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Neun Bewohner leben zurzeit im „Omi-Opi-Haus 2“ und werden von Pflegekräften betreut.

© Andreas Klaer

Pflegebedürftige Menschen in Potsdam: Würde in der Wohngemeinschaft

Neun Demenzpatienten leben im „Omi-Opi-Haus 2“ in der Berliner Vorstadt. Anja Pajung hat das Haus gegründet – weil ihre Mutter erkrankte. Ein Besuch.

Von Birte Förster

Potsdam - Der Tag beginnt für die Bewohner des „Omi-Opi-Hauses 2“ in der Rembrandtstraße zumeist recht früh. Nicht, weil das irgendeine festgelegte Tagesstruktur in der Wohngemeinschaft für Demenzkranke vorgibt. Es ist einer der Bewohner, der schon früh am Morgen leise durch das Haus schleicht, in den Zimmern seiner Mitbewohner aufkreuzt und sie weckt. Der kleine Mann mit den buschigen grauen Augenbrauen läuft auch sonst munter, oft mit einem verschmitzten Grinsen, durch das Haus und den Garten und erzählt alte Geschichten von seiner Zeit im Kaukasus. Hin und wieder fällt auch mal ein Satz auf Russisch. Wie die anderen der insgesamt neun Bewohner des Hauses, darunter sieben Frauen und zwei Männer, ist er demenzkrank.

Es ist die zweite Wohngemeinschaft dieser Art in Potsdam

Überall im Haus herrscht Trubel. In Wohnzimmer, Küche und auf der Terrasse, die in den Garten führt, wuseln Bewohner, Angehörige und Pfleger umher. Es wird gekocht, gegessen und geplaudert. „Das ist das Besondere hier, dass alle noch aktiv am Leben teilnehmen können“, sagt Anja Pajung. Die 46-Jährige hat im März das sogenannte „Omi-Opi-Haus 2“ gegründet, eine von Angehörigen geführte Wohngemeinschaft für Demenzkranke. Es ist bereits die zweite dieser Wohngemeinschaften in Potsdam, die erste wurde 2014 in der Heinrich-Mann-Allee eröffnet.

Konkreter Fall regte zur Gründung an

Pajung hat das „Omi-Opi-Haus 2“ in der Rembrandtstraße wegen ihrer Mutter gegründet. Das Ganze, so sagt sie, geschah aus einer Notsituation heraus. Pajungs Mutter war vorher in einem Seniorenheim untergebracht. Dort sei sie schlecht versorgt worden und verwahrloste immer mehr. Deshalb nahm Pajung die Dinge selbst in die Hand: Sie mietete das große Haus in der Berliner Vorstadt und gründete eine Pflegeeinrichtung für Senioren. Unterstützt wird sie dabei vom Potsdamer Verein Lebenswert, der das erste „Omi-Opi-Haus“ gegründet hat. Insgesamt zwölf Pfleger seien in dem Haus in der Rembrandtstraße tätig, zwei bis drei pro Schicht. Außerdem seien regelmäßig auch Angehörige der Bewohner dort.

Regelmäßige Fortbildungen für Personal und Angehörige

„Jeder bringt sich mit seinen Stärken ein“, sagt Pajung, die als Coach für verschiedene Unternehmen arbeitet. Manche der Angehörigen kochen, andere kümmern sich um den Garten. Auch das Haus haben alle zusammen vor dem Einzug der Bewohner eingerichtet. Einmal im Monat treffen sich sowohl Pfleger als auch Angehörige, um über verschiedene Themen zu sprechen und neue Aufgaben zu verteilen. Dazu kommen regelmäßige Fortbildungen sowohl für die Pfleger als auch für die Angehörigen. 

Die Räume in dem Haus sind hell und gemütlich. Pajung zeigt bei einem Rundgang, wer in welchem Zimmer untergebracht ist. Meist teilen sich zwei oder drei Bewohner ein Zimmer. Das war in ihren alten Heimen anders. Viele von ihnen hätten alleine gewohnt, erklärt Pajung. Nachts schliefen sie oft schlecht, wachten auf und hatten Angst. „Sie können sich nicht orientieren.“ Eine Bewohnerin litt unter Panikattacken. Mit Medikamenten seien viele von ihnen ruhiggestellt worden. Den Angehörigen sei von den Ärzten versichert worden, „dass das alles notwendig ist“, erzählt Pajung. Das sei im „Omi-Opi-Haus 2“ nun anders. Viele der Bewohner würden wieder durchschlafen, die Anwesenheit der Zimmernachbarn beruhige sie. Inzwischen konnten laut Pajung sogar die Medikamente abgesetzt werden.

Anja Pajung hat das „Omi-Opi-Haus 2“ in der Rembrandtstraße gegründet.
Anja Pajung hat das „Omi-Opi-Haus 2“ in der Rembrandtstraße gegründet.

© Andreas Klaer

Es besteht Bedarf für weitere Häuser

Die Bewohner fühlen sich in dem Haus sichtlich wohl. Sie haben die Möglichkeit, sich im Alltag einzubringen, mit zu kochen oder können sich zurückziehen, wenn ihnen danach ist. Für Pajung war mit dem Projekt ein großes Risiko verbunden. Als sie das große Haus gemietet hat, habe sie nicht einmal gewusst, ob sie überhaupt weitere Bewohner finden würde, erzählt sie. Außerdem müsse man vieles vorfinanzieren. Ein Beispiel ist der neue Treppenlift. Die 16 000 Euro für den Lift hätten sie von der Krankenkasse noch nicht zurückerstattet bekommen. Trotz der Widrigkeiten möchte sie andere Menschen ermutigen, auch eine Demenz-WG zu gründen. Der Bedarf für weitere Häuser sei da. Auf der Warteliste für die WG in der Rembrandtstraße stünden 22 Interessierte. Pajung plant, weitere „Omi-Opi-Häuser“ zu eröffnen. Derzeit sammelt sie dafür Spenden. „Ich habe gemerkt, dass das eine Berufung ist“, sagt Pajung.

Liebevoller Umgang

In ihrem Umgang mit den Bewohnern wird das deutlich: Sie reagiert liebevoll und geduldig, wenn zum Beispiel eine ältere Frau alle paar Minuten dieselbe Frage stellt. Auch von den Bewohnern wird sie geschätzt. Was ihnen in dem Haus besonders gefällt? „Der Zusammenhalt und unsere Chefin“, sagt Bewohnerin Hildegard Junker und meint Pajung. Sie bereite ihnen viel Abwechslung und Freude, erzählt die 87-Jährige. „Uns geht es hier gut.“ Neben ihr auf dem Sofa sitzt ihre 75-jährige Mitbewohnerin Kristina Körner. Die beiden Frauen eint, dass sie beide aus Schlesien stammen. Daran erinnern sie sich noch. Nur beim Alter lässt das Gedächtnis der beiden inzwischen nach. 

Das Alter sei ja ohnehin nicht so wichtig, sagt Junker, die das gelassen sieht. Pajung macht daraus schließlich ein kleines Ratespiel mit den beiden. Die Biographie der Bewohner sei oft ein großes Thema im Haus, erzählt Pajung, „um herauszufinden, was jeder braucht“. Dazu zählt neben Hobbys und Musik auch Essen. Sie wollen für gesunde Ernährung sorgen, berücksichtigen aber auch die Wünsche der Bewohner, die oft noch alte Rezepte kennen. Junker und Pajung fällt im Gespräch ein Gericht ein, das sie demnächst mal wieder kochen wollen: „Schlesische Klöße mit Sauerkraut“.  

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