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Wacher Beobachter. Horst Goltz führte als Schüler in Potsdam Tagebuch über das Kriegsgeschehen, er sammelte zudem Flugblätter. Für den Wetterdienst beobachtete er mehr als 60 Jahre lang ehrenamtlich die jahreszeitliche Entwicklung der Pflanzen. 

© Ottmar Winter

Nachruf | Horst Goltz: Ein leidenschaftlicher Sammler

Zum Tod des Potsdamer Zeitzeugen Horst Goltz.

Er war noch ein Schüler, als Potsdam am Abend des 14. April 1945 von britischen Bombern zerstört wurde. Horst Goltz sah die nächtliche Stadt brennen. Der 15-Jährige hatte an diesem Tag an einem Lehrgang der Hitlerjugend in der Villa Baumgart in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße teilgenommen. Als der Fliegerangriff vorbei war, schickte man die Hitlerjungen sogleich in einen Einsatz. Sie sollten in der gerade zerstörten Stadt eiligst ein Kabel verlegen, um eine bestimmte Telefonverbindung herzustellen. Doch die Mission scheiterte: „Wir sind bis zum Stadtkanal gekommen, die Innenstadt dahinter war ein Flammenmeer.“ So erinnerte sich Goltz vor einigen Jahren im Gespräch mit den PNN an diesen für Potsdam so verhängnisvollen Tag.

Goltz war ein wichtiger Zeitzeuge der Zerstörung Potsdams. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist der studierte Biologe, Sammler und Naturbeobachter bereits am 28. Januar im Alter von 90 Jahren verstorben. Wer den weißhaarigen Mann mit den wachen Augen zu dem Geschehen rund um das Kriegsende befragte, erhielt von ihm immer präzise Antworten. Goltz, Jahrgang 1930, hatte sich während des Krieges Aufzeichnungen gemacht, er notierte jeden Alarm, jeden Luftangriff, auch Zwischenfälle wie Flugzeugabstürze im Stadtgebiet. Er sammelte darüber hinaus zeitgeschichtlich Interessantes: In seinem Haus in der Templiner Vorstadt stapelten sich Bücher, Alben, Hefter, Ordner - und sogar Granatsplitter, die er als Schüler selbst an den Einschlagorten gefunden hatte. „Die wurden auf dem Schulhof getauscht – wie Briefmarken“, erzählte Goltz einmal den PNN.

Horst Goltz war ein sorgfältiger Tagebuch-Schreiber.
Horst Goltz war ein sorgfältiger Tagebuch-Schreiber.

© Jana Haase

Und wenn in Potsdam in den vergangenen Jahren ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg unschädlich gemacht wurde, dann verfolgte Goltz das Geschehen ganz genau. Gelegentlich suchte er auch die PNN-Redaktion auf, um einen Hinweis zu einer Sache zu geben. Da konnte es schon mal sein, dass er anderer Ansicht zur Herkunft eines Blindgängers war als der staatliche Munitionsbergungsdienst. Dies sollte die Zeitung dann natürlich schnell wissen.

Goltz interessierte sich auch für Flugblätter, war sogar Mitglied des internationalen Flugblattsammlerverbandes „Psy War Society“. Die ersten Exemplare hatte er schon zu Kriegszeiten im Raum Potsdam gesammelt – damals ein lebensgefährliches Unterfangen. Denn was die Alliierten über Potsdam abwarfen, galt unter den Nazis freilich als Feindpropaganda. Später dann sammelte er auch zahlreiche Flugblätter aus der Zeit des Kalten Krieges. Vor sechs Jahren sagte Goltz einmal, seine Sammlung umfasse etwa 2000 Exemplare, rund 200 davon habe er selbst gefunden.

Ja, und neben seinen Hobbys hatte der verheiratete Familienvater freilich auch einen Beruf, dem er nachging. Als Biologe arbeitete Goltz im damaligen Pflanzenschutzamt in der Templiner Straße. Doch auch die Biologie war ihm nicht nur Beruf, sondern ebenfalls ein Hobby. Mehr als 60 Jahre lang war Goltz ehrenamtlich für den Wetterdienst in der Natur unterwegs. Seine Aufgabe: Er beobachtete und notierte den jahreszeitlichen Verlauf der Entwicklung von Pflanzen, etwa wann sich im Frühjahr die Knospen zeigen oder im Herbst das Laub von den Bäumen fällt. Dafür erhielt er die Bundesverdienstmedaille.

Den Luftangriff auf Potsdam hat Goltz trotz des erlebten Schreckens übrigens später als seinen zweiten Geburtstag angesehen. „Hätte es den Angriff nicht gegeben, wäre ich an die Front gekommen“, sagte er einmal. Und wäre dort womöglich als 15-Jähriger im Volkssturm verheizt worden. So gesehen wurden ihm damals weitere knapp 76 Jahre Leben geschenkt.

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