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Potsdam: Neue Ausstellung zu Sowjet-Gefängnis unter Protest eröffnet

Spionage, Vaterlandsverrat oder Kriegsverbrechen - so lauteten die Vorwürfe, die Menschen jahrzehntelang ins Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Spionageabwehr brachten. Jetzt erinnert eine neue Ausstellung an ihre Qualen - doch die Schau ist umstritten.

Potsdam - Begleitet von Protesten ist am Mittwoch in der Potsdamer Gedenkstätte Leistikowstraße eine Dauerausstellung eröffnet worden, die an die Geschichte des dortigen früheren sowjetischen Untersuchungsgefängnisses erinnert. Hier wurden von 1945 bis in die 1980er Jahre Menschen unter dem Vorwand angeblicher Spionage gefoltert, zu langjährigen Haftstrafen oder gar zum Tode verurteilt.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann sprach von einem „Symbol des Terrors der sowjetischen Besatzungsmacht“. Gebäude und Ausstellung hielten die Erinnerung an die vielen Opfer des Stalinismus wach, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zur Eröffnung. Der Verdacht der Spionage habe jeden treffen können und sei es nur, weil man zu spät zur Arbeit gekommen sei. Initiativen demonstrierten am Mittwoch gegen die Ausstellung, die sie für nicht ausgewogen halten.

Der sowjetische Geheimdienst hielt in dem ehemaligen Pfarrhaus Häftlinge aus der gesamten Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und DDR unter  menschenunwürdigen Bedingungen gefangen. Nach 1955 verhaftete die Spionageabwehr nach Angaben der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten ausschließlich Militärangehörige und Zivilangestellte der in Deutschland stationierten sowjetischen Streitkräfte.

Bund und Land haben seit 2006 mehr als vier Millionen Euro in die Gedenkstätte investiert. Die Ausstellung dokumentiert auf rund 1000 Quadratmetern mit Erinnerungsstücken, Alltagsgegenständen und Lebensgeschichten von 50 Häftlingen die Geschichte des Gefängnisses.

Mit einer Menschenkette demonstrierten verschiedene Initiativen gegen die Dauerausstellung. An der Aktion beteiligten sich rund 60 Opfer, Zeitzeugen und Politiker, darunter die FDP-Landtagsabgeordnete Linda Teuteberg. Opferverbände kritisieren das Konzept der Ausstellung als „unseriös und einseitig“, da es die Erfahrungen ehemaliger Verfolgter aus ihrer Sicht nicht hinreichend vermittelt.

Vor der Eröffnung kritisierte etwa der ehemalige Häftling Bodo Platt, dass Zeitzeugen aus seiner Sicht nicht ausreichend eingebunden waren. „Wir sind Menschen, die reden wollen, nicht schweigen“, sagte der 81-Jährige, der mit 17 Jahren unter dem Verdacht der Spionage ins Gefängnis kam und zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Platt bedauerte auch, dass Authentisches, wie etwa die Bretterzäune um das Gebäude herum, mit Verweis auf den Denkmalschutz nicht mehr wiederhergestellt wurde. Auch die Qualen, die Häftlinge in den dunklen Kellern erleiden mussten, seien heute nicht mehr nachvollziehbar.

Vor diesem Hintergrund mahnte Neumann, die Betroffenen und ihre Verbände bei der Erarbeitung einer Ausstellung „uneingeschränkt einzubeziehen“. Zumindest ein Teil dessen, was sie wollten, sei aber in die Ausstellung eingeflossen, sagte Neumann. Der Direktor der Gedenkstätten-Stiftung, Günter Morsch, bedauerte die Auseinandersetzungen. Der Konflikt war im März eskaliert, als ein Mitglied eines Opfervereins die Gedenkstättenleiterin Ines Reich bedrohte und tätlich angriff. Platzeck betonte, dass die Schau keinen endgültigen Charakter habe: „Eine solche Ausstellung ist nichts Statisches.“

Ronald Bahlburg

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