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Maximilian Redwitz, Jonas Varga und Fabien Matthias (v. l.) vom Start-up Ecopals

© Ecopals

Potsdam als Vorreiter: Plastikstraßen für eine bessere Ökobilanz

Ein Potsdamer und zwei Freunde haben an der Havel und in Nepal Pilotprojekte entwickelt. Mit ihrem Start-up verfolgen sie das Ziel einer CO2-neutralen Bauindustrie.

Von Carsten Holm

Potsdam - Was haben eine Straße in der nepalesischen 200.000-Einwohner Stadt Bharatpur und die Potsdamer Straße gemein? Auf den ersten Blick nicht viel: Bharatpur liegt 150 Kilometer von der Hauptstadt Kathmandu und nicht weit von den Tigern, Krokodilen und Nashörnern des Chitwan-Nationalparks entfernt. 

Auch Potsdam hat viel Natur, aber keine wilden Großtiere. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten: Drei junge Männer haben in beiden Städten dafür gesorgt, dass beim Neubau einer Straße nicht, wie in der ganzen Welt üblich, herkömmlicher Asphalt aufgetragen, sondern erdölbasiertes Bitumen teils durch recyceltes Plastik ersetzt wurde.

Der heute 25-jährige Potsdamer Jonas Varga hatte seine Kommilitonen Fabien Matthias, 25, aus Kleinmachnow und den 29-jährigen Maximilian Redwitz aus dem baden-württembergischen Bad Boll an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen kennengelernt. Varga, sein Vater ist Sonderpädagoge, seine Mutter arbeitet für die Wohnungsgenossenschaft Karl Marx, studierte nach dem Abitur am Potsdamer Helmholtz-Gymnasium Wirtschaftswissenschaften, Matthias Soziologie, Politik und Wirtschaft, Redwitz Psychologie und Wirtschaft. 

Bei der Sanierung der Potsdamer Straße wurde nicht- recyclebares Plastik beigemischt und so erdölbasiertes Bitumen gespart.
Bei der Sanierung der Potsdamer Straße wurde nicht- recyclebares Plastik beigemischt und so erdölbasiertes Bitumen gespart.

© Ecopals

Am Bodensee wuchsen Freundschaften und entstanden Ideen

Dort, am Bodensee, wuchsen Freundschaften und entstanden Ideen, die weit über ihre Studienfächer hinausgehen. Die drei sannen über Zukunftsprojekte nach, mit denen der Zusammenhalt der Gesellschaft gestärkt werden und die Ökobilanz mit innovativen Ideen verbessert werden könnte.

Fabien Matthias reiste nach Nepal und arbeitete dort als Englisch-Lehrer. Er erlebte 2015 mit, wie ein schweres Erdbeben schlimme Schäden anrichtete, sammelte Spendengelder, mit denen er den Nepalis half, zerstörte Häuser wiederaufzubauen. Er übernahm mit seinem Verein Nidisi Bildungspatenschaften und entwickelte biologisch abbaubare Menstruationsbinden. Immer wieder machten ihm die Berge von Plastikmüll zu schaffen, die, wie vielerorts in Asien, in den Dörfern und Städten verbrannt werden.

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Mit Jonas Varga, der auch nach Nepal gereist war, formulierte er eine Vision: In dem Land der höchsten Berge der Welt waren nach dem Erdbeben viele Straßen zerstört, „und wir überlegten, wie man das Problem des Plastikmülls mit dem Straßenbau zusammenbringen könnte“. Dabei stießen sie auf eine Idee aus Indien, für den Auftrag von Asphalt nicht, wie üblich, Bitumen mit Steinen, sondern mit recycelten Plastiks zu vermengen. 

Varga und Matthias taten sich in Bharatpur mit einem Straßenbauer zusammen, zerkleinerten Plastik und gaben es in den Mischer. Der Kunststoff schmolz, ein neuer Fahrbahnbelag und ein Pilotprojekt waren geboren. „Die Nepalis fahren jetzt noch immer auf unserem Belag”, erzählt Vager.

„Ecoflakes” aus Altplastik

Daheim in Deutschland gründeten sie mit Maximilian Redwitz das Start-up Ecopals, und sie hatten Glück, dass sie auch das renommierte Fraunhofer-Institut für Chemische Technologien (ICT) und die Universität in Kassel für ihre Vision begeistern konnten. Gemeinsam entwickelte man die „Ecoflakes”, und bei einem weiteren Pilotprojekt in der Potsdamer Straße wurden auf einer Strecke von 200 Metern zwei Tonnen der Flocken verbaut. 

Der Belag kostet laut Stadtverwaltung rund 45.000 Euro.
Der Belag kostet laut Stadtverwaltung rund 45.000 Euro.

© Ecopals

„Wir haben uns sehr gefreut, dass Potsdam die Verwendung von Alt-Plastik im Straßenbau als erste Stadt in Deutschland ausprobiert hat“, sagt Varga, „nach unseren Berechnungen wurden dadurch 2,2 Tonnen CO2 eingespart“. Zum Vergleich: Bei einem Flug von Berlin nach München werden über 100 Kilogramm CO2 ausgestoßen. 

Das Ziel: eine CO2-neutrale Bauindustrie

Der Belag, teilte die Stadtverwaltung auf Anfrage mit, habe mit „Ecoflakes” rund 45.000 Euro gekostet, mit herkömmlichem Asphalt wären es etwa 36.000 Euro gewesen. Die Bauverwaltung, so Pressesprecher Markus Klier, habe aber ein „großes Interesse daran, den Straßenbau mit einer positiveren Ökobilanz zu gestalten“. Sie wolle „an der Weiterentwicklung nachhaltiger Straßenbaumateralien mitwirken“. Weitere Pilotprojekte gibt es in Aschaffenburg an einer Zufahrtsstraße und an zwei Bushaltestellen in Kiel.

Geld verdienen die drei Start-up-Männer mit ihren Innovationen noch nicht, bis zu ihrem großen Ziel einer CO2-neutralen Bauindustrie ist es noch ein weiter Weg. Bis Ende Oktober ist jeder mit einem Stipendium über monatlich 1500 Euro materiell gesichert. „Das ist“, so Varga, „ein großer Luxus, wenn man so leben kann“.

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