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Neujahrsempfang der Garnisonkirche: Schäuble wirbt für Erhalt von DDR-Architektur

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble war Gastredner beim Neujahrsempfang der Stiftung Garnisonkirche. Er sprach sich für Versöhnung und zudem für einen sensiblen Umgang mit der DDR-Architektur aus.

Potsdam - Einen Ziegel für die Garnisonkirche hat er schon vor langem gespendet, mit seiner Festrede am Dienstagabend beim Neujahrsempfang von Stiftung und Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche bekräftigte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) seine Unterstützung für das Wiederaufbauprojekt. Rund 360 Gäste waren in die Räume der Industrie- und Handelskammer Potsdam eingeladen. Nach Schäubles Rede gab es stehende Ovationen.

Mit dem Turm der Garnisonkirche in Potsdam werde ein Ort entstehen, „in dem wir im Wissen um unsere Geschichte darüber nachdenken, wie wir die Zukunft gestalten“, sagte Schäuble. Nur wenn man aus der Vergangenheit „mit allen Irrwegen und Fehlwegen“ lerne, könne man Verantwortung im Jetzt übernehmen, betonte er: „Mit der Vergangenheit abschließen zu wollen, der Wunsch ist illusorisch. Die Vergangenheit lässt sich nicht begraben oder beenden. Auch nicht, das zeigt die Garnisonkirche, planieren.“

Für den Erhalt von DDR-Architektur

Der Politiker schlug zuvor einen Bogen vom Versailler Friedensvertrag, der eine Versöhnung nicht ermöglicht habe, über die Straßenkämpfe in der jungen Weimarer Republik und die Ermordung der Kommunisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht – das Datum jährte sich am gestrigen Dienstag zum 100. Mal – über die Diktatur des Nationalsozialismus, die west- und ostdeutsche Nachkriegszeit bis ins Heute und das britische Parlament, das zur selben Stunde über den Austritt aus der EU debattierte. Die Brüche in der Geschichte müssten auch architektonisch im neuen Kirchturm sichtbar werden, betonte Schäuble. Sie werde „ein zentraler Erinnerungsort“ werden, zeigte er sich überzeugt. Er warb gleichzeitig auch für den Erhalt von DDR-Architektur: „Wir sollten deshalb auch im Umgang mit den baulichen Resten der DDR sensibel sein.“

In seiner Begrüßung hatte Alt-Bischof Wolfgang Huber auf eine geplante Inschrift im Sockel des Gebäudes verwiesen: „Richte unseren Füße auf den Weg des Friedens“ soll dort in fünf Sprachen zu lesen sein. „In der öffentlichen Diskussion wären wir viel weiter, wenn auch Kritiker für eine solche Selbstverpflichtung zumindest Respekt aufbrächten.“ Mit dem Bau des rund 90 Meter hohen Turms, der wie berichtet aus rund 2,5 Millionen Ziegeln aufgemauert werden soll, werde man auch an die Pläne für die inhaltliche Arbeit konkretisieren. Garnisonkirchenpfarrerin Cornelia Radeke-Engst verwies auf die bereits laufende Versöhnungsarbeit unter anderem mit Gottesdiensten und der Gesprächsreihe „Versöhnung konkret“. Am 1. September werde es anlässlich des 90. Jahrestages des deutschen Überfalls auf Polen einen Rundfunkgottesdienst aus der Nagelkreuzkapelle geben. Unklar ist derzeit, wann es auf der Baustelle weitergehen kann. Wie berichtet sorgt die mehrmonatige Bauverzögerung wegen der Probleme bei der Gründung des Fundaments für weitere Verzögerungen: Denn für die Mauerarbeiten, mit denen eigentlich im Sommer begonnen werden sollte, ist es derzeit zu kalt.

Demonstration vor dem IHK-Gebäude

Baustart für eine abgespeckte Variante des Garnisonkirchenturms war im Oktober 2017. Die nötigen 26 Millionen Euro Baukosten werden über Spenden, aber auch zwölf Millionen Euro Bundesmittel abgedeckt. Wegen der Verwendung von Steuermitteln, aber auch wegen der Geschichte des im Zweiten Weltkrieg zerstörten und 1968 abgerissenen Gotteshauses gibt es Kritik an dem Wiederaufbauprojekt. Auch am Dienstag waren Gegner des Projekte vor Ort. Vertreter der christlichen Gemeinde „Die Nächsten“ demonstrierten vor dem IHK-Gebäude mit einem Transparent mit dem Text „Frieden frisch gedeihen lassen. Wir wollen keinen Turm“ und verteilten einen „Gegenruf“ zum „Ruf aus Potsdam“, in dem zum Widerstand gegen den Wiederaufbau aufgerufen wird.

Oberbürgermeister Schubert will auch Atheisten einbeziehen

Offen ist indes noch, wer die Landeshauptstadt künftig im Kuratorium der Wiederaufbaustiftung vertreten wird, wie Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Rande des Empfangs sagte. Vor einer personellen Entscheidung wolle er sich zunächst Klarheit darüber verschaffen, wie mit den beiden widerstreitenden Stadtverordnetenbeschlüssen zur Garnisonkirche umzugehen sei und ob etwa ein neuer Beschluss nötig ist. So gibt es einerseits das Votum dafür, dass die Stadt sich in der Stiftung für den Versöhnungsgedanken stark macht, andererseits die Aufforderung an den damaligen Oberbürgermeister Jann Jakobs, auf eine Auflösung des Stiftungsrates hinzuwirken. Der letzte Beschluss war als Reaktion auf ein entsprechendes Bürgerbegehren, das mehr als 14 000 Potsdamer unterschrieben hatten, gefallen. Schubert will in der Debatte "auf beide Seiten zugehen". Wichtig sei ihm, dass in der Stadt eine Diskussion über den Umgang mit Geschichte angeschoben wird, die nicht nur die kirchlich geprägten Menschen, sondern zum Beispiel auch die Atheisten miteinbezieht, sagte er.

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