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Landtagswahl in Potsdam.

© Andreas Klaer

Nach der Wahl: Potsdam bei Landtagswahl gespalten

Im Gespräch mit Wählern am Wahlsonntag wurde deutlich, dass auch Potsdam gespalten ist: Die einen kämpfen gegen die AfD, andere sehen in der Partei eine Chance für Veränderung.

Um Punkt 8 Uhr kommt die erste Wählerin in die Bruno-H.-Bürgel-Schule in Babelsberg. Es ist eine ältere Potsdamerin, die auf dem Weg zum Frühsport ihre Stimme abgibt. „Hauptsache nicht die Rechten, alles andere ist egal“, sagt sie. Ein Argument, das man überall in Potsdam am Wahltag zu hören bekommt. Der Aufstieg der AfD mache ihr Angst, sagt Lisa, eine junge Frau, nachdem sie ihre Stimme in der Kita am Kapellenberg in der Nauener Vorstadt abgegeben hat. „Es wird so viel Hass verbreitet, ich finde das furchtbar.“ Auch Thomas Mielke ist wichtig, „dass das AfD-Gedöns nicht noch mehr Stimmen kriegt“. Der junge Mann mit tätowiertem Arm und verspiegelter Sonnenbrille hat in der Schilfhof-Schule am Schlaatz gewählt. „Man kann doch nicht nicht zur Wahl gehen und hinterher meckern“, sagt er.

Thomas Mielke ist wichtig, „dass das AfD-Gedöns nicht noch mehr Stimmen kriegt.
Thomas Mielke ist wichtig, „dass das AfD-Gedöns nicht noch mehr Stimmen kriegt.

© Sandra Calvez

Ein junges Pärchen aus Drewitz hat im Bekanntenkreis und auch bei beruflichen Kontakten einen Wandel in den Ansichten und der politischen Kultur bemerkt. Er will „bestimmte Parteien und Ideen an der Spitze vermeiden“, sagt der Mann in kurzen Hosen. „Angst macht mir das nicht, aber beunruhigt bin ich schon“, sagt er.

Den Wählern geht es um grundsätzliche politische Überzeugungen

Während viele Wähler sich ganz klar gegen die AfD positionieren, sehen andere in der Partei die einzige Möglichkeit, etwas zu bewegen. So macht ein älteres Paar auf dem Weg zum Wahllokal in der Gesamtschule am Schilfhof kein Geheimnis um seine Entscheidung. „Wir werden AfD wählen“, sagt die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung sehen will. Genauso ihr Mann. „Es muss sich etwas ändern, so kann es nicht bleiben“, findet er. Vor allem die Flüchtlingspolitik mache ihr Angst, sagt sie. „Es gibt keine Sicherheit für unsere Kinder, das macht die AfD besser“, ist sie überzeugt. Nur Probleme gebe es in Drewitz, betont Bea, eine junge Frau mit modischem Löchershirt. Und Petra, eine ältere Frau mit kurzem Blumenkleid, die vor der Grundschule am Priesterweg steht. „Da muss die Politik doch was tun“, sagt Petra. „Auf uns Deutsche sollte auch mal jemand Rücksicht nehmen, stattdessen sollen wir immer nur auf die Zugezogenen Rücksicht nehmen“, findet sie. „Seit die ganzen Ausländer da sind, ist alles schlimmer geworden“, behauptet Bea. In der Gartenstadt Drewitz sei viel gemacht worden, aber verändert hätten sich vor allem die Mieten, sagt Petra. „Jedes Jahr eine Mieterhöhung!“

Wen man auch fragt an diesem Wahlsonntag: Fast immer geht es um grundsätzliche politische Überzeugungen. Einig sind sich beide Seiten darin, dass diese Wahl besonders wichtig ist. Das zeigt sich schon ab dem Vormittag am Betrieb in den Wahllokalen. Gegen Mittag ist klar, dass die Wahlbeteiligung deutlich über jener von 2014 liegt. 138 000 Potsdamer sind zur Wahl aufgerufen.

Deutlich höhere Wahlbeteiligung als 2014

Am Humboldt-Gymnasium bildet sich um die Mittagszeit eine kleine Schlange. Die Beteiligung liegt dort schon kurz vor 13 Uhr bei mehr als 50 Prozent. In der Kita am Kapellenberg haben die Wahlhelfer zwar zwischendrin Zeit zum Stricken und für Sudoku-Rätsel, aber auch hier melden die Helfer eine rege Beteiligung am Vormittag. In der Dortuschule berichten die Wahlhelfer ebenso von einem kontinuierlichen Wählerstrom. In der Gesamtschule am Schilfhof äußert sich eine Helferin hochzufrieden: „Es läuft richtig gut. Genau 200 Wähler waren bis 12.30 Uhr da, das ist für den Schlaatz beachtlich“, sagt sie. Insgesamt liegt die Wahlbeteiligung um 14 Uhr bei 33,7 Prozent, genau zehn Prozent mehr als vor fünf Jahren.

Auch das Ausland blickte auf die Landtagswahl. Vor dem Bürgerhaus am Schlaatz interviewte der dänische Fernsehsender DR Wähler.
Auch das Ausland blickte auf die Landtagswahl. Vor dem Bürgerhaus am Schlaatz interviewte der dänische Fernsehsender DR Wähler.

© Sandra Calvez

Nicht nur die Wähler finden diese Landtagswahl besonders wichtig. Auch die Aufmerksamkeit von nationalen und internationalen Medien zeigt, dass die Blicke auf Brandenburg gerichtet sind. So interviewt vor dem Bürgerhaus am Schlaatz der dänische Fernsehsender DR Wähler. „Die Dänen interessieren sich sehr für diese Wahl, weil sie im Vorfeld zur Schicksalswahl stilisiert wurde“, sagt der Reporter.

Wahlhelfer Willi Gramberg (l.) und Marvin Müller (r.).
Wahlhelfer Willi Gramberg (l.) und Marvin Müller (r.).

© Sandra Calvez

Willi Gramberg ist einer der insgesamt rund 1100 Wahlhelfer in Potsdam. „Wahlen sind so wichtig für die Demokratie, da möchte ich mit meinem Engagement einen kleinen Beitrag leisten“, sagt Gramberg. Wahlhelfer Marvin Müller wurde vor zehn Jahren als Student gefragt, ob er Wahlhelfer sein würde, und sagte ja. „Seither wollte ich nie nein sagen, auch wenn ich jetzt weniger Zeit habe.“ Für die Auszählung kam ein Extra-Hinweis von der Stadt: ein rosa Zettel, auf dem groß „Achtung“ steht und die Wichtigkeit des Vier-Augen-Prinzips unterstrichen wird. Wie berichtet ist vor kurzem bekannt geworden, dass ein Wahlhelfer bei der Kommunalwahl im Wahlkreis Oder-Spree wissentlich Stimmen falsch gezählt haben soll.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock bei der Abstimmung.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock bei der Abstimmung.

© Axel Schmidt/REUTERS

Alle Kandidaten geben sich optimistisch

Die Kandidaten gehen an diesem Sonntag – zumindest nach außen hin – optimistisch in die Wahl. SPD-Direktkandidatin Klara Geywitz ist bei der Abgabe ihrer Stimme in der Großen Stadtschule zuversichtlich, zum vierten Mal in Folge das Direktmandat zu gewinnen. „Ich habe ein gutes Bauchgefühl – sowohl für die Direktwahl als auch für die SPD an sich“, sagt sie zu diesem Zeitpunkt. Grünen-Kandidatin Marie Schäffer, ihre Kontrahentin in Wahlkreis 21, bringt den Wahlhelfern in der Goetheschule Brownies mit. „Wir haben alles gegeben“, sagt Schäffer über den Wahlkampf. Ihre Potsdamer Parteikollegin Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende der Grünen, sagt vor ihrem Wahllokal in der Evangelischen Grundschule am Pfingstberg, sie hoffe auf ein zweistelliges Ergebnis. „Alles über zwölf Prozent wäre top“, so Baerbock.

Bis kurz vor ihrer Ankunft hingen am Zaun der Schule noch Pappschilder. „Landtagswahlen sind Klimawahlen“, war dort zu lesen, und „Wählt für unsere Zukunft“. Doch ein Wahlhelfer entfernte diese. Sein Kommentar: „Keine Wahlbeeinflussung“.

Oberbürgermeister Mike Schubert: "Frustwählen ist wie Frustessen"

CDU-Direktkandidat Clemens Viehrig gibt sich bei der Stimmabgabe in der Dortuschule ebenfalls optimistisch: „Ich sehe schon noch Chancen für mich, gerade wenn sich Rot und Grün gegenseitig marginalisieren.“ Der Wahlkreis sei hart umkämpft. AfD-Kandidat Chaled-Uwe Said nennt seinen Wahlkreis 22 im Süden Potsdams „ein schweres Pflaster“. Said hofft, dass die AfD im Land die prognostizierten 21 oder sogar 22 Prozent erhält, „oder sensationell mehr“. Danach werde man in die „knallharte Opposition“ gehen. Die Generalsekretärin der Bundes-FDP und Potsdamer Stadtverordnete Linda Teuteberg zeigt sich am Morgen in ihrem Wahllokal in Babelsberg zuversichtlich, dass die FDP den Einzug in den Landtag schafft. Und Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) ruft bei seinem Urnengang am Vormittag in Golm dazu auf, wählen zu gehen. „Frustwählen ist wie Frustessen – das Ergebnis bereut man meist jahrelang.“ (mit thm, vab, eb, pee, mak, jaha, HvC, SCH)

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