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Polizei (Symboilbild)

© Sebastian Gabsch PNN

Polizeigewalt in Potsdamer Gewahrsam: Schmerzensgeld für amputierte Fingerkuppe

Nach der Verletzung eines Afrikaners in einer Polizeiwache: Ermittlungen gegen Geldzahlung eingestellt.

Potsdam - Die Geschichte machte damals monatelang Schlagzeilen: Ein junger Kenianer wurde im Polizeigewahrsam in Potsdam so schwer verletzt, dass er eine Fingerkuppe verlor. Nun kann der 19-Jährige zumindest auf Schmerzensgeld hoffen. Die Ermittlungen gegen den verantwortlichen Polizisten sind allerdings gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden.

Beim Türzuschlagen Finger gequetscht

Über den Fall dieses schief gelaufenen Polizeieinsatzes hatte zunächst die Berliner Tageszeitung „taz“ berichtet. Demnach war der Afrikaner nach einem Wortgefecht mit anderen Personen als einziger in Gewahrsam genommen worden, ausgerechnet am Tag seiner Geburtstagsfeier am 27. Oktober 2019. Ermittlungen wegen des Besitzes einer geringen Drogenmenge hatte die Staatsanwaltschaft später eingestellt. Jedenfalls sollte der Kenianer über Nacht bei der Potsdamer Polizei in deren Wache in der Henning-von-Tresckow- Straße bleiben – gegen seinen Willen, wie auch sein Anwalt Falko Drescher betont hatte. Als ein Beamter dann den Afrikaner in die Zelle bringen wollte, habe sich sein Mandant am Türrahmen festhalten wollen, sodann habe ein Polizist die Tür zugeschlagen und dem Gefangenen den rechten Mittelfinger eingeklemmt.

In Zelle bewusstlos geworden

Als der Heranwachsende die Schwere der Verletzung in der dunklen Zelle bemerkte, habe er nach seinen Angaben mehrfach um Hilfe gerufen, bis er bewusstlos wurde. Doch erst eine Polizistin in der Frühschicht habe gegen acht Uhr einen Rettungswagen geholt – was so zumindest auch die Polizei bestätigt. Warum dies allerdings erst Stunden später auffiel, ist auch nach den Ermittlungen noch unklar.

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Denn die Untersuchungen an sich sind nun nach mehr als eineinhalb Jahren beendet. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam bestätigte auf PNN-Anfrage, dass gegen einen Polizisten angestrengte Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung sei mit Zustimmung des Amtsgerichts gegen die Zahlung einer Geldauflage an eine gemeinnützige Einrichtung „endgültig eingestellt“ worden – ein Gerichtsverfahren wird es also nicht geben. Dieses Agieren ist laut  Strafprozessordnung möglich, um das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und wenn die Schwere der Schuld dem nicht entgegensteht.

Staatsanwalt sah keine Vorsätzlichkeit

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft habe es jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Tat gegeben. Nach der Rekonstruktion des Tatablaufs habe sich das „gutachterlich festgestellte Verletzungsbild nicht in jeder Hinsicht mit den Angaben des Tatopfers“ vereinbaren lassen, so ein Sprecher der Behörde. Und weiter: „Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Berechenbarkeit des Verhaltens des augenscheinlich sehr aufgebrachten und den polizeilichen Anweisungen nicht vollumfänglich Folge leistenden Geschädigten bestand lediglich ein hinreichender Tatverdacht für einen Fahrlässigkeitsvorwurf“ gegen den Polizisten. Die auch von einem Rechtsmediziner untersuchte Verletzung sei eben auch durch eine „atypische Bewegung“ des Geschädigten mitverursacht worden. 

Der beschuldigte Polizist habe keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen zur Verhinderung einer Verletzung ergriffen, hieß es zur Begründung weiter. Ferner teilte die Behörde mit: Ein hinreichend ausermittelter Tatverdacht „gegen den Beschuldigten oder andere Personen“ zu möglichen strafrechtlichen Ermittlungen wegen des besagten langen Zeitraumes zwischen Verletzung und ihrer ärztlichen Versorgung habe sich „nicht begründen“ lassen.

Höhe des Schmerzensgeld wird noch geprüft

Abgeschlossen ist das Verfahren gleichwohl noch nicht. So bestätigte ein Sprecher des Polizeipräsidiums, nach der Einstellung der Ermittlungen würde nun das begonnene Disziplinarverfahren gegen den Beamten fortgesetzt und zum Abschluss gebracht. Details könne man erst danach bekannt geben. Zudem habe die Polizei nach erfolgter Prüfung gegenüber dem Anwalt des betroffenen Mandanten den Anspruch auf Schmerzensgeld „dem Grunde nach bestätigt“

Lediglich die Höhe der Geldsumme werde aktuell noch geprüft, so der Polizeisprecher. Der Jurist Falko Drescher hatte wie berichtet 10 000 Euro für seinen Mandanten gefordert – weil eben in Folge der Verletzung in der Polizeiwache die Fingerkuppe amputiert werden musste.

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