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Unübersichtlich. Pkw von allen Seiten, dazwischen Schulkinder zu Fuß und auf Fahrrädern – mit und ohne Eltern.

© Andreas Klaer

Polizeikontrollen vor Potsdams Schulen: Gefahr durch Elterntaxis

Die Potsdamer Polizei rät dazu, Kinder alleine zur Schule gehen oder fahren zu lassen. Das sorgt für Sicherheit aller.

Potsdam - Kurz vor acht Uhr morgens an der Grundschule „Am Jungfernsee“: Der Fahrer eines Range Rovers mit seinem Kind auf dem Beifahrersitz sieht sich angespannt nach einem Parkplatz um, während bereits von hinten und rechts weitere „Elterntaxis“ über die Kreuzung wollen, dazwischen immer wieder Gruppen von Schüler:innen, die zu Fuß oder mit dem Rad Richtung Schuleingang fahren. Irgendwann wird das Gedränge zu groß, ein Polizist stellt sich an die Kreuzung, lässt zunächst alle Eltern und Kinder durch, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, und winkt dann die Pkw weiter.

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Die Kontrolle zum Schulstart ist der Auftakt der Polizei Potsdam zu einer Aufklärungskampagne zum Thema Elterntaxis: „Im ersten Moment erscheint es für viele Eltern besonders sicher, das Kind mit dem Auto möglichst nahe an die Schule zu fahren. Doch gerade dadurch können gefährliche Situationen entstehen“, sagt Sven Mutschischk, stellvertretender Leiter der Polizeidirektion West. Ein Teufelskreis: Eltern haben Angst um die Sicherheit ihrer Kinder, fahren sie im Auto zu Schule, erhöhen dadurch das Verkehrsaufkommen, behindern oder gefährden potenziell andere Kinder, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule kommen, was wiederum deren Eltern um ihre Sicherheit fürchten lässt.

Nicht immer sind nur die Eltern schuld

An der Grundschule „Am Jungfernsee“ kommt es dadurch immer wieder zu Verstößen: „Es wird zum Teil im absoluten Halteverbot geparkt, auf Behindertenparkplätzen oder Anwohnerparkplätzen“, sagt Revierpolizist Marcus Stein. Ein weiteres Problem sind die Kunden der nahen Bäckerei, die trotz fünf eigens zur Verfügung gestellten Parkplätzen häufig auf der Straße parken und diese so verengen. „Heute haben wir aber keine Verstöße gegen die Parkordnung feststellen können“, sagt Stein am Montagmorgen.

Im Gespräch. Gezielt hat die Polizei am Montag vor der Grundschule „Am Jungfernsee“ Eltern angesprochen.
Im Gespräch. Gezielt hat die Polizei am Montag vor der Grundschule „Am Jungfernsee“ Eltern angesprochen.

© Andreas Klaer

Nach Ablauf der ersten Woche der diesjährigen Schulwegkontrollen hat die Polizeidirektion West, die neben Potsdam auch für Potsdam-Mittelmark, das Havelland, Teltow-Fläming sowie Brandenburg / Havel zuständig ist, insgesamt 867 Ordnungswidrigkeiten notiert: 592 davon waren Geschwindigkeitsüberschreitungen, bei einer Kontrolle vor dem Humboldt-Gymnasium wurde ein Auto mit 67 Kilometer pro Stunde gemessen – dort gilt Tempo 30. Zudem wurde 40-mal ein Fehlverhalten von Radfahrenden festgestellt, in 26 Fällen die Verletzungen der Gurtpflicht – davon in sechs Fällen fehlende Sicherung von Kindern - , sowie sechsmal fehlende Benutzung von Kindersitzen.

Probleme mit Elterntaxis an allen Schulen ähnlich

Solche Zahlen sorgen natürlich bei besorgten Eltern für Unruhe. Die Gründe, die Eltern vorbringen, warum sie ihr Kind mit dem Auto zur Schule zu fahren, sind vielfältig: „Eine Frau sagte mir gerade, sie führt ihre Tochter daran heran, den Schulweg mit dem Rad zurückzulegen, aber auf dem Radweg an der Nedlitzer Straße würden häufig Radler in Gegenrichtung fahren“, so Stein. Andere Sätze, die er oft hört: „Ich habe mein Kind heute zum ersten Mal mit dem Auto zur Schule gebracht“, „Wir wohnen sehr weit weg“ oder „Der Weg ist einfach zu unsicher“. Ein Phänomen, das sich keineswegs auf die Grundschule „Am Jungfernsee“ beschränkt: „Es ist an allen Schulen so“, sagt Stein. Besonders schwierig sei die Situation an der Karl-Foerster-Schule in Bornstedt und der Rosa-Luxemburg-Schule in der Innenstadt.

Selbstständigkeit der Schüler stärken

Die Polizei verteilt aus diesem Grund Broschüren mit Alternativ-Vorschlägen zum Elterntaxi  und reflektierende Buttons für Kinder mit der Aufschrift „Bis zur Tür? Nicht mit mir! Fußbus statt Elterntaxi“. Mutschischk betont, dass man die Selbstständigkeit der Grundschüler:innen stärken müsse: „Für die Entwicklung von Kindern ist es wichtig, sich selbstständig und sicher im Straßenverkehr bewegen zu können. Dies klappt allerdings nur durch ausreichend Übung – und diese bietet der tägliche Schulweg.“

Erstaunlich viele Eltern bringen ihre Kinder persönlich zur Grundschule „Am Jungfernsee“ und begleiten sie bis an den Schuleingang. „Manche Eltern können sich nicht von ihren Kindern trennen“, sagt Stein. Er ist selbst Vater, sein Sohn gehe immer alleine zur Schule und nimmt den Bus. „Er hat sich auch mal verfahren, aber dann ist er halt ausgestiegen und ist wieder zurückgefahren“, sagt Stein. „Man muss auch mal loslassen können, nur dann können Kinder selber etwas lernen.“

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