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Spätestens im Oktober 2018 wird feststehen, wer Nachfolger von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) wird.

© Andreas Klaer

Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: Wer zieht zuerst?

Die Parteien rüsten sich zum Oberbürgermeisterwahlkampf, um ab Herbst 2018 den neuen Rathauschef zu stellen. Dabei dürfte die Wahl so spannend wie lange nicht mehr werden.

Von Peer Straube

Potsdam - Ein Jahr noch. Ziemlich genau sogar. Ende September, spätestens aber im Oktober 2018 dürfte feststehen, wer Potsdam in den nächsten acht Jahren regieren wird. Und dieser Oberbürgermeisterwahlkampf hat das Zeug, der spannendste seit Langem zu werden. Das Rennen scheint offen wie nie. Die SPD, die seit 27 Jahren ununterbrochen den Rathauschef in der Landeshauptstadt stellt, ist angeschlagen. Bei der Bundestagswahl wurde sie mit dem schlechtesten Zweitstimmenergebnis seit der Wiedervereinigung abgestraft. Und trotz herber eigener Verluste wittern die anderen Parteien ihre Chance. So könnte sich der Wettlauf um die Wählergunst diesmal zu einem echten Dreikampf mausern – zwischen SPD, Linken und, angesichts der Verschiebungen in den vergangenen Jahren, auch CDU.

Unter besonderer Beobachtung steht dabei die SPD. Alle belauern das – noch hinter den Kulissen geführte – Duell zwischen Sozialdezernent Mike Schubert und dem Finanzbeigeordneten Burkhard Exner. Von dessen Ausgang wird maßgeblich abhängen, mit wem die anderen beiden Volksparteien antreten werden.

Jakobs ist des Versteckspielens leid

Die Frage „Wer zieht zuerst?“ treibt derzeit auch die Rathausspitze um. Oberbürgermeister Jann Jakobs, des Versteckspielens leid, hatte erst Anfang der Woche die Kontrahenten im PNN-Interview aufgefordert, ihre Kandidatur endlich offiziell zu machen. Zwar war parteiintern verabredet worden, dass mögliche Bewerber erst im Oktober ihren Hut in den Ring werfen sollen, doch sehnt man den Tag der Verkündigung längst auch in der Verwaltung herbei. Die Stimmung im Stadthaus sei fast unheimlich, berichten Beobachter. Das Gepoker zwischen den Dezernenten um die prestigeträchtigsten Termine, die Verteilung der größten finanziellen Wohltaten lähmt die Arbeit im Rathaus.

Jakobs will, dass sich das ändert – auch, um noch Einfluss auf seine Nachfolge nehmen zu können. Im Gegensatz zu weiten Teilen der Landes-SPD, dem Vernehmen nach auch Ministerpräsident Dietmar Woidke, die Exner auf dem Chefsessel im Rathaus sehen wollen, will sich der Oberbürgermeister nach PNN-Informationen hinter den Kulissen für Schubert in die Bresche werfen. Öffentlich will sich Jakobs zu den Kandidaten aber nicht äußern. Der seit einem Jahr amtierende Sozialbeigeordnete hat bislang einen wesentlich besseren Job gemacht, als ihm viele vorher zugetraut hätten, Jakobs eingeschlossen. Exner, seit 2002 im Amt, hingegen gilt zwar als fähiger Kassenwart, andererseits werden ihm Probleme bei der Mitarbeiterführung und ein Mangel an Entscheidungsfreudigkeit nachgesagt.

CDU und Linke warten noch aus taktischen Gründen ab

Offiziell äußern mochten sich am Freitag weder Schubert noch Exner. Beide verwiesen auf das in der Partei verabredete Verfahren. Demnach gilt eine Deadline bis zum 30. Oktober für potenzielle Kandidaten, doch können sich Bewerber auch danach noch erklären, selbst am Tag der Kandidatenkür durch die 800 Potsdamer Sozialdemokraten in der Mitgliedervollversammlung am 20. Januar 2018. Ausgeschlossen ist auch nicht, dass die beiden noch Konkurrenz bekommen – von Klara Geywitz, Generalsekretärin der Landes-SPD. Die 41-Jährige gilt als fachlich versiert und hat als Potsdamerin den nötigen Stallgeruch. Geywitz sagte am Samstag: "Die SPD hat ein Luxusprobem: Wir haben viele geeignete Kandidaten." Die Mitglieder würden intensiv darüber diskutieren, wer am geeignetesten sei.

CDU und Linke warten aus taktischen Gründen noch ab, wer für die SPD ins Rennen geht. „Als Erstes ist die Partei am Zuge, die den Amtsinhaber stellt“, formuliert es Potsdams CDU-Kreischef Steeven Bretz, der auch Generalsekretär der Landes-CDU ist. „Wir führen derzeit mit sehr vielen potenziellen Kandidaten Gespräche“, sagt Bretz salomonisch. „Dazu gehören auch überregional bekannte Namen.“ Allerdings weiß man auch in der Union, dass für einen erfolgreichen Sturm auf das „rote Rathaus“ ein Kandidat nötig ist, der Potsdam kennt und hier verwurzelt ist. Noch zu gut in Erinnerung ist die Schlappe von Ex-Justizministerin Barbara Richstein aus Falkensee, die bei der letzten Oberbürgermeisterwahl 2010 nur 10,5 Prozent der Stimmen holen konnte – ein Debakel für die Union. Als Kandidat gehandelt wird Götz Thorsten Friederich, CDU-Stadtverordneter, Vizechef des Stadtbezirksverbandes Babelsberg/Zentrum Ost. Der 55-jährige Rechtsanwalt aus Babelsberg gilt nicht nur in der Partei als gut vernetzt. Unter anderem ist er Chef des Marketing-Clubs Potsdam, Mitglied im Wirtschaftsforum Brandenburg und Vizepräsident des Deutschen Marketing-Verbandes. Ob er für die CDU ins Rennen gehen wird, ließ Friederich auf PNN-Anfrage offen und verwies auf die „Kandidatenschau“, die die Führungsgremien der Partei jetzt durchführten. Auch Bretz selbst ist ein möglicher Bewerber. Der 41-Jährige ist Ur-Potsdamer und verfügt über langjährige Erfahrung als Lokal- und Landespolitiker. Seit 2009 ist er Landtagsabgeordneter, seit zweieinhalb Jahren Generalsekretär und seit zwei Jahren Kreischef. Eine Kandidatur schloss auch Bretz gegenüber den PNN nicht aus.

Bei der Linken hängt alles vom Leitbullen Scharfenberg ab

Die Linke hält sich ebenfalls noch bedeckt. Alles hängt von der Entscheidung des alten Leitbullen Hans-Jürgen Scharfenberg ab. Der 63-Jährige ist nach wie vor das Gesicht der Linken in Potsdam, und auch wenn die jüngere Generation drängelt: Tatsächlich ist niemand in Sicht, dessen Zugkraft bei einer Oberbürgermeisterwahl so groß wäre wie die des langjährigen Oppositionsführers im Stadtparlament. Zweimal ist er gegen Jakobs angetreten, zweimal gescheitert, beim ersten Mal nur denkbar knapp. Scharfenberg hat sich noch nicht entschieden. Er will, so hört man, abwarten, wen die SPD aufstellt. Ist es Schubert, würde er wohl verzichten und einem Jüngeren Platz machen. Gegen Exner hingegen würde Scharfenberg, so heißt es, noch einmal in den Ring steigen. Zu verlockend wäre die Aussicht, dem ungeliebten Kämmerer eins auszuwischen und doch noch, im Herbst seiner Karriere, auf dem Oberbürgermeisterstuhl Platz nehmen zu können. Scharfenberg weiß, dass er dafür erneut eine öffentliche Debatte über seine Stasi-Vergangenheit aushalten müsste. Vor acht Jahren hat sie ihn den Sieg gekostet. Natürlich gibt es auch andere Planspiele. Nach PNN-Informationen favorisiert der Kreisvorstand eine Frau als Kandidatin. Man sei bereits dabei, sie Scharfenberg „schmackhaft“ zu machen, sagt ein Mitglied des Führungszirkels. Doch auch die Linke weiß: Tritt Scharfenberg an, ist die Siegchance diesmal so groß wie nie.

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