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Im Februar war an der Kirche St. Peter und Paul ein Gedenkort für Corona-Opfer entstanden.

© Andreas Klaer

Panne im Potsdamer Gesundheitsamt weitet sich aus: 62 Briefe an Corona-Tote verschickt

Die Stadtverwaltung bittet Angehörige für fälschlicherweise versandte Genesenenbriefe an Menschen, die an Corona verstorben sind, um Entschuldigung.

Von Carsten Holm

Potsdam - Die Panne in der Stadtverwaltung bei der Versendung von Briefen, in denen Corona-Tote über ihre angeblich überstandene Infektion informiert wurden, ist weitaus größer als bisher bekannt. Wie die Pressestelle des Rathauses den PNN auf Anfrage mitteilte, hat das Gesundheitsamt Dutzende Briefe an Potsdamer Bürger geschickt, denen attestiert wurde, ihre Covid-Infektion „überstanden“ zu haben – obwohl sie bis zu mehreren Monaten zuvor daran verstorben waren.

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Es seien „62 Briefe bekannt, die nicht hätten verschickt werden dürfen“, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow, „es tut uns sehr leid, dass dieser Fehler passiert ist, und wir bitten nochmals alle Hinterbliebenen um Entschuldigung“. Es habe „etwa zehn Beschwerden“ gegeben, welche die Stadt „in Form einer förmlichen Entschuldigung beantwortet“ habe. Insgesamt seien gut 6000 sogenannte Genesenenbriefe versendet worden.

Panne wurde Mitte Juli aufgedeckt

Unter der Überschrift „Schmerzhafter Fehler vom Amt“ hatten die PNN die schlimme Panne des Gesundheitsamts am 12. Juli aufgedeckt. Am 17. Juni hatte das Amt der 81 Jahre alten Heimbewohnerin Renate N. ein Schreiben mit dem Absender „Der Oberbürgermeister, Fachbereich Öffentlicher Gesundheitsdienst“ zugestellt. „Auskunft erteilt Frau Dr. Böhm“ stand da noch, sie ist die Leiterin des Gesundheitsamts. Der Brief enthielt eine scheinbar gute Nachricht für die Seniorin. „Bestätigung einer überstandenen SARS-CoVid2-Infektion“ war da zu lesen. Sie habe die Infektion „überstanden“ und sei nun „genesen“.

Brief war für Hinterbliebenen "Schlag in die Magengrube"

Allein: Renate N. war zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast sieben Monaten tot. Sie starb am 29. November 2020 an Covid. Das Schreiben war ihrem Sohn Markus N. ausgehändigt worden, seine Mutter hatte ihm eine umfassende Vorsorgevollmacht ausgestellt. Den PNN sagte er, den Brief habe er als „Schlag in die Magengrube“ empfunden. „Wie kann man ein solches Schreiben ohne die einfachste Plausibilitätsprüfung verschicken?“, fragte er. Was er meinte: ohne den einfachen Datenabgleich darüber, ob der Adressat eines amtlichen Schreibens noch am Leben oder verstorben sei.

Mit dem Schreiben der Stadt holte Markus N. die schwere Zeit, in der seine Mutter mit Corona im Seniorenheim lag, wieder ein. Monatelang hatte er sie nicht besuchen dürfen, wenige Tage, bevor sie starb, hatte er einen Zwischenbericht erhalten, in dem es hieß, es gebe „Verbesserungen“ ihres Zustands. Mit ihr telefonieren konnte er damals aber nicht mehr. Als er als Reaktion auf den Brief an die dort angegebene Adresse der Verwaltung schrieb, bekam er keine Antwort. Auf Anfrage dieser Zeitung hieß es in einer Erklärung des Rathauses, man müsse „mit äußerstem Bedauern feststellen, dass es hier zu einem Fehler unsererseits gekommen“ sei, für den man um Entschuldigung bitte.

Genesenenbrief an Tote kein Einzelfall

Der Fall war, wie sich herausstellte, kein Einzelfall. So meldete sich PNN-Leserin Petra B. in der Redaktion und berichtete, dass sie Identisches erlebt habe. Ihre Mutter sei im Februar an Corona gestorben, im Juni, vier Monate später, sei ihr der Brief des Gesundheitsamts mit der Bescheinigung der Genesung zugestellt worden. Sie habe „in einer Mail an den Oberbürgermeister meinen Unmut über das schlechte Datenmanagement in der Verwaltung geäußert“. Was sie besonders verärgerte: „Eine Reaktion blieb natürlich aus.“

Fehler geschah im Gesundheitsamt

Nach Angaben von Pressesprecher Brunzlow habe die Stadt lediglich Zugriff auf die Adresse des Verstorbenen nehmen können, auf die Daten der Angehörigen nicht. Deswegen habe die Verwaltung die Personen in einem weiteren Brief angeschrieben und um Entschuldigung gebeten: „Durch das Prozedere konnte allerdings nicht sichergestellt werden, dass das Entschuldigungsschreiben in jedem Fall die Angehörigen erreicht hat.“

Klar sei, dass es im städtischen Gesundheitsamt zu dem Fehler kam. Alle der Stadt bekannte Fälle bezögen sich auf einen ähnlichen Zeitpunkt der Erstellung von Genesenenbescheiden. Stadtsprecher Brunzlow: „Sofort nach Bemerken des Fehlers haben wir die Datenfilterung optimiert.“ Anschließend seien „keine gleichgelagerten Fälle mehr bekannt geworden“. Offen ist, ob ein Fehler der Software oder menschliches Versagen die Ursache für die Panne ist.

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