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Erfahrung mit Alltagsrassismus. Sophie Sumburanes Text fand im Internet ein breites Echo.

© Andreas Klaer

PNN-Interview: „Jemand warf mir ,Rassenschande‘ vor“

Sophie Sumburane ist von Sachsen nach Potsdam gezogen, weil sie und ihr mosambikanischer Mann den Rassismus nicht mehr ertrugen. Auf ihrem Blog schrieb sie über ihre Erfahrungen - und erntete erneut Hass.

Frau Sumburane, wie lange haben Sie mit Ihrem Mann und Ihren Kindern in Sachsen gelebt?

Sechs Jahre in Leipzig, ich habe da studiert. Mein Mann ist 2008 zu mir gezogen. 2014 sind wir nach Potsdam gezogen.

Die Gründe dafür haben Sie Ende September in Ihrem Blogartikel „Die Sächsische Schweiz und die AfD“ geschildert, der im Internet und den sozialen Netzwerken viel gelesen und geteilt wurde. Was für Situationen sind Ihnen in Leipzig begegnet?

Der Alltagsrassismus ist ziemlich deutlich zu spüren: Man hat meinem Mann auf offener Straße Schimpfwörter hinterhergeworfen, behauptet, er würde stinken und Ähnliches. Als wir im Zoo waren, kamen uns Leute entgegen, die sagten: „Da ist einer aus dem Affenhaus abgehauen.“ Und dann traf es auch immer mal meine Tochter, die zum Beispiel von einem anderen Kind im Kindergarten „Kaka“ genannt wurde. Die Eltern haben drüber gelacht.

Und das waren keine Einzelfälle, sondern Alltag?

Ja, vielleicht einmal pro Woche ist so was passiert. Es gab auch Leute, die meinem Mann vorwarfen, er sei ein Sozialschmarotzer. Wenn er allein unterwegs war, gab es Kommentare, er habe sich sein Visum ervögelt und so was.

In Ihrem Artikel schreiben Sie, Sie hätten das meist versucht zu ignorieren und nichts gesagt. Warum haben sie nun kurz nach der Bundestagswahl diesen Artikel veröffentlicht?

Der Anlass war das Wahlergebnis der AfD. Da hab ich gemerkt, dass man aufhören muss, darüber zu schweigen. Wenn man das stumm hinnimmt, toleriert man solches Verhalten gleichzeitig.

Was für Reaktionen haben Sie auf Ihren Artikel bekommen?

Zunächst relativ positive, es gab viel Zuspruch und viele waren auch sehr schockiert, weil sie das als Nicht-Betroffene alles nicht mitkriegen. Einige meinten, sie hätten das Problem mit dem Alltagsrassismus als gar nicht so groß eingeschätzt. Das hat mich wiederum schockiert – denn ich dachte, das wäre klar. Als mein Artikel dann auch bei „Focus Online“ erschien, gingen die Hasskommentare los. Sachen wie „Selber schuld“, „Wander doch aus“ waren noch die leichte Variante. Das Krasseste war, als mir jemand vorwarf „Rassenschande“ begangen zu haben – das habe ich auch zur Anzeige gebracht. Die große Welle ist mittlerweile vorbei, aber ich bekomme immer noch solche Nachrichten, wo mir unter anderem „Ossi-Bashing“ unterstellt wird.

Sie sind dann nach Potsdam gezogen, schreiben dazu aber in Ihrem Text: „Die braune Soße ist uns hinterhergeflossen.“ Dabei gilt Potsdam ja als Stadt mit einer starken linksalternativen Szene.

Die hat Leipzig ja auch, aber auch in Potsdam gibt es seit Langem ein Problem mit Rassismus, ich erinnere nur daran, dass 2006 hier ein Äthiopier an einer Bushaltestelle krankenhausreif geprügelt wurde...

Vor Gericht konnte ein rassistisches Motiv damals zwar nicht nachgewiesen werden. Aber der Fall löste eine bundesweite Debatte über Fremdenfeindlichkeit aus

Wir selber haben uns in Potsdam eigentlich immer wohlgefühlt, aber seit dem Beginn der Flüchtlingskrise 2015 gibt es auch hier vermehrt rassistische Kommentare, auch wenn es nicht so schlimm ist wie in Leipzig. Ein Großvater hat seiner Enkelin im Kindergarten verboten, meiner Tochter „Tschüss“ zu sagen, weil sie „dreckig“ sei. Ein anderes Kind spielt nicht mehr mit ihr, seit seine Mutter mit einem AfD-Wähler zusammen ist.

Auch in Potsdam hat die AfD 13,5 Prozent geholt – wie ist es, in einer Stadt mit Alexander Gauland zu leben?

Daran haben wir uns gewöhnt, in Leipzig wohnte der frühere NPD-Chef Holger Apfel in unserer Nachbarschaft. Ich finde es sehr traurig, dass es Menschen gibt, die andere Menschen grundlos hassen, einfach, weil sie anders aussehen. Jemand wie Gauland macht Menschen, die ihm nichts getan haben, für Probleme verantwortlich, die ganz andere Ursachen haben.

Welche Erkenntnisse haben Sie aus Ihren bisherigen Erfahrungen gezogen?

Ein Aha-Moment für mich war, dass viele Leute Alltagsrassismus gar nicht mitkriegen, weil sie nicht betroffen sind und dass man selber viel lauter sein muss, um das anderen Menschen zu vermitteln.

Auch wenn der Rassismus in Potsdam weniger ausgeprägt ist als in Leipzig: Haben Sie überlegt, einmal woanders hinzuziehen?

Nein, wegziehen ist keine Lösung – das Problem zieht einem hinterher, im Westen wie im Osten. Der richtige Weg wäre jetzt, gegen dieses Gedankengut vorzugehen und Aufklärung zu leisten.

+++

Zur Person:

Sophie Sumburane, 30, ist gebürtige Potsdamerin. Sie studierte in Leipzig Germanistik und Afrikanistik und lebt heute als freie Schriftstellerin in Potsdam. Sie bloggt im Internet auf www.sophiesumburane.com

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