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Die Vorsitzende des Migrantenbeirats, Diana Gonzales Olivo (l.), und ihre Stellvertreterin Anna Heyer-Stuffer wollen erneut zur Wahl antreten.

© Ottmar Winter

Potsdam: Kandidaten für den Migrantenbeirat gesucht

Der Migrantenbeirat vertritt Potsdamer mit ausländischem Pass, parallel zur Kommunalwahl wird das Gremium neu gewählt. Jetzt können sich Kandidaten melden.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Sie sind eine Gruppe, die wächst und doch kaum Mitspracherecht hat: die Potsdamer mit ausländischem Pass. 8,6 Prozent beträgt der Ausländeranteil in der Stadt mittlerweile, deutlich mehr als vor der sogenannten Flüchtlingskrise, als der Anteil noch bei rund fünf Prozent lag. An Wahlen teilnehmen dürfen sie nicht, auch nicht an den bald anstehenden Kommunalwahlen am 26. Mai. Zumindest ein gewisses Maß an Mitsprache räumt ihnen aber der Migrantenbeirat ein, dessen Wahl ausschließlich Ausländern vorbehalten ist. Er soll die Stadtverordneten beraten, wenn es um migrantenrelevante Themen geht und kann auch selbst Prozesse anstoßen. Derzeit läuft die Kandidatensuche, gewählt wird der Migrantenbeirat traditionell zeitgleich mit der Kommunalwahl – also ebenfalls am 26. Mai.

Vorsitzende hofft auf viele Kandidaten

Angesichts der gewachsenen Zahl der Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte in Potsdam wurde die Mitgliederzahl im Beirat von derzeit neun auf elf erhöht, sagt Diana Gonzalez Olivo. Die Mexikanerin ist seit der letzten Wahl 2014 Vorsitzende des Migrantenbeirats. Sie hofft, dass sich Potsdamer aus möglichst vielen verschiedenen Ländern für die Wahl aufstellen lassen. Auch solche mit arabischen Wurzeln, zur Zeit ist nur die syrische Anwältin Jala El Jazairi aus dieser Region vertreten. 

Die anderen Mitglieder kommen aus Russland, der Slowakei oder Kasachstan – und Deutschland. Denn auch, wenn das Wählen den Potsdamern mit ausländischem Pass vorenthalten ist: Gewählt werden können auch Deutsche. So kommt es, dass auch Lutz Boede von der Wählergruppe Die Andere Mitglied ist – glücklicherweise, wie Gonzalez Olivo sagt. „Es ist gut, dass jemand mit Insiderwissen dabei ist. Jemand, der weiß, wie Politik im Rathaus funktioniert.“

Gonzalez Olivo lebt mit deutschem Mann und zwei Kindern in Potsdam

Sie selbst hatte vorher kaum politische Erfahrung. Vor elf Jahren kam die heute 38-Jährige aus Mexiko zum Studium nach Deutschland, landete nach Stationen in Berlin und Cottbus in Potsdam, wo sie bis heute mit ihrem deutschen Mann und ihren zwei Kindern lebt. Sie arbeitet an der Universität Potsdam als Projektkoordinatorin beim Refugee Teachers Program. 

Auch ihre Stellvertreterin Anna Heyer-Stuffer kam 1995 wegen des Studiums nach Deutschland, geboren und aufgewachsen ist sie in der Slowakei. Sie studierte Jura in Potsdam und Dresden, heute ist sie Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen im Brandenburger Landtag. Auch sie ist mit einem Deutschen verheiratet und hat zwei Kinder.

Kein universitärer Abschluss nötig

Es dürfe aber nicht der Eindruck entstehen, dass man einen universitären Abschluss brauche, um sich im Beirat zu engagieren, betont Gonzalez Olivo. Viel wichtiger seien die Bereitschaft und die Lust, sich zu engagieren und politisch zu partizipieren. Der Aufwand ist – zumindest für die beiden Vorsitzenden – nicht unerheblich. Fünf bis zehn Stunden wöchentlich stecken sie in die ehrenamtliche Arbeit, schätzen die beiden. „Aber es lohnt sich“, betont Heyer-Stuffer. 

Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Stadt

„Schließlich ist das nicht nur für uns wichtig, sondern für den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Stadt insgesamt“. In Vergleich zu anderen brandenburgischen Städten sei die Situation in Potsdam komfortabel, der Migrantenbeirat habe eine eigene Geschäftsstelle, der Kontakt zur Stadtverwaltung sei sehr gut. „Davon profitieren wir sehr, dass zumindest die Koordinierungsaufgaben von der Stadt übernommen werden“, so die 42-Jährige.

Als Heyer-Stuffer, Gonzalez Olivo und die anderen 2014 den Beirat übernahmen, war der Anfang nicht leicht, wie die beiden berichten. Es habe keine Übergabe stattgefunden, die Kontinuität war unterbrochen, weil alle Mitglieder bei der Wahl ausgetauscht wurden. Erst mit der Zeit schärfte der Beirat sein Profil, legte seine Agenda fest und auch die Zuständigkeiten für die Betreuung der Ausschüsse der Stadtverordneten oder anderer Gremien. Auch wurde nicht mehr jeder Stand auf jedem kulturellen oder gesellschaftlichen Fest, zu denen der Beirat eingeladen wurden, besetzt. „Wir mussten hier die richtige Balance finden“, so Gonzalez Olivo. Wendepunkt sei eine Vorstellungstour der beiden Frauen durch die Fraktionen gewesen, bei der sie den Beirat, seine Mitglieder und Aufgaben vorgestellt haben, fügt Heyer-Stuffer hinzu. „Wir haben unsere Arbeit professionalisiert und werden seitdem mehr wahrgenommen und beachtet.“

Beirat machte auf die Probleme bei der Ausländerbehörde aufmerksam

Auch inhaltlich konnte der Beirat einiges bewegen, auch wenn er in der Öffentlichkeit selten wahrgenommen wurde. Erst jüngst machte das Gremium auf die Probleme bei der Potsdamer Ausländerbehörde aufmerksam, wo es unter anderem zu langen Verzögerungen und Schwierigkeiten bei der Terminvergabe kam, so Gonzalez Olivo. Das Ergebnis sei nun eine Umfrage in der Behörde, die ab Ende Februar 2019 durchgeführt werden soll.

Als 2015 und 2016 besonders viele Flüchtlinge nach Potsdam kamen, setzte sich der Migrantenbeirat zudem dafür ein, dass sie möglichst dezentral und in kleinen Unterkünften untergebracht werden. Auch zahlreiche Anwohnerversammlungen, die bei der Einrichtung neuer Unterkünfte veranstaltet wurden, besuchten sie – unter anderem um Vorurteilen gegen die neuen Bewohner entgegenzuwirken. „Das waren teils heftige Auseinandersetzungen, die mich auch erschüttert haben“, erinnert sich Gonzalez Olivo. Auch, weil sie selbst ausländische Wurzeln habe. „Aber gerade deshalb möchte ich mich engagieren. Es geht ja um die Gesellschaft, in der unsere Kinder groß werden.“

+++ Hintergrund: Kandidaten brauchen fünf Unterschriften

Wahlberechtigt zur Wahl des Migrantenbeirats sind alle Potsdamer mit einem ausländischen Pass sowie Deutsche mit einer zweiten Staatsangehörigkeit. Weitere Voraussetzungen sind die Vollendung des 16. Lebensjahres und dass die Wähler seit mindestens drei Monaten in Potsdam gemeldet sind. Das sind derzeit etwa 16 000 Personen, fast doppelt so viele wie bei der Wahl 2014. Die Wahlbeteiligung lag vor fünf Jahren bei nur 12,1 Prozent. Gewählt werden können all jene, die über 18 Jahre alt sind und seit mindestens drei Monaten in Potsdam leben. Außerdem müssen sie fünf Unterschriften von Wahlberechtigten vorlegen können – also von in Potsdam lebenden Migranten. Noch bis zum 10. April können Interessierte ihre Kandidatur einreichen. Am 26. April werden dann die Wahlunterlagen verschickt, jeder Wähler kann nur eine Stimme vergeben und muss sich demnach für einen der elf Kandidaten entscheiden. Auf dem Zettel stehen lediglich Name, Staatsangehörigkeit und Beruf. Die ausgefüllten Wahlunterlagen können entweder per Post versandt oder in eine der Wahlurnen geworfen werden. Wo genau diese Urnen aufgestellt werden, wird noch bekanntgegeben – auf jeden Fall aber in den Wahllokalen für die Kommunal- und Europawahl, die ebenfalls am 26. Mai stattfindet. So können Ausländer, die mit einem Deutschen oder einer Deutschen verheiratet sind, gemeinsam mit diesem zur Wahl gehen. Katharina Wiechers

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