zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Potsdam zieht an

Potsdam wird im Jahr 2035 voraussichtlich gut 220 000 Einwohner zählen, weil die Zuzüge den bald negativen Geburtensaldo mehr als wettmachen. Es muss also noch einmal kräftig investiert werden

Von Peer Straube

Konkrete Zahlen gibt es zwar noch nicht, aber klar ist dennoch: Angesichts der stark nach oben korrigierten Bevölkerungsprognose wird Potsdam in den nächsten Jahren für Investitionen noch einmal sehr tief in die Tasche greifen müssen. Noch mehr Schulen, noch mehr Kitas – und noch mehr Wohnungen. Die PNN geben einen Überblick über die am Freitag von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) vorgestellte Prognose und ihre Folgen für die Stadtentwicklung.

Wie stark wächst Potsdam?

Deutlich schneller als angenommen. In der letzten Prognose, die noch auf Zahlen von 2014 basierte, ging man im Rathaus davon aus, dass die Stadt bis 2030 die Marke von 200 000 Einwohnern knapp verfehlen wird. Nach der jüngsten Berechnung wird sie nun bereits 2027 überschritten (siehe Grafik). 2035 wird Potsdam 220 123 Einwohner haben und damit mehr als heute zum Beispiel Rostock, Erfurt, Mainz und Lübeck. Zum Vergleich: 1999, als Potsdams Bevölkerung ihren Tiefststand nach der Wende verzeichnete, hatte die Stadt knapp 129 000 Einwohner. Für die neue Berechnung wurden übrigens die Daten von 2016 zugrunde gelegt – die Entwicklung der Flüchtlingszahlen konnte daher diesmal mitberücksichtigt wurden.

Warum gibt es eine neue Prognose?

Weil die letzten Vorhersagen der Statistiker regelmäßig von der tatsächlichen Entwicklung über den Haufen geworfen wurden, sah man sich im Rathaus zu einer Neuberechnung veranlasst. Um die nötigen Investitionen rechtzeitig anschieben zu können, habe man „eine auf längere Sicht tragfähige Prognose“ gebraucht, sagte Jakobs. Diese solle nun als Grundlage für alle künftigen Planungen hinsichtlich des Baus neuer Schulen, Kitas, Wohnungen und für die Verkehrsplanung dienen.

Woher kommen die neuen Potsdamer?

Vor allem sind es weiterhin Zuzügler, aus allen Teilen Deutschlands und der EU. Einen starken Zustrom gibt es schon seit Jahren aus der Bundeshauptstadt, weil ihre Magnetwirkung noch stärker, Wohnungen noch knapper sind – und vor allem teurer. „Wir saugen einiges aus Berlin ab“, fasste es der städtische Chefstatistiker Reiner Pokorny lapidar zusammen. Noch vor wenigen Jahren hielten sich Zu- und Wegzügler aus beiden Städten etwa die Waage, 2016 kehrte sich das Verhältnis um: Während 1600 Potsdamer ihren Wohnort nach Berlin verlegten, fanden 2600 Berliner in Potsdam ein neues Heim. Rund 16 000 Einwohner hat die Stadt allein zwischen 2010 und 2016 hinzugewonnen, ein Plus von 10,6 Prozent. Weil auch künftig mehr Menschen nach Potsdam ziehen als aus der Stadt weg, rechnet die Stadt unterm Strich bis 2035 mit einem jährlichen Zustrom von 2400 bis 3800 Menschen.

Wie entwickelt sich der Geburtensaldo?

Negativ. Das mag auf den ersten Blick überraschen, wurden in den vergangenen Jahren in Potsdam stets mehr Babys geboren als es Sterbefälle gab. Dieser Trend wird sich nach Rathausberechnungen bis 2021 zunehmend abschwächen und dann umkehren, das heißt es werden mehr Menschen sterben als geboren werden. Schuld daran ist die demographische Entwicklung: Einerseits wächst die Zahl alter Menschen kontinuierlich. Zum anderen erreicht Potsdam in den nächsten Jahren der nach der Wende einsetzende Geburtenknick. Im Klartext: Es gibt weniger Frauen im gebärfähigen Alter. Oder, wie Jakobs es augenzwinkernd formulierte: „Die Frauen, die damals nicht geboren wurden, fehlen uns jetzt.“

Was heißt das für die Haushaltsplanung?

Für den aktuellen Doppelhaushalt für 2018/19, über den die Stadtverordneten noch beraten, zunächst einmal nichts oder nicht viel. Die Entwicklung sei in dem Papier bereits berücksichtigt, erklärte Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD). Für die mittelfristige Finanzplanung, die auch die Jahre 2020 und 2021 umfasst, gilt das aller Voraussicht nach nicht. Insgesamt 338 Millionen Euro will Potsdam wie berichtet in den nächsten vier Jahren investieren – so viel wie noch nie in der Geschichte der Stadt. Vor allem neue Schulen und Kitas sollen entstehen, aber auch neue Sportstätten und Radwege, zudem will man marode Straßen auf Vordermann bringen. Doch wird dieses bereits gewaltige Paket nicht reichen. Bislang sind im Wirtschaftsplan des Kommunalen Immobilien Service (Kis) 2020 und 2021 jeweils rund 50 Millionen Euro eingeplant. Dass es mehr werden wird, bestätigten Exner und Jakobs. Nur wie viel mehr, das ist noch unklar. Der zusätzliche Bedarf müsse auf Basis der Prognose nun für jeden Bereich ermittelt werden. Allerdings hat das Wachstum auch positive Seiten: Die Einnahmen aus der Einkommen-, der Gewerbe- und der Grundsteuer B werden steigen, ebenso die Schlüsselzuweisungen vom Land.

Wie will die Stadt das Wachstum meistern?

Geld, stellte Jakobs klar, sei diesmal nicht das Problem, sondern der Mangel an Fachkräften. Es gebe zu wenig Bauingenieure, Lehrer, Erzieher – dank des Job-Booms fehle es überall an fähigen Mitarbeitern. Zum Beleg nannte er einen bemerkenswerten Sachverhalt: Die Zahl der Jobs wächst in Potsdam sogar noch schneller als die Bevölkerung – prozentual gesehen sei das Wachstum sogar doppelt so hoch. Und das, so Jakobs, bereits seit vier bis fünf Jahren. Dennoch will man im Rathaus mit Bordmitteln arbeiten. Bereits im PNN-Interview zum Jahreswechsel hatte Jakobs eine interne Task Force angekündigt, die vor allem die Schul- und Kitaplanung vorantreiben soll und die Zeit von der Erkenntnis, wo eine solche Einrichtung gebraucht wird, bis zur Eröffnung von derzeit sechs Jahren auf möglichst die Hälfte verkürzen.

Wo kann Potsdam noch wachsen?

Hauptsächlich im Norden. Jakobs schloss in dem Zusammenhang nicht aus, dass die Planungen für das frühere Kasernengelände in Krampnitz noch einmal nach oben korrigiert werden. Ursprünglich war die Stadt von etwa 3500 Bewohnern des neuen Stadtviertels ausgegangen, diese Zahl wurde bereits auf 7000 verdoppelt und könnte nun noch einmal steigen. Weitere Flächenpotenziale für neue Wohnungen gebe es unter anderem in Marquardt und Fahrland. Planungsrechtlich ist bis 2025 der Neubau von Wohnungen für bis zu 34 000 Menschen abgesichert. Ob es bei der Suche nach weiteren Bauflächen zu Umwidmungen, etwa von Ackerflächen, kommt, ließen Jakobs und Exner offen. Allerdings werde der Flächennutzungsplan, in dem solche Dinge festgelegt sind, noch einmal auf den Prüfstand müssen, kündigte Exner an.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false