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POSITION: Starke Bürger oder starker Staat?

Mit einer modernen Kunsthalle gegenüber dem Landtag hätte Hasso Plattner eine Zeitenwende im Denken eingeläutet Doch Potsdam fehlt die Tradion als Bürgerstadt und der Weg dorthin braucht Geduld, sagt Iris Jana Magdowski

Schön, dass Gerrit Gohlke und Wilhelm Neufeld sich zu Wort gemeldet haben. Eine Bürgerstadt lebt davon, dass Bürger ihre Meinung frei äußern und dafür auch die Öffentlichkeit als Forum wählen. Zu der Bürgerstadt gehören aber auch jene Bürger, die andere Ansichten vertreten und sie ebenso offen äußern. Die fünf Thesen der beiden Kunstprotagonisten haben die Galeristin Sehmsdorf auf den Plan gerufen, die daran erinnert hat, dass nach der Absage Hasso Plattners die kulturpolitischen Kräfte dort konzentriert werden müssen, wo bereits Neues entstanden ist: im Potsdam Museum. Sie verweist auf die große Bedeutung der eigenen Künstlerschaft in und für die Stadt. Die Thesen von Gerrit Gohlke und Wilhelm Neufeld sollen auch seitens der Stadt eine Erwiderung finden.

Es stimmt: Mit einer modernen Kunsthalle gegenüber dem Landtag hätte Hasso Plattner für Potsdam eine Zeitenwende im Denken eingeläutet. Vieles orientiert sich bei uns an einer zugegebenermaßen historisch bedeutsamen Vergangenheit. Mit dem selbstbewussten Bürgertum der freien Reichsstädte, die über Jahrhunderte ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen konnten, können wir nicht aufwarten. Die Forderung, Potsdam solle kulturelle Bürgerstadt sein, leitet sich aus einer Tradition ab, die Potsdam fehlt, und der Weg dorthin braucht Geduld, Fingerspitzengefühl und politischen Konsens. Daran hat es teilweise bei Hasso Plattners Kunsthalle gefehlt. Der Bürger Hasso Plattner wollte ein privates Bauvorhaben realisieren und dieses später als Kunsthalle der Öffentlichkeit zugänglich machen. In den Diskussionsprozessen entstand aber durchaus der Eindruck, dass der Bürger Hasso Plattner vor allem eine Funktion haben sollte: Sein Geld zur Verfügung zu stellen. Diese zugegebenermaßen überspitzte These soll den Blick dafür schärfen, dass jede Stadt ihre eigene Geschichte hat und Importmodelle aus dem Westen Deutschlands der andersartigen historischen Entwicklung nicht gerecht werden können.

Daraus allerdings herzuleiten, dass Potsdam kein Kunststandort sei, weil „im zentralen Bereich der bildenden Kunst Almosen verteilt werden, statt Standards zu setzten“ ist schon ein bisschen kühn. Die Potsdamer Bürgerschaft hat eine politische Vertretung gewählt, die darüber entscheidet, welche Institutionen welche Zuwendungen erhalten. Die Kulturförderung in Potsdam ist seit 2010 um mehr als zwölf Prozent erhöht worden. Eine weitere kräftige Erhöhung steht für den Doppelhaushalt 2013/2014 an. Natürlich entfällt dabei ein großer Anteil auf die Institutionen, die im unmittelbaren Verantwortungsbereich der Stadt stehen. Die ausreichende Finanzierung des neuen Potsdam Museums hat dabei einen wichtigen Schwerpunkt gebildet und es hat sich gelohnt! Der Brandenburgische Kunstverein, dem seitens der Stadt der Pavillon an der Freundschaftsinsel für Ausstellungszwecke kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde und der Kunstverein Kunsthaus Potsdam im Ulanenweg erhalten jährlich insgesamt 40 000 Euro an Förderung. Eine politische Forderung von Wilhelm Neufeld, weitere 20 000 Euro Förderung seitens der Stadt zu erhalten, konnte die Verwaltung nicht erfüllen. Dass die Enttäuschung darüber groß ist, kann ich verstehen. Als ehemalige Kulturdezernentin von Stuttgart, die den Wirkungsgrad eines großen Kunstvereins schätzen gelernt hat, erlaube ich mir aber auch die Frage, ob nicht den gemeinsamen Thesen für beide Kunstvereine nun auch eine gemeinsame Struktur folgen könnte.

Was die weiteren Forderungen an die Stadt Potsdam angeht, so würde ich gern mit beiden Verfassern darüber diskutieren, ob sie nun die Bürgerstadt mit den starken Bürgern oder den starken Staat wollen. Da soll die Stadt „die privaten Sammler aktiv mit den Institutionen vernetzen und im Schulterschluss privater und öffentlicher Förderung ein Netzwerk kultureller Bildung knüpfen“. Die beiden beklagen, dass Potsdam eine Sammlerstadt sei, aber seine Sammler sich selbst überlasse. Nimmt man den Grundsatz, staatliches Handeln dürfe nicht in alle Lebensbereiche hineinregieren, ernst, so wird derzeit in der gebotenen Zurückhaltung im Potsdam Museum gemeinsam mit dem Förderverein ein intensiver Austausch mit Sammlern, die für die Arbeit des Museums wichtig sind, gepflegt.

Ich teile die Auffassung der Autoren, dass die Kunst ein wesentliches Element für die Zukunftsfähigkeit der Stadt ist. Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum sind wichtige Elemente für die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst für die Bürgerschaft. Ein Skulpturenpfad, der mit Leihgaben begonnen wird, weil die investiven Mittel schon für Bibliothek und Museum gebunden sind, ist dafür zu wenig. Schön, dass mit dem Landtagsneubau auch die zeitgenössische Kunst mit der Arbeit von Florian Dombois einen Ort findet.

Die kulturpolitischen Konzepte der Landeshauptstadt werden 2013 aktualisiert und fortgeschrieben. Hierbei geht es auch um die Verzahnung mit der Kulturstrategie 2012 des Landes Brandenburg. Wenn die Autoren fordern, dass Potsdam Berlin als Chance begreifen muss, auf deren Künstlercommunity zugegriffen werden kann, dann muss vorweg aber auch die Frage erlaubt sein, wie wir es mit den Potsdamer und Brandenburger Künstlern halten wollen. Die Künstler bilden den Humus einer Kulturstadt. Die überbordende Nachfrage nach Wohnimmobilien hat dazu geführt, dass an vielen Standorten Künstler einem Verdrängungswettbewerb ausgesetzt sind. Das gilt nicht nur für das Kunsthaus „sans titre“ und die dort tätigen Künstler, die in wenigen Jahren unter Beweis gestellt haben, wie exzellente künstlerische Arbeit und eine exzellente Ausstellungstätigkeit unter schwierigsten Startbedingungen möglich ist.

Die Autorin ist Beigeordnete für Bildung, Kultur und Sport der Landeshauptstadt Potsdam und bezieht sich in ihrem Beitrag auf eine Position von Gerrit Gohlke und Wilhelm Neufeld vom 27. März, „Stadt ohne Mitte – Fünf Thesen für ein neues Potsdam als kulturelle Bürgerstadt“, und auf Friedericke Sehmsdorfs Replik „Thesenverbrämt“ vom 6. April.

Iris Jana Magdowski

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