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Die Gründer des Potsdamer Start-ups Signavio (v.l.): Nicolas Peters, Willi Tscheschner, Gero Decker.

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Potsdamer Start-up Signavio: Vom Stern an die Software-Weltspitze

Gero Decker hat sein Start-up Signavio an SAP verkauft. Mit den PNN sprach er über die Gründung in Potsdam - und seine Studentenwohnung Am Stern.

Potsdam - Für eine Milliarde Euro kaufte der Softwarehersteller SAP kürzlich das Startup Signavio. Der Mega-Deal um die auf Prozessoptimierung spezialisierte Firma ist auch ein Erfolg der Gründer:innen-Förderung in der Landeshauptstadt Potsdam. Denn hier begann 2009 die Erfolgsgeschichte des Unternehmens, das heute Standorte in den USA, Australien, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien unterhält und über 300 Menschen beschäftigt. 

Das HPI lockte Decker in die Stadt

Gero Decker denkt gern an seine Studienzeit in Potsdam zurück. Der 38-Jährige ist heute Geschäftsführer von Signavio und lebt im Berliner Stadtteil Zehlendorf. Ursprünglich kommt er aus Braunschweig. Doch sein Studium absolvierte er am Hasso-Plattner-Institut (HPI), angefangen vom Bachelor bis hin zur Promotion. Das HPI mit seinem internationalen Ruf habe ihn in die Stadt gelockt, sagt er. "Das ist das Stanford Deutschlands”, sagt er lächelnd und verweist damit auf die legendäre US-Universität in der Nähe des Silicon Valley. 

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Damals habe er im Wohngebiet Am Stern gewohnt, sagt Decker. “Im fünften Stock.” Die Nachbarn seien immer sehr freundlich gewesen, auch der Döner in der Nähe habe gut geschmeckt, erinnert er sich. Von der Wohnung im Plattenbau sei er jeden Tag die fünf Minuten mit dem Rad zum Campus Griebnitzsee gefahren, wo die Geschäftsidee entstand. Als Doktorand leitete Gero Decker ein Studierendenprojekt, das den Vorläufer von Signavio entwickelte. Auf dieser Basis gründete er 2009 gemeinsam mit anderen HPI-Absolventen Signavio. Die Mitgründer Nicolas Peters und Willi Tscheschner sind bis heute dabei. 

Betriebliche Abläufe verstehen und verändern

Doch was ist das überhaupt: Prozessoptimierung? “Wir helfen den Unternehmen mit unserer Software, betriebliche Abläufe besser zu verstehen und zu verändern”, erläutert Decker. Wenn zum Beispiel ein Kunde bei einem Telekommunikationsunternehmen einen neuen Breitband-DSL-Anschluss bestelle, seien hinter den Kulissen dutzende Abteilungen mit jeweils eigenen IT-Systemen damit befasst, diesen Auftrag zu bearbeiten. An allen möglichen Stellen könnten Veränderungen vorgenommen werden, etwa wenn der Kunde noch ein Zusatzpaket bucht. Im besten Fall bekomme der Kunde davon nichts mit. 

“Je größer ein Unternehmen ist, desto komplexer ist das”, sagt Decker. Besonders schwierig sei es, wenn im laufenden Betrieb Veränderungen vorgenommen werden sollten, um etwa einzelne Bereiche auszulagern oder Verantwortlichkeiten zu ändern. “Unsere Software bringt dann Licht ins Dunkel.” Um die meist über lange Zeit gewachsenen Abläufe zu verstehen, würden zum Beispiel Daten “angezapft”. Anhand derer könnten die Experten dann feststellen, “wo es hakt” und wo sich die Prozesse verbessern ließen. Die so entwickelten Lösungen könne die Signavio-Software auch simulieren. Und am Ende helfe sie bei der Umsetzung des neuen Plans, sagt Decker. 

Kunden sind vor allem Mittelständler

Signavio hat eigenen Angaben zufolge vor allem mittelständische und große Unternehmen als Kunden, typischerweise mit mindestens 1000 Mitarbeitern. Dazu gehören zum Beispiel Sparkassen, Stadtverwaltungen und Medienhäuser. Deckers Firma begleitet aber auch Start-ups, die von Anfang an ein schnelles Wachstum planen, wie zum Beispiel Zalando oder Airb’n’b. Einer der ersten Kunden sei die AOK Brandenburg gewesen, sagt Decker. Signavio habe die gesetzliche Krankenversicherung bei der Fusion zu AOK Berlin-Brandenburg und später zur AOK Nordost begleitet.  

In den ersten Jahren habe sich Signavio vorrangig aus dem laufenden Geschäft finanziert, sagt Decker. Kurz nach der Finanzkrise sei es schwer gewesen, Risikokapital zu bekommen. Doch die jungen Gründer hätten eine umfangreiche Unterstützung vom Start-up-Service der Universität Potsdam erhalten. “Die haben uns gezeigt, wie man einen Businessplan aufstellt und Fördermittel beantragt”, sagt Decker. Die Universität Potsdam gehört zu den deutschen Hochschulen mit den größten Gründungsquoten. Der Start-up-Service „Potsdam Transfer“ begleitete seit 2011 nach eigenen Angaben jedes Jahr im Durchschnitt etwa 30 Gründungen.  

Der Verkauf war nicht erste Wahl

Doch Signavio ist das erste, das nun buchstäblich einen Milliardendeal landete. Dabei sei der Verkauf an einen Konzern gar nicht die erste Wahl gewesen, sagt Decker. Eigentlich habe sein Unternehmen einen Börsengang vorbereitet. Doch das Angebot von SAP habe die Gründer überzeugt. Entgegen früherer Befürchtungen bestehe nicht die Gefahr, im großen Unternehmen unterzugehen. “Wir haben eine unglaubliche Prominenz innerhalb des Konzerns und viel Verantwortung”, sagt Decker. 

Das Veränderungs-Management beginnt im Konzern selbst. Seit April 2020 ist der Manager Christian Klein alleiniger Geschäftsführer, mit dem Segen von Aufsichtsratschef Hasso Plattner. Der heute 40-jährige Klein hat eine schwierige Aufgabe übernommen. Der Aktienkurs des Walldorfer Konzerns hat in der Coronakrise gelitten, die internationale Konkurrenz legt seit Jahren stark zu. Doch mit einem neuen Softwarepaket namens „Rise with SAP“ will das größte europäische Softwareunternehmen wieder neue Kunden gewinnen. Und bei dieser Strategie spielt Signavio offenbar eine zentrale Rolle. 

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