn der Pandemie habe Schubert mit seinen zahlreichen öffentlichen Auftritten gewirkt, als wolle er sich „lediglich medial wirksam als Krisenmanager profilieren“. Jetzt wirke der OB souveräner, überlegter, nachdenklicher. „Vielleicht bereut er jetzt seinen anfänglichen Aktionismus, mit dem er so manchen Ball wie zur Garnisonkirche oder zum Stadtkanal in die Luft geworfen hat, der jetzt wieder runterfällt“, sagt Friederich. Verbessern müsse Schubert die Einbindung der bürgerlichen Fraktionen – das habe Vorgänger Jann Jakobs besser verstanden.

FDP-Chefin Sabine Becker kritisiert besonders fehlende Fortschritte bei der Digitalisierung der Schulen und bei Verkehrsproblemen. Und auch Schuberts Krisenmanagement beim Corona-Ausbruch im Klinikum sei nur „mäßig“ gewesen – gleichwohl hatte er nicht lange gezögert, den langjährigen Geschäftsführer des Klinikums, Steffen Grebner, zu beurlauben und auszutauschen.

Reise nach Moria

Schuberts Einsatz gegen Extremismus und Rassismus loben die Liberalen explizit. Anfang des Jahres war der OB als Vorsitzender des Bündnisses „Sichere Häfen“ ins griechische Flüchtlingslager Moria gereist und hatte öffentlichkeitswirksam die Aufnahme von weiteren Migranten, besonders von Kindern, in Deutschland gefordert. Dafür wurde er von der rechtspopulistischen AfD mehrfach kritisiert. Allerdings sahen selbst Kooperationspartner bei aller Unterstützung für die politische Forderung zu dieser Zeit „mehr Außen- als Stadtpolitik“ im Rathaus. Auch solche Auftritte: Sind deutlich seltener geworden.

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