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Bald wieder bewohnt? Die fast leergezogene Josephinen-Wohnanlage in der Burgstraße

© Ottmar Winter

Nach viel kritisierter Massenkündigung: Josephinen-Wohnanlage in Potsdam fast leergezogen

Die Verhandlungen zwischen dem Eigentümer der Seniorenanlage und der Stadtverwaltung zur Unterbringung von Flüchtlingen befinden sich offenbar auf der Zielgeraden.

Potsdam - Die viel kritisierte Massenkündigung von mehr als 100 Senioren, die Mieter in der Josephinen-Anlage in der Potsdamer Burgstraße waren, hat Wirkung gezeigt. Inzwischen lebten dort noch maximal 20 Mieter, sagte der Landeschef des Mieterbunds, Rainer Radloff, am Montag bei einer von der Landesverbraucherzentrale moderierten Videodiskussion zum Start der Seniorenwoche.

Ende Oktober vergangenen Jahres war die Kündigungswelle bekannt geworden, die zu viel öffentlicher Empörung geführt hatte. Der Mieterbund habe zwar 40 bis 50 Widersprüche an Mieter ausgereicht, die auch versandt worden seien, sagte Radloff. Er gehe auch weiter davon aus, dass die Kündigungen rechtlich unwirksam seien. Doch letztlich habe bisher keiner der hoch betagten Bewohner mittels Feststellungsklage eine gerichtliche Entscheidung zu dem Vorgang erzwungen – die Senioren haben demnach das Feld geräumt. 

„Wenn ich so eine Klientel massenhaft kündige – dann werden viele aus Angst reagieren“, meint Radloff. Der Eigentümer habe dabei aber auch andere Wohnungen vermitteln können. Das Gebäude gehört der SSG Soziale Grundbesitzgesellschaft mbH, einer Tochterfirma der Hamburger MK-Kliniken AG.

Verhandlungen mit dem Rathaus

Gleichwohl stehen die Verhandlungen der Stadtverwaltung mit diesem Eigentümer, in dem nun fast leeren Hochhaus in bester Lage geflüchtete Senioren aus der Ukraine unterzubringen, offenbar kurz vor einem erfolgreichen Abschluss. Potsdams Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD) sagte, die Stadt führe diese Gespräche unter der Bedingung, dass nicht weiter gekündigt werde. 

Dabei hoffe sie, nach einem weiteren Gesprächstermin in dieser Woche in die Zielgerade einbiegen zu können. Ende März hatte die SSG in Schreiben angekündigt, sie wolle das Haus für eine Übergangszeit Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Zuvor war auch der Plan verfolgt worden, die Wohnungen möbliert an Studenten zu vermieten. Am Montag äußerte sich die SSG auf PNN-Anfrage nicht zum Stand der Dinge.

Mietervereinschef Rainer Radloff
Mietervereinschef Rainer Radloff

© Foto; Andreas Klaer

Meier sagte, inzwischen werde auch der Speisesaal saniert – dieser war noch vergangenes Jahr als ein Grund angeführt worden, warum das seniorengerechte Wohnen in der Anlage künftig nicht mehr angeboten werden könne. Die Sanierung des Saals sei nicht absehbar, hieß es damals, auch weil Baumaßnahmen coronabedingt mehrfach hätten verschoben werden müssen. Wegen dieser Belastung für die Bewohner, aber ebenso wegen fehlendem Personal und der „pandemiebedingt und langfristig ebenfalls qualitativ und kostenseitig nicht nachhaltig gesicherten Betreuung“ der Senioren habe er den Entschluss für das Aus gefasst, so der Betreiber damals. 

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Wird der Inhaber des Hauses nun nach der Kündigung der Senioren mit der direkten oder indirekten Vermietung an ältere Geflüchtete eine hohe Rendite machen können? Und könnte die Stadt dies zugunsten der sozialen Nutzung verhindern? Dezernentin Meier sagte dazu auf PNN-Anfrage: Auch mit diesem Modell würde Geld verdient – zumal nun vermutlich keine sonderlich großen Investitionen in das Gebäude notwendig seien. Radloff verwies auf die besondere Verantwortung der Stadt: Mitte der 2000er sei das Gebäude vom städtischen Wohnungsunternehmen an den heutigen Inhaber verkauft worden.

Zweckentfremdung von Wohnraum?

Doch sind der öffentlichen Hand teilweise die Hände gebunden. So sagte Mietervereinschef Radloff, seine Organisation habe den Eigentümer bei der Stadt wegen des Leerstands angezeigt, weil möglicherweise eine Zweckentfremdung von Wohnraum vorliege. Das prüfe die Stadt, sagte Meier. Allerdings dauere der Leerstand dafür wohl noch nicht lange genug an. Gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum hat die Stadt eine Satzung erlassen, bei Zuwiderhandlungen droht Bußgeld bis zu 100 000 Euro.

Die Aufsicht fehlt

Bei dem Online-Dialog wurde die Massenkündigung als Einzelfall beschrieben, der sich aber wiederholen könnte. So fehle für Anlagen mit betreutem Wohnen eine Landesaufsichtsbehörde, beklagte die Beigeordnete Meier. Markus Sutorius vom bundesweit aktiven Biva-Pflegeschutzbund sagte, die Anzahl der Plätze in vollstationären Pflegeeinrichtungen in Brandenburg stagniere seit Jahren, die Zahl der Pflegebedürftigen nehme aber zu. „Diese Entwicklung wird von privaten Anbietern aufgefangen, die weder der Aufsicht unterliegen noch den Regelungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes.“ Hier müsse der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene handeln. Die Biva setzt sich für die Rechte und Interessen von Menschen ein, die Hilfe oder Pflege benötigen und daher in betreuten Wohnformen leben.

Mehr Bedarf an solchen Wohnformen

Manfred Hildenbrand vom Potsdamer Seniorenbeirat sagte, schon jetzt gebe es bei Einrichtungen für betreutes Wohnen in Potsdam Wartelisten mit der Aussicht, bis zu zehn Jahre keinen Platz zu erhalten. Dabei wächst die Gruppe der Menschen, die solche Plätze benötigen. 

Eine Bevölkerungsprognose des Rathauses von 2019 kam zu folgendem Ergebnis: Die Zahl der Menschen der Altersgruppe zwischen 65 und 79 Jahren werde sich bis 2040 von rund 24 000 auf fast 33 000 Personen erhöhen, was eine Zunahme von 35,9 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2019 bedeutet. Die Zahl der Hochbetagten, also 80 Jahre und älter, werde sich im gleichen Zeitraum um mehr als ein Viertel auf mehr als 15 000 Personen erhöhen. Meier sagte, gemeinsam mit der kommunalen Bauholding Pro Potsdam prüfe die Stadt die Errichtung solcher betreuten Wohnformen.

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