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Der bisherige Oberlin-Campus mit Kirche, Klinik, Kita und Schule sowie Wohnheimen liegt an der Rudolf-Breitscheid-Straße. 

© Andreas Klaer

Oberlinhaus in Potsdam: Mehr barrierefreie Wohnungen gefordert

Der diakonische Träger wünscht sich von der Stadt zudem mehr Vernetzung zwischen den Krankenhäusern. Geplant ist auch eine Inobhutnahme-Stelle für Kinder mit Behinderungen.

Potsdam - Engere Zusammenarbeit mit der Stadt und weniger wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den Krankenhäusern in Potsdam – diese Wünsche trug das Oberlinhaus an den Gesundheitsausschuss der Stadt heran, der am Dienstag im Oberlinhaus tagte. Die beiden Vorstände des Oberlinhauses, Matthias Fichtmüller und Andreas Koch, wiesen auf die schwierige Personallage im Gesundheitsbereich hin und warben für mehr Vernetzung: „Wir brauchen trägerübergreifende Versorgungskonzepte für eine nachhaltige Wirtschaftlichkeit aller Kliniken“, sagte Koch.

Es sei nicht im Sinne der Patient:innen, wenn sich Krankenhäuser um die wenigen Fachkräfte in der Stadt streiten würden, so Koch. Das Oberlinhaus gehört zusammen mit dem St. Josefs-Krankenhaus und dem Evangelischen Zentrum für Altersmedizin zum Verbund Christlicher Kliniken Potsdam, die einen gemeinsamen Personalpool haben. Der Verbund war 2011 ins Leben gerufen worden, um Doppelstrukturen abzubauen und die Kompetenzen der drei Standorte zu bündeln. Eine ähnliche Kooperation könne man sich auch mit dem kommunalen Bergmann-Klinikum vorstellen, so die Oberlin-Vorstände.

Vorstand Andreas Koch.
Vorstand Andreas Koch.

© Sebastian Gabsch

Oberlinhaus will auch selbst Wohnungen schaffen

Beim Thema Wohnungen für Menschen mit Behinderungen wünschten sich Fichtmüller und Koch mehr Engagement der Stadt bei der Wohnungspolitik: Das Oberlinhaus fordert im Rahmen des Potsdam-Bonus eine Selbstverpflichtung der Landeshauptstadt zu einer Mindestquote barrierefreier Wohnungen. Rund 200 Menschen mit Behinderungen seien stationär im Oberlinhaus untergebracht, so Koch, doch pro Jahr würden rund zehn Personen gerne in eine eigene Wohnung ziehen, wo sie dann ambulant betreut werden: „Wenn jemand ausziehen will, wo soll er dann hin? Es gibt kaum bezahlbaren barrierefreien Wohnraum in Potsdam“, sagte Koch. „Wir setzen hier ganz klar auf den kommunalen Wohnungsbau.“

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Das Oberlinhaus will auch selbst Wohnungen schaffen: Wie berichtet soll an der Glasmeisterstraße in Babelsberg ein neuer Oberlin-Campus entstehen, auf dem neben einer Integrationskita und verschiedenen medizinischen Angeboten auch 250 barrierefreie Wohnungen für Senioren und Menschen mit Behinderungen geplant sind. Mindestens 70 davon sollen geförderte Sozialwohnungen sein, so Koch: „Es wird ein Mix aus privaten und geförderten Wohnungen sein.“

Zwei weitere Projekte in Planung

Darüber hinaus hat das Oberlinhaus zwei weitere Projekte in Planung: „Wir wollen eine inklusive Inobhutnahme-Stelle für Kinder mit Behinderungen einrichten und suchen dazu gerade nach einem Gebäude“, sagte Fichtmüller. Inobhutnahme-Stellen sind für Kinder gedacht, die aufgrund einer Gefährdung aus ihren Familien geholt werden. Die Oberlin-Einrichtung soll die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen berücksichtigen. „Wir sind dazu in guten Gesprächen mit der Stadt und hoffen, dieses Projekt im nächsten Jahr umsetzen zu können“, sagte Fichtmüller.

Pfarrer Matthias Fichtmüller.
Pfarrer Matthias Fichtmüller.

© Sebastian Gabsch

Außerdem plant das Oberlinhaus eine Erweiterung seines Berufsbildungscampus’ an der Steinstraße, wo derzeit ein Neubau für eine Pflegeschule entsteht, in der künftig pro Jahr 100 angehende Pfleger:innen ihre Ausbildung erhalten sollen. Das Oberlinhaus sei mittlerweile ein sehr komplexes Unternehmen, sagte Fichtmüller: Zu ihm gehören 14 Gesellschaften an 26 Standorten mit 2050 Mitarbeiter:innen, der Jahresumsatz liege bei 130 Millionen Euro.

Massive Kritik am diakonischen Träger

Derzeit steht das Oberlinhaus im Fokus der Aufmerksamkeit. Während des Strafprozesses nach der Gewalttat im Behindertenwohnheim Thusnelda-von-Saldern-Haus wird immer wieder massive Kritik an dem diakonischen Träger laut. Ex-Kollegen der unter anderem wegen vierfachen Mordes angeklagten Pflegekraft Ines R. stützten vor Gericht die Vorwürfe ihres Anwalts, Oberlin sei seiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber nicht nachgekommen. An zwei Prozesstagen war von teils katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Wohneinrichtung die Rede. 

Weil über längere Zeit nicht genügend Personal zur Verfügung gestanden habe und Leasingkräfte aus Geldgründen nicht engagiert worden seien, hätten Leistungen für die Bewohner eingeschränkt werden müssen. Erst nach der Tat, schilderten Zeugen vor Gericht, habe das Haus reagiert und wieder Leasingkräfte angeworben. Gleichzeitig hätten nach der Gewalttat, bei der vier schwerstbehinderte Bewohner getötet wurde, Mitarbeiter gekündigt oder sich krank gemeldet. (mit mak)

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