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Potsdamer Engagement: Eine Kita für Kinder von Ex-Guerilleros

Der Potsdamer Verein Tierra Unida unterstützt seit vielen Jahren eine Krankenstation in Ecuador und seit November auch einen Kita-Bau in Kolumbien.

Potsdam - Ein schlichter Flachbau, ein bunter Zaun, ein paar Tische: Noch fehlt es der künftigen Kita in dem kolumbianischen Dorf La Fila an einigem, doch der Anfang ist gemacht. Hier sollen künftig die Kinder der ehemaligen FARC-Rebellen betreut werden. 2016 hatten über 6000 Guerilla- Kämpfer im Zuge des Friedensvertrages mit dem kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos ihre Waffen niedergelegt.

Ein Friedensprojekt in einer von Bürgerkriegen geschüttelten Region, das maßgeblich mit Unterstützung aus Potsdam verwirklicht wird: Bereits seit über 30 Jahren setzt sich der Potsdamer Verein Tierra Unida („Vereinigte Erde“) für verschiedene Länder Südamerikas ein. Zum einen mit Informationsveranstaltungen und Protestaktionen, zum anderen mit Spendensammlungen für Projekte wie den Kita-Bau in Kolumbien oder für den Betrieb einer Krankenstation in Ecuador.

Es sind vergleichsweise kleine Projekte und überschaubare Geldsummen, die jedoch viel bewirken: 2500 Euro wurden bisher an Spenden für die Kita gesammelt, was für das Grundgebäude und einige Ausstattungsgegenstände auf dem 24 Hektar großen Grundstück reichte. Nun fehlen noch ein kindgerechter Fußboden, Schlafmatten, Spielzeug, Bücher, Möbel und Spielgeräte für draußen. 15 bis 20 Kinder sollen hier künftig betreut werden.

Unterstützung für den Friedensprozess

„Als der Friedensprozess in Kolumbien begann, war für uns klar, dass wir als Tierra Unida das unterstützen wollen“, sagt Christian Raschke. Der 36-jährige Schulsozialarbeiter aus Potsdam ist seit rund fünf Jahren Mitglied bei Tierra Unida und besucht die unterstützten Projekte in der Regel einmal im Jahr. Er hatte zuvor Politikwissenschaft in Kolumbien studiert und zwischen 2013 und 2014 in zwei Nicht-Regierungs-Organisationen vor Ort gearbeitet.

Die Kita, die Tierra Unida seit November 2017 fördert, liegt Raschke besonders am Herzen. Sein Ziel ist es, den Menschen vor Ort, die sich jahrelang in bewaffneten Konflikt mit der Regierung befunden haben, die Rückkehr in ein ziviles Leben zu ermöglichen. „Der Frieden hat nur eine Perspektive, wenn die Leute eine Zukunft haben: Wenn sie Arbeit und Land haben und ihre Kinder in einem geschützten Raum aufwachsen können“, sagt Raschke. „Kitas gibt es in der ländlichen Region fast gar nicht und ansonsten gibt es nur ein paar traurige Dorfschulen, wo dann ein Lehrer seine drei Fächer unterrichtet.“

Die Anfänge von Tierra Unida reichen bis in die DDR-Zeit zurück: Begonnen hatte alles mit einem Filmabend über Lateinamerika am 10. Januar 1983 im Heilig-Kreuz-Haus. Obwohl der „Ökumenische Arbeitskreis Nord-Süd“, wie er damals noch hieß, aus der Kirche kam und keiner staatlichen Organisation wie der Freien Deutschen Jugend (FDJ) untergeordnet war, sei er weitestgehend geduldet worden, sagt Raschke.

Fokus vermehrt auf Südamerika

Nachdem anfangs noch der globale Süden inklusive Afrika im Fokus stand, konzentrierte sich die Gruppe bald verstärkt auf Südamerika. Sie organisierte Solidaritätsaktionen für ein Ausbildungszentrum in Nicaragua und führte eine Lateinamerika-Werkstatt durch. Sie protestierte gegen ein Treffen des Internationalen Währungsfonds mit der Weltbank im September 1988 in Westberlin und gegen die Niederschlagung der Proteste von Studierenden in Peking 1989.

Anfang der 90er-Jahre änderte sich der Name des Arbeitskreises zu Tierra Unida, der in dieser Zeit unter anderem ein Konzert mit lateinamerikanischen Gruppen in Potsdam durchführte. Mitte der 90er-Jahre begann dann das Gesundheitsprojekt in Ecuador, das langlebigste Projekt, das Tierra Unida bis heute unterstützt: 1990 reiste Jeanne Grabner, Mitglied bei Tierra Unida, durch ein von den Guerillas besetztes Gebiet und wurde eines Abends von heftigen Regenfällen überrascht. Sie fand Zuflucht in einem Holzhaus, wo sie den Chirurgen Galo Alvear Vitery kennenlernte. Dieser versuchte, den Rebellen und der örtlichen Dorfbevölkerung mit einfachsten Mitteln eine medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. „Zu dieser Zeit war Ecuador noch sehr arm, es gab kaum Krankenhäuser“, sagt Raschke.

Grabner hielt den Kontakt zu dem engagierten Arzt aufrecht und traf ihn einige Jahre später in Potsdam wieder. Vitery hatte mittlerweile eine kleine Krankenstation in dem Ort Salitre aufgebaut. Von dort aus machte er Visiten in schwer zugängliche Dörfer auf dem Land, die teilweise nur mit Kanus zu erreichen waren.

"Die Menschen fühlen, dass sie nicht alleine sind"

Für die Mitglieder von Tierra Unida war schnell klar, dass sie Viterys Arbeit von Potsdam aus unterstützt wollten. Sie starteten einen großen Aufruf. In Folge dessen spendeten nicht nur viele Potsdamer für das Projekt, auch das kommunale „Ernst von Bergmann“-Klinikum und die Berliner Charité überließen Vitery medizinische Gerätschaften für seine Krankenstation. Das Gesundheitsprojekt läuft bis heute. Es umfasst nicht nur die medizinische Versorgung der Bevölkerung, sondern auch Aufklärung über gesunde Ernährung und Hygiene an Schulen oder aktuell die Ausbildung von Krankenschwestern. Nach dem Erdbeben in Ecuador war Vitery ebenfalls als Helfer vor Ort, verteilte Medikamente und organisierte Notküchen.

Derzeit besteht Tierra Unida aus sechs bis sieben aktiven Mitgliedern. Neben Spendensammelaktionen organisiert der Verein dreimal im Jahr in Potsdam Vorträge und Informationsveranstaltungen zu verschiedenen Ländern Südamerikas. Pro Jahr sammelt Tierra Unida rund 1600 Euro für das Gesundheitsprojekt ein. Aber Raschke beklagt, dass die Spenden jedes Jahr schrumpfen: „Es gibt zwar immer noch Stammspender, aber die sind weniger geworden. Es ist schwer, Nachwuchs zu finden.“ Raschke beobachtet, dass das generelle Interesse am Thema Südamerika abgenommen zu haben scheint. Er führt das darauf zurück, dass sich nach den Bürgerkriegen der 90er-Jahre die Situation in vielen Ländern beruhigt hat.

Doch die Menschen in Ecuador und Kolumbien brauchen die Unterstützung aus Potsdam laut dem 36-Jährigen nach wie vor. Tierra Unida habe, so Raschke, in den jeweiligen Regionen einen guten Ruf: „Wir sind dort ein bekannter Name und wir haben immer durchweg positives Feedback bekommen. Die Menschen fühlen, dass sie nicht alleine sind.“

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